Kapitel 41

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Cole trat verärgert gegen einen Baum, während Jack sich die Haare raufte. „Und du bist sicher, dass sie hier langgelaufen ist?", fragte er noch völlig außer Atem. Cole schluckte und nickte. „Ja, aber dann habe ich sie aus den Augen verloren."

„Scheiße!", fluchte Jack und kickte einen Stein mit voller Wucht zur Seite, sodass dieser an einem Baum abprallte.

Robin stützte erschöpft eine Hand in die Hüfte. „Das ist ja schlimmer als Schulsport.", murmelte sie. Dean trat näher an sie heran und stützte sich auf ihr ab. „Das kannst du aber laut sagen.", stöhnte er.

Jack drehte sich aufgewühlt zu ihnen um. „Geht es euch noch gut? June ist weg und ihr beschwert euch?! Wir haben keine Ahnung wo sie ist!"

Jetzt platzte Robin der Kragen. „Jetzt hör mir mal zu! Ob es dir gefällt oder nicht, der Plan läuft wie geschmiert! Hör auf dich aufzuregen und bewahre einen kühlen Kopf, Jack. Wir werden June retten. Kommst du jetzt wieder runter?"

„Ich sage es nicht gerne, aber Robin hat recht. Wir wissen wo sie June hinbringen werden.", meldete sich Cole zu Wort.

Jack atmete tief durch. „Ihr habt ja recht. Es tut mir leid, aber...aber ich...", stotterte er aufgewühlt.

Robin trat auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. „Du wolltest, dass du es bist.", flüsterte sie, „Ich verstehe das, aber glaube mir, du musst jetzt wirklich einen kühlen Kopf bewahren. Wir holen sie da raus."

Jack nickte. „Ok. Wo müssen wir hin?" Dean zog die Karte aus dem Rucksack und studierte die Koordinaten, die er dann mit denen auf seinem Handy verglich.

„Hier entlang.", meinte er dann und schob den Ast einer großen Tanne beiseite, „Es ist nicht mehr weit."

Langsam öffnete June die Augen und versuchte sich aufzurichten, doch sie konnte sich nicht bewegen. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken mit einem Kabelbinder zusammengebunden. Der Kabelbinder schnitt sich unangenehm in ihre Handgelenke. „Hallo? Ist da jemand?", rief sie und hätte sich gleich darauf selbst dafür schlagen können. Wenn da jemand wäre, vor allem ein Mitglied von der Sekte, würde dieser jemand bestimmt nicht antworten.

Sie wandte sich hin und her, um sich einen Überblick über den Raum verschaffen zu können, doch das war sinnlos. Sie konnte in der Dunkelheit eh nichts erkennen. Frustriert ließ sie ihren Kopf sinken, doch als sie das Quietschen einer metallenen Tür hörte, sah sie sofort wieder auf. Ein breiter Lichtstrahl fiel in den Raum und direkt in Junes Gesicht. Geblendet blinzelte sie, um irgendetwas zu erkennen. Sie konnte einen Mann in einer langen Kutte erkennen, der die Hände hinter dem Rücken verschränkt hatte. „Wer sind sie?", fragte June ängstlich. Der Mann lächelte und entblößte seine gelben Zähne.

„Ach mein liebes Kind.", langsam kam der Mann auf sie zu. Der Schein von den Fackeln auf dem Gang reichte aus, damit June das wettergegerbte Gesicht und die verfilzten Haare erkennen konnte. „Eigentlich solltest du mich kennen, aber ich bin mir sicher, dass..."

„Sie sind Aidens Vater.", keuchte June, „Nikolas Savigen."

Das grässliche Grinsen des Mannes wurde breiter und ließ seine bereits tiefen Falten, wie tiefe Gräben aussehen. Langsam kniete er sich vor June. „Also hat er mich ja doch mal erwähnt.", sagte er und hob Junes Kinn mit seinen faltigen Fingern an. June drehte den Kopf zur Seite. Nikolas kam ihrem Gesicht immer näher und betrachtete sie eingehend. „Du siehst Isabelle sehr ähnlich.", stellte er fest. June riss ihren Kopf ruckartig zur Seite. „Sie wissen gar nichts über meine Mutter", schrie sie, „aber ich weiß, dass Sie schuld an ihrem Tod sind!"

Nikolas hob tadelnd den Zeigefinger. „Na, na, na Schätzchen. Soweit ich mich erinnern kann hat sie sich selbst umgebracht."

„Nennen sie mich nicht Schätzchen!", fauchte June und versuchte irgendwie mit ihren eingeknickten Füßen nach dem Anführer der Necromancer zu treten, doch Nikolas lachte nur über diesen kläglichen Versuch. „Du kommst wirklich nach deiner Mutter June Clairvoyance.", sagte er und richtete sich auf. Theatralisch klopfte er sich den Staub aus seiner Robe und ging zur Tür, wo er noch einmal stehen blieb und sich zu June umdrehte. „Wir sehen uns beim Ritual June. Es wird nicht mehr lange dauern."

June kochte vor Wut. „Sie sind ein Scheißkerl!", fauchte sie. Nikolas lächelte nur säuerlich. „Ich weiß.", meinte er und knallte die Tür hinter sich zu. Nun saß June wieder in völliger Dunkelheit.

Robin schob sich elegant unter einem dicken Ast hindurch. Sie hatte sich die Karte geschnappt und ungefragt die Führung übernommen, da sie es den Jungs nicht zugetraut hatte die Koordinaten richtig zu lesen. und drehte sich zu Dean, Nun drehte sie sich zu Dean, der gerade versuchte, genauso elegant wie Robin unter dem Ast hindurch zu schlüpfen, jedoch mit seinen Afrohaaren in den kleinen Zweigen hängenblieb. „Mist.", murmelte er und versuchte sich aus den Ästen zu befreien, was ihm eher mittelmäßig gelang. Robin musste sich ein Kichern verkneifen, als sie Dean mit den ganzen Blättern in den Haaren sah. „Ist was?", fragte Dean.

Robin schüttelte unschuldig den Kopf. „Nö, gar nichts." Nun schob Jack den Ast beiseite und trat zu den Beiden, dicht gefolgt von Cole, der bei Deans Anblick ebenfalls grinsen musste.

„Könnt ihr euch bitte zusammenreißen?", bat Jack, „Es geht hier um June"

„Ja, tut uns leid.", sagte Robin kleinlaut und schob einige Büsche zur Seite. „Hier muss es doch irgendwo sein.", murmelte sie.

Dean drehte sich unterdessen zu Cole, der ihn immer noch grinsend ansah. Frustriert gab Dean auf. „Ich habe doch etwas in den Haaren, oder?", fragte er. Cole nickte lächelnd. „Ja, aber sieht eigentlich ganz gut aus.", schmunzelte er.

„Haha.", murmelte Dean. Cole hob sein Kinn an. „Hey, das meinte ich ernst.", sagte er sanft. Jetzt musste auch Dean schmunzeln. „Danke, aber, auch wenn das hier eine verdeckte Mission ist, möchte ich nicht gerade als Baum rumlaufen.", sagte er. Cole grinste noch breiter. „Warte, ich helfe dir.", meinte er und pflückte Dean sanft einige Blätter aus den Haaren.

Plötzlich spürte Dean, wie ihm jemand auf die Schulter tippte. Es war Robin. „Wenn ihr dann mal mit Flirten fertig seid,", begann sie frech, „habe ich den Eingang gefunden." Jetzt wurde auch Robin ernst. „Wir müssen uns jetzt wirklich zusammenreißen, habt ihr verstanden?" Ihre Stimme bebte leicht. Man merkte ihr an, dass auch ihr das alles nicht geheuer war.

Cole zog Dean noch sanft das letzte Blatt aus den Haaren und nickte dann. „Okay, bin sowieso fertig. Ein Baum wäre in einer Miene wohl auch ein bisschen auffällig gewesen."

„Leute?" Jack stand auf einmal mit verschränkten Armen neben ihnen. „Seid ihr bereit?", fragte er. Als alle nickten, straffte er die Schultern und atmete noch einmal tief durch. „Dann mal los."

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt