Das Kleid

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Anstatt mich mit meinen Hausaufgaben zu beschäftigen und diese zu Ende zu bringen, lege ich mich nur in mein Bett, kuschle mich an mein Kissen und lasse die Tränen fließen. Hin und wieder bekomme ich es nicht ganz hin, leise zu sein und ein schluchzen entkommt mir. Vielleicht 10 Minuten nach dem Ganzen, öffnet sich meine Tür und ich verstecke mich unter der Decke. "Keine Sorge... ich bins nur.", ertönt Clockys Stimme und ich drehe mich zu ihr um. Die braunhaarige kniet vor meinem Bett und sieht sofort niedergeschlagen aus. Besorgt. Streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Hey... Du hättest es wissen sollen, dass das eine beschissene Idee ist.", meint sie leise und ich sehe von ihr weg. Hätte ich. Aber einmal hat mein Hirn eben NICHT schnell genug Geschalten. Und so etwas kommt sofort als Strafe.

"Und wir wollten nur helfen. Euch nur ein wenig näher bringen, nicht gleich zusammen. Wir fanden es selbst ein wenig schnell. Aber als wir gesehen haben, wie sehr du ihn verteidigst und wie ihr miteinander umgegangen seid... Du hast das nicht einmal spielen müssen, oder?" Zwar beruhige ich mich, was die Tränen angeht... aber irgendwie wird das ganze jetzt ziemlich unangenehm. Clocky steht auf und nickt entschlossen. "Also gut! Wir gehen raus! Eis essen, dann shoppen und dann McDonalds oder irgendwas Fettiges! Ich hab Bock drauf. Wie siehts mit dir aus? Nur wir beide. Keine Jungs." Skeptisch sehe ich die braunhaarige an, ehe ich mir schniefend meine Tränen weg wische. "Ich hasse dich... jetzt steh ich tatsächlich auf...", murmle ich, muss aber irgendwie das Lachen anfangen.

Tatsächlich sind wir beide bei einer Eisdiele, die in der Nähe der Schule ist. Slenderman hat darauf bestanden, dass ich nur in diesem Abteil herum laufe. Woanders würde er uns nicht hin Porten. Sehen wir ein und so sitzen wir nun in der Eisdiele. Ich mit einem großen Früchtebecher und Clocky gönnt sich Nuss. Sie hat ihre Augenklappe aufgesetzt und Pflaster über die Nähte an den Seiten ihrer Münder geklebt. So kann sie wenigstens einigermaßen in Ruhe essen. Und nur hin und wieder wird sie komisch angestarrt. Aber das macht ihr nichts aus. "Ein Glück, dass du nicht öfters in SO einer beschissenen Laune steckst!", meint sie und kauft auf einer der Walnüsse herum. Nach einem fragenden Augenbrauen-hochziehen, schmunzelt sie. "Das würde mich irgendwann fett machen." Amüsiert schnaubend, schlucke ich einen Teil der Melone herunter. Zumindest sieht es so aus. Schmecken ist so ein wenig schwierig. "Du und fett? Genau!"

Das Eis bezahlt jeder allein. Ich habe darauf bestanden, weil Clocky meinen Becher auch noch übernehmen wollte, aber es ja mein Verschulden ist, dass ich so scheiße drauf bin, beziehungsweise war, geht das so nicht. Mit shoppen meinte sie leider Gottes IHR shoppen. Nicht meines. Während mein Shoppen darin bestehen würde, in die Elektronikfachmärkte zu laufen und mir ein paar Neuerungen zu holen, besteht ihr shoppen... aus Kleidung. Und Schuhen. "Du weißt ja, dass ich bald meinen 18. Geburtstag habe...", meint sie und ich sehe sie skeptisch an. Dieser Ton. Irgendetwas will sie. "Und ich fände es ein legitimes Geburtstagsgeschenk, wenn ich..." Oh Gott... ich habe eine Ahnung. Bitte sag nicht das, was ich denke das du tust. "Dich einmal im Kleid sehen kann!" Fuck. Sie hats getan. "Ich soll WIRKLICH ein Kleid anziehen? ICH?!"

Mein Körper, mein Geld und... mein Kleid. Da Clockwork sich die Überraschung nicht vermiesen will, hat sie eine Verkäuferin gebeten, mit mir ein schönes Kleid auszusuchen, in welchem ich auch auf Partys gehen kann. Indiziert, dass sie also eine fette Party schmeißen will. Ihr Geburtstagsgeschenk liegt schon lange bei mir im Zimmer. Verpackt und nur darauf wartend, dass jemand es öffnet. Eine echte Silberkette mit einem echten kleinen Smaragd. Der Geburtsstein des Monats Mai. Aber wenn sie es unbedingt will. Ich kann nicht glauben, dass ich mehr als 100€ für ein Kleidungsstück ausgegeben habe. Und dann auch noch für ein Kleid! Ich hätte es ja verstanden, wenn es ein Cosplay wäre... aber das?

Klappe halten und durchziehen ist die Devise. Nach diesem Shoppingtag vergehen die zwei Wochen bis zu ihrem Geburtstag im Flug. Und ich habe mich breitschlagen lassen... Den ganzen Tag das Kleid zu tragen. Man kann mir glauben, wenn ich sage... ich habe den Tag davor noch irgendwie versucht, mich raus zu reden. Mit irgendwas. Das... Kleid sei zu eng. Ich könne darin doch nicht richtig mit ihr Feiern... bla, bla, bla. Aber Clocky ist eisern, wenn sie etwas haben will. Also stehe ich am Morgen unter der Dusche und will einfach nur sterben. Ich und Kleider... Wenigstens muss ich keine hohen Schuhe anziehen. Hätten sie so oder so nicht in meiner Größe da. Ich trage meistens Männerschuhe, weil die Läden meine Größe... bei den Damen nicht haben. Mit Schuhgröße 44-46, je nachdem wie der Schuh geschnitten ist... kommst du nicht weit.

Fertig mit dem Duschen und dem ganzen Zeug, föhne ich mir das erste Mal seit Ewigkeiten meine Haare trocken, kämme sie durch und schüttle den Kopf, als ich mir die Unterwäsche anziehe und dann das Kleid darüber. Klassisches Schwarz, weil meine Haare sonst ein wenig... ZU viel Kontrast zu dem Kleid geben und die meisten Farben dann bescheiden aussehen. Das Kleid geht bis zu meinen Knien. Ich habe keine Strumpfhose. Sollte einfacher sein. Aber der BH mit den schwarzen Trägern fällt kaum auf, da die Träger des Kleides ebenfalls ein wenig breiter sind. Alles in allem sehe ich aus wie ein Püppchen, aber nicht wie ich selbst. Und klaue ich ihr nicht das Spotlight? Die Sache mit Brian. Ist abgestumpft, aber nicht wirklich weg. Sie wird nie wirklich weggehen. Aber... WIR gehen uns einigermaßen aus dem Weg. Es tut mir weh, aber so geht es wenigstens. Hoffnung? Ist weg.

Mit dem Kleid und dem eigentlichen Geburtstagsgeschenk in meiner Hand, trete ich aus meinem Zimmer und versuche, nicht zu nervös zu sein. Das ist das erste Mal seit meiner Kindheit, dass ich wieder mal in einem Kleid bin. Und ich bin 20! Ich gehe barfuß. Socken... glaube ich, sehen beschissen aus. Leise schleiche ich die Treppe runter und ich finde es unangenehm, wenn das Kleid sich bei jedem Schritt irgendwie hebt. Unten angekommen, sehe ich mich um und kann Clocky am Frühstückstisch erkennen. Schnell lege ich meinen Finger auf meine Lippen, als ich schon sehen kann, wie Toby seinen Mund unter der Maske aufreißt, um sie zu rufen. Ich grinse wissend in ihre Richtung und zwinkere den drei Männern zu, ehe ich hinter Clocky schleiche. Einige Geschenke liegen vor ihr auf dem Tisch und sie ist in ihr Handy vertieft. Kaffee steht dampfend in der Tasse neben ihr, als ich sie von hinten umarme. "Alles gute zum Geburtstag!"

The 4th ProxyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt