Katzen

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Bis zur ersten Dämmerung habe ich die gesamte Umgebung ausgekundschaftet. Kenne die Orte der Häuser von Tim und Brians Opfern und weiß, wie ich bei meinem am besten rein komme. Keine Ahnung, ob sie schon fertig sind. Oder ob sie das Gleiche tun wie ich. Zumindest habe ich sie nicht herumlungern sehen. Wahrscheinlich sind ihre Opfer schon Tod. Könnte ich zumindest gut verstehen. Aber ich bin nun einmal nicht so. Und im Moment habe ich einen kleinen Freifahrtsschein, was meine Tötungszeiten angeht. Immerhin habe ich bald Abschlussprüfung! Ich muss Jack unbedingt noch bitten, mein Übungspatient zu sein. So etwas wie Blutdruckmessen oder so etwas... machen wir meist mit einem kleinen tragbaren Gerät. Aber das will die Schule ja nicht. Also... muss ich es nur ein oder zwei Mal machen, bevor ich es wieder kann.

Als die Sonne verschwindet und die ersten Laternen der Straße angehen, stehe ich auf und strecke mich. Ein bisschen auf einer Parkbank sitzen, das Haus im Blick haben und nicht auffällig wirken? Setz dich auf einen Kinderspielplatz, dessen Kinder so zutraulich sind, dass sie zu einem hinrennen und kurz mit einem Reden. Als würde man zur Familie gehören. Ich persönlich halte nicht viel von Kindern, weswegen ich ihnen so lange skeptisch gegenüberstehe, bis sie mir nützlich sind. Die Jacke habe ich auf meinen Schoss gelegt, sodass die Hose, die ja dann noch ein wenig auffällig ist, verdeckt wird. Draußen herumtreiben... während man noch dem einen oder anderen aus den Medien bekannt vor kommt... ist vielleicht riskant. Aber irgendwie auch gemütlich.

Die Jacke ziehe ich wieder über mich und beginne, langsam und gemütlich den Gehweg zu dem Haus entlang zu gehen. Kein Stress, keine Hektik... Alles ganz entspannt. Wie ich in das Haus rein komme? Oh... da gibt es keine Probleme. Der Garten, so wie sonst auch immer, wird mir den Eingang bereiten und bieten, den ich brauche. Mit einem Lächeln gehe ich an dem Haus vorbei und würdige es keines Blickes. Denn wenn man ein wenig weiter geht, hat man dort einen Trampelpfad, der zwischen den Gärten der hervorderen Häuser und einem riesigen Grundstück liegt, welches mit hohen Buchsbäumen abgegrenzt wurde. Zwar muss ich an den anderen Gärten vorbei, aber das ist ein Kinderspiel. Keine Hunde. In diesem Reihenhausviertel scheint es wohl mehr Katzen als Hunde zu geben, da ich die kleinen Strolche oftmals schon streicheln konnte. Ich bin mehr ein Katzenmensch, würde aber ein Krokodil streicheln, wenn es mich nicht beißen würde. Ich bin da flexibel.

Während ich zum Garten gehe, bleibe ich kurz stehen und gehe in die Hocke. Eine der orangefarbenen Killerkuscheltiere liegt auf dem Weg und sieht mich ganz ruhig an. "Hey, kleiner...", murmle ich und streiche durch das Fell. Es ist warm vom Tag und das Schnurren lässt mich vergessen, wieso ich eigentlich hier bin. Bis das Tier keine Lust mehr hat, kurz mauzt und dann aufsteht. Die Katze streckt sich, gähnt und hüpft ohne Probleme in einen der Gärten, wo sie wahrscheinlich hingehört. Ich brauche eine Katze. Für daheim. Aber wirklich! Als ich wieder in die Realität komme ist, es schon dunkler geworden und ich frage mich, wie lange ich die Katze bitteschön gestreichelt habe! Aber was solls. Ich muss noch einen Mord begehen. Also nichts wie ab zu dem Garten zu dem ich eigentlich sollte.

Es ist so dunkel, dass ich meine Waffen nun wieder an ihren eigentlich dafür vorgesehenen Platz packen und die Maske aufsetzen kann. Die Kapuze noch darüber und ich setze mich zwischen Buchsbaum und dem Garten meines Opfers. Beobachte im Halbdunkeln und übe mich in Geduld. Lächle, als ich immer wieder das Licht angehen sehe und es danach wieder ausgeht. Diesmal bin ich allein. Ohne jemanden, der mir die Türen öffnen könnte. Aber ich krieg das schon irgendwie hin. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich einen Auftrag bekomme, er sieht unlösbar aus und ich krieg das trotzdem irgendwie hin. Außerdem habe ich nun genügend Zeit, um alles glatt laufen zu lassen. Niemand, der mich stresst.

Als es für länger als eine halbe Stunde dunkel und still ist, stehe ich auf und klopfe mir den Dreck von der Jacke, ehe ich einfach über den Zaun springe. Ich habe mich mehr auf eines beim Training konzentriert. Auf das Klettern. Parkour ist für mich kein Hindernis mehr. Waren ja gut drei Monate, seitdem ich das letzte Mal getötet habe. Und in der Zeit etwas Neues lernen... ist locker drin. Aber es wurde mir einfacher gemacht, als ich dachte. Hier scheint mich nicht so sehr auf Sicherheit zu stehen. Oder warum sonst lässt man zwar die Rollos bei der Terassentür runter... aber sie bleibt knapp über der Katzenklappe hängen? Dass die Stubentiger rein kommen? Oh... und ein Fliegengitter soll mich davon abhalten? Als nächstes denkt man sicher noch, dass ein Sicherheitssystem nicht gehacked werden kann.

Es dauert weniger als eine Minute, das Fliegengitter mit meinem Messer zu zerschneiden und mit ein wenig hochdrücken des Rollos darunter in das Haus zu krabbeln. Ich stehe im Wohnzimmer auf und mache das Rollo leise so weit rauf, dass ich darunter krabbeln kann, ohne es hoch heben zu müssen. Viel ist es nicht. Aber sicher ist sicher. Ein leises maunzen ertönt und schon ist eine Katze durch das neue Loch in dem Haus. Wenigstens schaffe ich Raum für die Kittys. Das Messer stecke ich wieder weg und schleiche mich erst einmal durch das Erdgeschoß und schaue mich dort etwas um. Fasse aber nichts an. Ein Geräusch lässt mich zusammen zucken und ich drehe mich um. Bin in der Küche und habe kein besseres Versteck... als hinter der verdammten Tür! Also mache ich mich so dünn es geht, quetsche mich zwischen Tür und Wand und fluche innerlich, wie dumm das doch ist. Doch schon geht das Licht an und ich atme so flach wie möglich.

Der Kühlschrank geht auf. Irgendwas wird herum gesucht. Ein zufriedenes und weibliches: "Ah...!", ertönt und ich merke, dass es nicht einmal mein Opfer wäre. Der kleine Junge mit 15 oder 16, genau weiß ich es nicht mehr, hat jetzt auf jeden Fall keine weibliche Stimme. Die nackten Füße gehen aus der Küche, nachdem die Person den Kühlschrank geschlossen und das Licht ausgeschalten hat. Erleichtert atme ich leise aus und warte. Wieso habe ich sie nicht vorher gehört? Jetzt höre ich sie deutlichst die Treppe hoch gehen. Ich schüttle meinen Kopf und trete hinter der Tür hervor. Ein schmunzeln auf meinem Gesicht. Das Töten wird ein Spaß. Zwar leider Gottes nicht für die ganze Familie, aber man soll das nehmen, was man bekommt. Und wenn es eben nur der Tod ist.

Auch ich schleiche mich zur Treppe und sehe nach oben. Gehe seitlich die kleine Wendeltreppe hoch und habe somit immer die Wand in meinem Rücken. Alles ist ruhig. So. Gute Frage, wo sich das Zimmer befindet...? Wohl oder übel werde ich jedes ausprobieren dürfen. Ich bleibe im ersten Stock stehen. Das Licht aus dem Badezimmer, welches das linkeste der vier Zimmer ist, kommt von den Straßenlaternen und ist somit harmlos. Wieso rolle ich das Ganze nicht einfach von hinten auf? Als das Zimmer gleich neben dem Bad. Langsam drücke ich die Klinke runter und werde erst einmal enttäuscht. Es ist nur ein kleines Trainingszimmer mit ein paar Geräten, einem Sessel und einem Fernseher. Kein Leben darin. Also das nächste Zimmer gleich daneben. In diesem schläft zwar jemand, aber nicht die Person, die ich suche. Eine Weile beobachte ich die Mutter nur. Sie erinnert mich ein wenig an meine. Aber ich habe einen Auftrag. Und meine Mutter habe ich selbst umgebracht.

The 4th ProxyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt