32.Henry

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In meinem neuen „zu Hause" angekommen, blieb mir beinahe die Luft weg. Der Ort war grauenerregend. Björn behandelte alle nicht weniger unsanft als der Bauer anfangs und nun, vor diesem grauen Steinklotz einer Fabrik, sah er noch um einiges unheilvoller aus als zuvor. Mir lief ein Schauer über den Rücken, bei dem Gedanken was mich da drin erwarten würde. Doch es half nichts, nun musste ich stark sein und bleiben. Aufgeben kam nicht in Frage, was auch immer da drinnen jetzt auf mich zu kam. „Hey du, ...hab schon vergessen wie du heißt, aber egal ... hier bekommt jeder nur eine Nummer. Geh rein, deine Sachen," er lachte als er das kleine Bündel meiner Habseligkeiten erblickte. „kannst du unter dein Bett schieben."

Er drehte sich um und rief nach jemandem: „Hey! Nummer 4! Zeig dem Neuen die Schlafplätze!" Sofort kam ein braunhaariger Junge zu uns, der seinen Kopf einzog und unterwürfig nickte. „Verdammt noch mal, beeile dich! Unnützes Pack!" Dieser Mann regte mich auf. Wie redete er mit dem Kind. Ich musste mittlerweile auch schon einiges einstecken, schon der Bauer war schlimm gewesen, doch hatte er uns immer gut behandelt, wenn wir höflich waren. Mein Mund konnte nicht schweigen: „Entschuldigen sie Sir, dass ich mich einmische, doch wenn wir zu spät kommen, wird das sicher nicht sein Fehler gewesen sein, sondern meiner. Weshalb also diese Unhöflichkeit?" Natürlich wusste ich, dass es sehr unüberlegt gehandelt war, aber ich wollte das nicht einfach so durchgehen lassen.

Als hätte ich irgendeinen Einfluss darauf. Ich sollte die Folgen meiner vorlauten Worte jedoch schon bald darauf zu spüren bekommen. Björn trat auf mich zu. „Frech werden, hä? Ich glaub du hast mich wohl falsch verstanden kleiner Satansbraten. Euch "beide" hab ich gemeint!" schrie er in meine Richtung und verpasste mir einen Schlag auf den Arm. Er war nicht so schmerzhaft wie der von Joachim, trotzdem erkannte ich dadurch den Ernst der Lage. „Und jetzt verschwindet, bevor mir noch schlimmere Strafen für euch einfallen", rief er und man konnte den ekligen Geruch seines Atems riechen.

Der kleinere Junge packte meinen Arm und zog mich hinter sich her. Als wir außer Sichtweite des ungehaltenen Mannes waren, fragte ich das Kind nach seinem Namen. Einfach aus dem Prinzip heraus, diese unpersönliche Nummer nicht nennen zu müssen. Namen sind wichtig, sie machen dich zu dem, der du bist und wenn man seinen Namen verliert ist es doch so, als würde ein Teil deiner Selbst verschwinden. „Kajetan, ... mein Name. Komm wir müssen un beeilen, sonst wird Herr Björn sehr wütend", gab er kurz und knapp zu und hetzte vorwärts. Ich hastete neben ihm her und machte abermals einen Anlauf mit ihm zu sprechen. „Hey, ... warte mal. Du hast doch nicht wirklich Angst vor der Ratte, oder?" Doch darauf bekam ich keine Antwort. Das machte mich ein wenig sauer, schließlich hatte ich mich vorhin für ihn eingesetzt. Auch wenn es nicht wirklich als Erfolg zu verzeichnen war. Aber ich würde nicht aufgeben, nicht umsonst trug ich den Ruf des anhänglichsten und nervigsten, kleinen Bruders (Hat Jonathan mal erwähnt).

„Mein Name ist Henry, eigentlich hab ich bis vor ein paar Stunden noch bei einem Bauern gearbeitet, aber dieser Björn, musste mich unbedingt kaufen. Jetzt, wo alles gerade so gut lief ...", ich sprach wie ein Wasserfall, einfach weiter, bemüht alles zu erzählen, bis auf meine Vergangenheit im Schloss natürlich. Die erwähnte ich mit keinem Wort. Doch Kajetan blieb stumm, nicht einmal ein Seufzen kam über seine Lippen.

An meinem Zimmer angekommen, musste ich feststellen, dass es sich hierbei um einen Schlafsaal mit zwölf klapprigen Metallgestellen, die wohl Betten sein sollten, handelte. Endlich rührte er sich neben mir und zeigte auf das letzte Bett. „Deines ... Nummer 12", meinte er und ich lies einen entnervten Laut von mir. „Gut, dann mal hinne! ... Wozu sollen wir den eigentlich nicht zu spät kommen? Du kannst mir echt nicht erzählen, das zehn Leute, egal wie klein, nicht mit einem Batzen Schmutzwäsche klarkommen." Wieder blieb es still und ich ahnte fast, schon damit ignoriert zu werden, doch dann kam: „Ach du, ... hast keine Ahnung was hier läuft. ... jetzt komm endlich!" Für die Verhältnisse des Kleinen, war dieser Satz ziemlich laut und energisch gesprochen. „Ja ja, ich komm ja schon ...", lenkte ich ein. Mit einem Handgriff lies ich meine „Wertsachen" unter die Matratze gleiten und hoffte so würde sie mir niemand klauen. Es war schon kein so netter Gedanke, den Schlafplatz mit elf weiteren Personen teilen zu müssen, doch wie unangenehm dies sein würde sollte ich erst später herausfinden. Kajetan trommelte derweilen ungeduldig mit der Faust an den dünnen Türrahmen. „Schon gut, ... lass uns gehen", nörgelte ich und wir verließen im Eiltempo den Raum.

Anscheinend hatte ich mich stark geirrt, was den "Batzen" Wäsche anging. Wir standen in einem relativ großen Warenlager, wo sich die Dinge stapelten, die es zu waschen galt. „Ach du meine Scheiße!" rutschte es mir heraus. Die Ratte warf mir dafür einen bitterbösen Blick zu. „Habt ihr es doch noch irgendwie geschafft? ... Also Nummer 12, du wirst hier eine wichtige Rolle einnehmen. Die des Aufpassers", er sah mich streng an. Ich musste also nur ein Auge auf die Kleineren haben? Das sollte machbar sein, doch ganz so einfach schien es nicht, denn er grinste mich irgendwie widerlich an. „Naja, trotzdem hast du mitzuarbeiten, ... also glaub ja nicht, du kannst dich auf deinen Lorbeeren ausruhen. Ha ha ha, na dann, ... zeigt es ihm.", mit diesen Worten ging er.

„So ein Widerling", merkte ich an, woraufhin ich empörte Blicke erntete. „Was? ... ist doch so!" rief ich in die Gruppe und wartete darauf, dass sie mir die Aufgaben zeigen würden.

Diese hatten es wahrlich in sich. Die Wäsche wurde nicht nur gewaschen, sondern auch durch etliche Chemikalien gezogen, damit sie blütenrein würden. Am Abend schmerzten mir die Gelenke mehr als an einem Arbeitstag in der Scheune des Bauers. Dies musste fast ohne Zweifel an den fehlenden Stunden im Freien liegen. Normalerweise tankte ich so Energie auf, doch dies fehlte nun. Auch brannten meine Hände von dem Bleichmittel, in dem wir die Tücher und vieles mehr einweichten. Ich hatte die Hände der anderen gesehen und wusste jetzt, dass man nicht nur Wäsche damit entfärben konnte.

Ich lag in diesem extrem unbequemen Bett und wollte nichts weiter als endlich einschlafen zu können, doch ... ohne Musik, ohne das ich mich zumindest in den Schlaf singen konnte? Würde das gehen? Die Antwort lautete „Ja". Doch wäre es mit Gesang, sicher einfacher gewesen.

Der nächste Tag wurde noch anstrengender. Von Früh bis Spät nur Bettlaken bleichen. Wo um alles in der Welt kamen die alle her? Ich hasste diese Arbeit jetzt schon und hin und wieder ertappte ich mich dabei, bereits Fluchtpläne zu schmieden. Doch wohin? Wohin sollte ich gehen?

„Hey du! Mach ein wenig schneller. Du bist unser „Anführer" aber bei weitem der Langsamste hier", zischte "Nummer 2". Auch wenn ich sie alle nach ihren Vornamen fragte, bekam ich von niemandem eine Antwort. Sie redeten generell nicht viel mit mir, was mich ärgerte. Ich meine ich war doch hier der Älteste, ein bisschen Respekt konnte ich mir ja wohl erwarten, oder? So oder so, ich musste hier weg und zwar bald.

Wie es wohl Henriette geht, und ob er sie je wiedersieht, die große Liebe seines Lebens?😣 XD

Danke fürs Lesen,

LG Tsuna-saw-ada

I was King (Deutsche Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt