Berichtsheft und Druckerpapier

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Als der Ruf von Slenderman kommt, dass ich jetzt bitte zurück kommen solle, da es Mittagessen gäbe, stehe ich wieder auf und laufe den Rest zurück. Mit nichts Weiterem als einem verschnellerten Herzschlag komme ich daheim an. Hat so seine Vorteile, wenn man seit etwas mehr als einem Jahr hier trainiert und die Trainingspartner hart sind. Ziemlich hart. Unnachgiebig. Man lernt hier sein Zeug, das kann ich auf jeden Fall sagen. Die Tür mache ich auf, nachdem ich die Waffe wieder gesichert habe. Habe sie entsichert, um im Notfall gleich davon Gebrauch machen zu können. Aber jetzt ist alles wieder ruhig. Von drinnen kommen schon die leckersten Gerüche und ich schließe die Tür hinter mir wieder. Ziehe meine Schuhe aus und sehe, dass sich eigentlich so gut wie alle hier versammelt haben. Auch Tim und Toby sehe ich. Also kann Brian nicht weit sein.

Ich kann ihn aber erst sehen, als das Essen auf dem Tisch steht und wir alle auf unseren Stühlen sitzen. Als er meinen Blick bemerkt, dreht er seinen Kopf zu mir und nickt mir nur zu. Okay. Ich werde nachher noch mit ihm reden dürfen. Ich weiß genug über Beziehungen, sodass DAS, was wir gerade haben, nicht nach einer frischen Partnerschaft aussieht. Zwar waren meine Beziehungen auch nur Fernbeziehungen, aber in den ersten Tagen und Wochen war man eben unzertrennlich. Lovey-dovey, wenn man es so sehen will. Man zeigt also verdammt viel Liebe füreinander. Kann die Augen und vielleicht auch was anderes nicht voneinander lassen und erst später kühlt es sich so ab. Der fragende Blick von Clocky, was denn bitte die Reaktion von Brian soll, bestätigt meinen Verdacht.

Nach dem Essen, ein Nudel-Schinken-Gratin, stehen wir auf und ich ziehe Brian auf die Seite. Nun gut. Nicht direkt auf die Seite. Sondern direkt in mein Zimmer, schließe die Tür und verschränke meine Arme. Er hat seine Maske oben gelassen und runzelt nur seine Stirn. "Also gut. Ich weiß nicht, ob du vorher Beziehungen hattest. Aber Clocky hat Verdacht geschöpft, weil wir so kalt zueinander sind. Frische Pärchen verhalten sich anders. Meinst du, dass wir das schaffen?" Hoodie ist still, ehe er seufzt. "Ich kanns versuchen. Wenn du mir sagst wie." Aha. Noch keine Beziehung. Gut. Das kriegen wir irgendwie hin! Mit Beispielen, die ich auch an ihm anwende, erkläre ich alles, was ich weiß. Es tut weh es zu sagen... Aber ich durfte mit ihm das richtige Lächeln üben. Dieses... verliebte Lächeln. War gar nicht so einfach, es ihm beizubringen! Aber hingekriegt haben wir es.

Nach guten zwei Stunden des Übens, nicke ich zufrieden. "Gut. Das reicht für den Anfang. Wenn mir noch etwas einfällt, dann gebe ich dir bescheid. Aber wie gesagt. Körperkontakt. Den anderen beobachten, wenn er da ist. Oder zumindest hin und wieder mal. Reden musst du dabei nicht. Reden musst du generell nicht, außer du willst es. Und... ehm..." Ich schnipse mit meinen Fingern. "Irgendwas war noch. Irgendwas..." Ich und mein Gedächtnis. Schrottreif, kann ich sagen. Mit einem Mal erstarre ich und reiße meine Augen auf. Brian steht direkt vor mir. Er ist so nah... Mein Herz rast und ich kann nicht atmen. "Das hier.", flüstert er, als er seine Lippen von meiner Stirn nimmt und an mir vorbei geht. "Ich muss weiter machen. Bis später." Und mit diesen Worten verschwindet er aus meinem Zimmer.

Erst als ich kurz davor bin, zu ersticken... erst dann kann ich wieder atmen. Mein Gesicht ist rot und ich starre auf die Stelle, an der er vorher noch gestanden hat. Erst nach und nach gehen meine Mundwinkel hoch und ich lege eine Hand auf meinen Mund. Ja... das wars... Ich kann die Lippen immer noch spüren. Der warme Atem, der über meine Haare ging. Das leichte kratzen seines Bartes an meiner Haut. Der Bart, der an seinem Kinn entlang bis zu seinen leichten Koteletten hoch geht. Und der Bart über seinem Mund. Es ist kein richtiger Bart. Aber auch keine Stoppeln! Zu wenig für das eine und zu viel für das andere. Es ist... perfekt, in meinen Augen. Mit einem immer noch mehr als laut schlagendem Herzen und leicht zitternden Fingern, schüttle ich meinen Kopf und fahre mir durch die Haare. Passe aber auf, die Stelle nicht zu berühren, die Brian geküsst hat.

Meine Lehrer haben mir einiges geschickt. So viel..., dass ich mir denke, dass ich zwei Packungen Druckerpapier für alles brauchen werde. Und sie haben mich für zwei Tage in der Woche eingeteilt. Nicht nur für einen. Dass es so lange gedauert hat, tut ihnen leid, aber das ging vom Ministerium aus nicht schneller. Diese haben alles geprüft und ich solle mein Berichtsheft einreichen, sodass sie es kontrollieren können. Joa. Fuck. Wenn ich damit angefangen hätte zu schreiben... Wäre das auch kein Problem! Also leite ich die Mails alle an Slenderman weiter, rufe Jack über mein Handy an und gemeinsam verbringen wird den restlichen Tag bis zum Abend damit, das beschissene Heft auf das laufende zu bringen. Manchmal hat er selbst keine Ahnung und sagt mir, dass ich einfach nur hinschreiben soll, dass wir das bei ihm nicht machen. So einfach geht das.

Der Boss bringt mir in der Zwischenzeit meinen Stapel an Papier. Als ich fragte, wie viel Packungen an Druckerpapier er dafür verschwenden musste, zeigte er drei Finger. Aber es sei egal und er sei zufrieden, dass ich mir Hilfe für mein Berichtsheft geholt habe. Immerhin muss Jack das kontrollieren und Slendy unterschreiben, was er dann auch macht. Find ich gut. Find ich echt gut. Während sich mein Boss also schlussendlich darum kümmert, das Berichtsheft weg zu schicken, sitze ich vor dem riesen Stapel an Papier. EJ ist wieder gegangen und ich hole tief Luft. "Fuck." Das ist alles, was ich raus bringe. Stehe dann aber doch auf und fange an, alles nach Fächern zu sortieren. Immer wieder schneide ich mir in die Finger, lasse es aber. Meine Güte. Dann ist da halt n bisschen Blut dran. Scheiß drauf.

Als ich fertig bin mit dem sortieren, ist es halb acht abends. Aber alles ist gelocht, in den passenden Ordnern und meine Finger brennen, weil ich sie in Desinfektionsmittel gebadet habe. Slenderman kontrolliert, ob ich auch wirklich nichts anderes als Schule gemacht habe und ist erneut zufrieden, dass alles so weit geordnet ist. Und jetzt geh runter und iss was. Und wie viel hast du getrunken? Da fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei ihm bedankt habe, für gestern! "Ich werde unten was trinken. Und danke, dass du gestern zu Brian gesagt hast, dass er mir was herrichten soll!" Eine kurze Stille ist da, ehe er selbst eine Hand auf meinen Kopf legt und sanft darüber streicht. Kein Problem. Ich sorge mich eben um jedes meiner Kinder. Lächelnd nicke ich und er portet sich weg, ehe ich aus meinem Zimmer gehe und selbst nach unten wandere, um mir was zum Abendessen zu machen. 

The 4th ProxyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt