Kapitel 23

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Wenig später schloss Cole die Haustür hinter sich und machte sich auf den Weg zu Deans Haus. Er konnte nicht bis zum nächsten Tag warten.

Fröstelnd vergrub Cole seine Hände in den Taschen seiner Jacke. Es hatte kaum merklich aufgefrischt. Inzwischen war es schon dunkel und nur ein paar Straßenlaternen beleuchteten den Gehweg.

Cole überlegte was er Dean sagen würde. Würde er es verstehen? In Gedanken versunken, bemerkt er gar nicht wie er vor Deans Haus stand. In der Dunkelheit erstreckte es sich bedrohlich in den Himmel und ließ Cole klein erscheinen. Er schluckte, stieg dann aber die Stufen zu der Eingangstür hinauf. Langsam hob er die Hand zum Klingelknopf, zögerte dann jedoch. Vielleicht schlief Dean ja schon oder er wollte ihn nicht sehen.

Seufzend ließ er die Hand wieder sinken und drehte sich um. Er würde nicht klingeln. Er und Dean hatten den ganzen restlichen Abend kein Wort gewechselt. Cole glaubte nicht, dass Dean ihn sehen wollen würde. Langsam drehte er sich um und stieg die Stufen wieder hinunter.

Dean kam die Treppe herunter, bereits im Schlafanzug, und wollte in die Küche gehen, um sich noch etwas zu Essen zu machen, als er stutze. Durch die milchige Scheibe konnte er eine Silluette ausmachen. Vorsichtig ging er auf die Tür zu und schaute durch den Türspion. Überrascht weiteten sich seine Augen. Vor der Tür stand Cole und wandte sich gerade wieder zum Gehen. Schnell drehte Dean den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür.

„Cole.", sagte er leise. Cole drehte sich wieder zur Tür. Ihre Blicke trafen sich. Cole lächelte etwas unbeholfen, als er Dean im Türrahmen stehen sah. „Hi.", brachte er dann schließlich etwas schüchtern heraus und kratzte sich am Kopf. „Was machst du hier?", fragte Dean überrascht.

Cole rang mit sich. „Ich muss mit dir reden.", meinte er schließlich unsicher. Dean nickte, immer noch etwas überrascht „Komm rein."

Cole trat ein und stand kurz unsicher im Flur, während Dean die Haustür wieder verschloss. „Komm mit nach oben.", sagte er und winkte Cole hinter sich her.

Cole nickte und folgte Dean nach oben in sein Zimmer. Dort angekommen deutete Dean auf ein braunes Sofa. „Setzt dich.", forderte er Cole auf. Dieser ließ sich wenig später darauf nieder und schaute sich in Zimmer um. Die Tapeten waren über und über mit Filmplakaten übersät und auf dem Schreibtisch stapelten sich die verschiedensten DVDs.

„Also, um was geht es?", fragte Dean sanft und setzte sich neben Cole. Dieser zögerte. „Wenn es um heute Nachmittag geht...", begann Dean, „Wenn du das mit uns nicht willst. Oder wenn du doch auf Mädchen stehst und ich mich in uns geirrt haben sollte..." Cole schüttelte den Kopf. „Darum geht es nicht.", sagte er, „Ich meine es geht schon um heute Nachmittag."

„Wenn ich etwas falsch gemacht haben sollte, tut es mir leid.", meinte Dean kleinlaut. „Du hast nichts falsch gemacht Dean. Es ist nur..." Cole faltete seine Hand im Schoß und schaute zu Boden. „Ich hatte Angst.", gab er schließlich zu und versuchte das Beben in seiner Stimme zu verbergen. Die Erinnerung nahm ihn immer noch sehr mit. Immer wieder flackerten Gedankenfetzten vor seinem inneren Auge auf. Seine Mutter, die ihm eine Ohrfeige gab. Jeden Tag hatte er den Schmerz und ihre Enttäuschung spüren müssen.

„Wovor hattest du Angst?", fragte Dean sanft und rutschte vorsichtig näher zu Cole. „Ich hatte Angst, nicht akzeptiert zu werden. Ich hatte Angst, dass es wieder so wird wie früher, wo ich immer in der Angst leben musste, dass meine Mutter mich wieder schlägt, weil ich einen Jungen erwähnt oder nur angeschaut habe. Ich fühlte mich wie ein Versager und war eine Enttäuschung für meine Mutter.", sprudelte es aus Cole heraus.

„Ich mag dich Dean, sogar sehr. Ich hatte Angst dich zu verlieren, wenn du davon erfährst.", flüsterte Cole und schaute Dean aus glasigen Augen an. Dieser zog Cole in seine Arme und flüsterte: „Was in der Vergangenheit war ist vorbei. Du bist jetzt hier. Ich bin immer für dich da, versprochen." Etwas irritiert legte Cole ebenfalls die Arme um Dean und genoss diesen Moment der Gebrogenheit.

Schließlich löste sich Cole von Dean. „Danke.", flüsterte er, „Danke für alles." Dean strich Cole sanft über den Arm. „Natürlich." Cole wurde leicht rot, als Deans Finger seinen Arm streiften.

„Ich...ich sollte jetzt gehen.", sagte er dann etwas unsicher, „Es ist schon spät." Dean nickte etwas traurig. „Okay, ich begleite dich noch zur Tür."

Unten vor der Haustür umarmte Dean Cole noch einmal. „Ich bin froh, dass du ehrlich zu mir warst.", sagte er. Cole nickte und wandte sich zum Gehen. Er war bereits die ersten Stufen hinuntergegangen, drehte sich jedoch noch einmal um und kam die Treppe noch einmal hoch. „Gibst du mir noch eine Chance?", fragte er und lächelte Dean liebevoll an. „Ich meine..." Weiter kam er nicht, denn Dean machte einen großen Schritt auf ihn zu und küsste ihn. Der Kuss war flüchtig, doch auch zart und liebevoll.

Dann löste sich Cole von Dean und gab ihm noch einen Zettel. „Vielleicht rufst du ja mal an.", sagte er und war kurz darauf verschwunden. Dean schaute ihm lächelnd nach.

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt