The 4th Proxy

Einseitiges Spiel

"Was zur Hölle hast du dir dabei nur gedacht?!", knurrt Tim und ich verwirrt zu ihm. "Was... habe ich mir bei WAS genau gedacht?", frage ich nur, da ich jetzt seine Gedanken nicht so nachverfolgen kann, wie Slenderman es zum Beispiel tut. "Bei der ganzen Geschichte mit der Rache und mit dem Pärchen sein!" Ah. Brian hat es ihm gesteckt. Naja. Er muss es ja irgendwie wissen. "Dass Rache hin und wieder was Schönes ist. Aber wieso? Läuft zwischen euch was, oder-" "Woah! Nein! Er ist wie ein Bruder für mich!", unterbricht Tim und hebt abwehrend seine Hände, während er den Kopf schüttelt. "Du kannst dir sicher sein, dass da nichts läuft!" Ich nicke langsam und verschränke meine Arme. "Also... was ist los. Du hast mich noch nie angerufen, oder hast mir auch noch nie irgendwas geschrieben. Du machst das nicht einfach so."

Der braunhaarige nickt und verschränkt seinerseits die Arme. "Ich finde die Sache mit der Rache so eine semi gute Idee, muss ich zugeben. Wenn Brian irgendwas passiert, weil er wegen dem Ding anders handelt, als er es sonst tun würde... Bist du in der fucking Verantwortung, klar?" Etwas überrascht, was Tim mir hier gerade offen legt, lasse ich meine Arme sinken und lächle. Nicke und sehe ihm in die braunen Augen, die skeptisch schmal geworden sind. "Alles klar. Aber weißt du..." Ich verstumme und sehe zuerst auf den Boden, ehe ich mit einem leicht nervösen lächeln wieder aufsehe. "Ich mag Brian. Wirklich. Ich könnte es mir selbst nicht verziehen, wenn ihm was passiert und ich bin daran schuld." Ich lege Tim eine Hand auf die Schulter. "Du hältst die Klappe, was das angeht. Aber für mich... ist das nicht gespielt. Gespielt ist diese Beziehungssache nur von Brians Seite."

Ohne eine Antwort zu erwarten, gehe ich an Masky vorbei, öffne die Tür, gehe raus, schließe sie hinter mir wieder und balle meine Hände zu Fäusten. Ich bin der großen Hoffnung, dass Tim wirklich die Klappe hält. Ansonsten wird das unangenehm. SEHR unangenehm! Aber ich weiß nicht, für wen. Ich versuche, so leise wie möglich zu sein, um niemanden aufzuwecken. In meinem Zimmer angekommen, schließe ich die Tür hinter mir wieder, schalte den Fernseher ein, mache die Fenster zu und lasse das Licht gleich aus. Stattdessen setze ich mich nur in mein Bett und starre auf den Bildschirm. Ablenkung ist jetzt was ganz Praktisches. Mein Crush... das war lang eine Sache zwischen Jeff, Jack, Clocky und Toby. Lange Zeit. Ein running Gag hin und wieder. Aber jetzt, wo so viel auf einmal passiert... Die Schule, Ronjas Ermordung, weil es dann in der Schule doch langweilig ist, die ganze Sache mit Brian und die Rache... Mit wem soll ich bitte darüber reden? Mit wem...

In den nächsten Wochen geht es so weiter. Brian wird immer gelassener, was unsere gespielte Beziehung angeht und hin und wieder fühlt es sich so an, als wären wir in einer echten. Und zugegebenermaßen vermisse ich ihn mehr als sonst, wenn ich in der Schule bin, die mich nun endlich mal unterhalten kann. Wo ich mich vorher gespielt habe, muss ich wirklich aufpassen. Für einen Moment gehen meine Noten von reinen Einsern auf zweier runter. Aber das habe ich schnell wieder ausgebügelt, da ich mich an die kleine Umstellung nun doch irgendwie gewöhnen musste. Das, was ich nur auf dem Papier hatte, macht mit den Erklärungen des Lehrers plötzlich Sinn und ich muss mich nicht fragen, was zum fick das eigentlich ist.

"Alex?" Ich sehe von meinen Hausaufgaben auf und drehe mich mitsamt dem Stuhl zur Tür. Nehme das Headset runter und Brian steht in der offenen Tür. Ich lächle und lege den Stift auf die Seite. "Hey!" Er kommt rein, die Maske unten und die Tür hinter ihm geschlossen. "Das ganze... Du meintest, dass man einfach zum anderen gehen soll, wenn es reicht." Ein Stich in meinem Herzen und meine Mundwinkel gehen nach unten. Er will es also auflösen. Und meinen kleinen Traum wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Also gut! Ist ja nicht so, als hätten das schon viele vor mir. Nickend seufze ich und hole mein Handy. "Setz dich hin. Ich ruf die anderen." Das wird nicht wirklich die Rache, auf die ich gehofft habe. Sie ist nicht süß, so wie ich dachte. Sie wird bitter. "Alles in Ordnung bei dir?", fragt Brian und ich nicke, werfe ihm ein leichtes lächeln zu. "Klar? Nur viel von der Schule. Zwei Klassen auf einmal.. sind interessant."

Ich kann ihm doch nicht sagen, dass er gerade meine Motivation für alles auf den Boden geschmissen hat und darauf herum trampelt. Ich schreibe den vieren, dass sie sich bitte bei mir einfinden sollen und muss keine fünf Minuten warten, bis mein Zimmer zugegebenermaßen etwas voll ist. Alle starren mich an und ich drehe mich in meinem Stuhl zu ihnen. Ein Bein über das andere und mit einem zufriedenen grinsen, welches ich noch hervor bringen kann. "Ihr wisst doch, dass ihr vier Brian und mich zusammengebracht habt, nicht wahr?", sage ich und verwirrte Blicke werden untereinander ausgetauscht, ehe sie nicken. "Und ihr seid echt wahnsinnig süß. Brian ist anders, als wir alle dachten!" Besagter steht neben mir und lehnt an meinem Stuhl, während ich die Arme verschränke.

Noch ein wenig breiter grinse und mich nach hinten lehne. "Dann hat unser kleines Spielchen ja perfekt geklappt, nicht wahr?", frage ich und sehe zu Brian, der nur mit einem kalten Blick zu den anderen nickt. "Wisst ihr... Ich habe mich damals echt auf den Ausflug gefreut. Einfach nur wir vier, irgendwo gemütlich sitzen, essen, trinken und Spaß haben. Nach den zwei Wochen Einsamkeit war das auch für mich dringend nötig! Aber dann ist ja einer nach dem anderen abgehauen. Und schlussendlich sind sogar Seed und Smile weggewesen. Haben mich allein gelassen. Angeblich habt ihr mich verloren gehabt. Und Brian und ich dachten uns..., dass wir dahingehend wohl etwas... unternehmen müssen." Verwirrt. Verblüfft. Geschockt. "Ihr habt das alles gespielt?" Ich antworte nur mit einem Grinsen. Wenn ich sagen würde, dass ich alles nur gespielt habe... würde ich lügen.

Clocky springt vom Bett auf und rast zu mir. Packt mich an den Schultern und schüttelt mich. "Hast du noch alle Tassen im Schrank?! Wir dachten alle, dass du glücklich wärst!", ruft sie und ich halte sie irgendwann fest. "Clocky. Du weißt besser als jeder andere..." Ich ziehe sie zu mir runter und habe meinen Mund an ihrem Ohr. "Das mir das mehr weh tut, als du glaubst.", flüstere ich leise, lasse sie los und stehe grinsend auf. "Was. Wollt ihr uns gar nicht dazu beglückwünschen, dass wir euch so lange verarschen konnten?", frage ich und lache kurz. Es braucht einen Moment, ehe Augenverdrehen und Lachen zu hören und zu sehen ist. Und dass wir wirklich nicht schlecht geschauspielert haben. Wir lachen, während Brian so aussieht, als würde er nicht in die Gruppe gehören. Er stellt sich selbst abseits hin. Nach der Aufklärung auf Brians Bitte hin, gehen alle wieder raus. Unterhalten sich über dies und jenes und ich schließe die Tür hinter ihnen. Lege meine Stirn an die Tür und verziehe mein Gesicht. Tränen rollen mir die Wangen runter und ich schaffe es, nicht laut los zu flennen. Es hat mir dann doch mein Herz gebrochen. Dieses Beenden einer eigentlich nicht vorhandenen Beziehung. Aber für mich... war sie eben zum Teil real...