74.Jonathan

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„Wieso? Was machte Henry hier?", tausende an Fragen, belagerten meinen Kopf und ich konnte es kaum noch erwarten, mit ihm zu sprechen. Nun saßen wir uns also gegenüber, zwei Geschwister, die sich drei Jahre lang nicht sahen.

Mein jüngster Bruder hatte sich so stark verändert, kein süßes, kleines, pummeliges Kind mehr, das ich zu schützen versuchte. Mich irritierte seine neue Haarfarbe, die ungewöhnlich für einen Jungen seines Alters erschien. Auch seine Statur wirkte verändert, seine Schultern breiter als meine, Muskeln die man, durch die leichte Bekleidung, gut erkennen konnte. War dieser Mann vor mir tatsächlich mein Bruder? Er sah mich erwartungsvoll aus seinen kälter wirkenden Augen an und hoffte aufklärende Worte von mir. „Henry ...", setzte ich an und schluckte schwer. „Du ... bist nicht mehr, ... warum bist du ...?" ich konnte keinen vollständigen Satz formulieren. Wurde aus meinem Bruder tatsächlich dieser Mann? Oder wurde ich hier etwa hinters Licht geführt. Spielten mir meine nächtlichen Träume nun auch schon tagsüber Streiche? Er musste meine Hilflosigkeit erkennen, da er einen Arm um meine Schultern legte und leise begann: „Jonathan, ... es ist so viel geschehen, eine lange Geschichte. ... Ich war unsagbar gekränkt und traurig, als sie dich verurteilten. Alex war keine Hilfe und irgendwann wurde es mir im Schloss zu viel. Ich lief davon ..."

Er erzählte mir von allen Ereignissen, keine Ahnung ob er dazwischen Dinge ausließ. Es war, wie er sagte, eine lange Geschichte. So wie ich es sah, musste er vieles durchstehen, vor dem ich ihn eigentlich bewahren wollte.

Alles überdenkend, ließ er mir Zeit, bis er auch endlich eine Frage stellte: „Sag mir Bruder, warum bist du nicht zurückgekehrt?" Ich hatte dies schon erwartet, aber keine Antwort parat. Mein Konter war lächerlich: „Naja, du bist ja auch nicht ..." Er lachte trocken und ich fühlte mich so schwach und kraftlos. Der Druck seines Armes wurde verstärkt und seine Stimme weich und einfühlsam: „Ich verstehe dich, Jonathan. Es ist keine leichte Entscheidung. Diese Leute haben dich rausgeekelt. Es ist nur zu verständlich, dass du nicht zurückwillst. Noch dazu, wo du doch unschuldig bist." Erst war ich verwirrt, dann erleichtert. Er schien es mir wirklich nicht übel zu nehmen. Irgendwie besänftigte es dieses bedrückende Gefühl in meiner Brust. Doch geklärt war damit nichts.

In diesem Moment kam Zirze angeschlichen und forderte Streicheleinheiten. Er entließ mich aus seiner Umarmung und ich stellte sie ihm vor. Gemeinsam strichen wir über ihr Fell und wir unterhielten uns noch über seine hübsche Begleitung. Ich sagte ihm auch, dass mir vorkam sie bereits zuvor schon mal getroffen zu haben und sie eine ausgezeichnete Wahl war. Wir lachten und kehrten schließlich zu den anderen ans Feuer zurück. Richard spielte Gitarre und alle sangen dazu. Margaretha lächelte und machte ihrem Freund neben sich Platz. Es war immer noch eigenartig ihn so vor mir zu sehen ... Henry, ... vor drei Jahren war er ein verwöhnter kleiner Adeliger, der kaum etwas über die Welt außerhalb des Schlosses und ihre Bewohner wusste. Meinen Bruder mit einem Mädchen zu sehen, machte mich aber auch stolz. So viel Zeit war verstrichen oder vergeudet?

Ich wandte meinen Kopf David zu, der neben mir saß. Wieder, obwohl ich glaubte die Gedanken für immer verbannt zu haben, stellte ich mir die Frage, ob es wirklich in Ordnung war. Ich hier, mit ihm, so glücklich. Mit der Person zu leben, der ich meine Treue bis ans Lebensende schwor? Diesmal ließen sich die Überlegungen nicht verdrängen und deshalb nahm ich mir fest vor mit David zu sprechen, ihm endlich alles zu offenbaren. Denn neben all den Dingen, in denen ich mich nicht entscheiden konnte, war eines gewiss, mit dieser Lüge, mit der Vertuschung meiner Vergangenheit, wollte ich nicht weitermachen. Als sich alle von der Feuerstelle erhoben, um schlafen zu gehen, oder wie Margaretha und Henry einen Spaziergang zu machen, nahm ich die Gitarre auf. David wollte uns ein paar Decken holen und als er mich sah, stimmte ich die Chorde an und sang tief aus meinem Herzen was ich jetzt fühlte.

Heartache

So they say that time takes away the pain, but I'm still the same, ah

And they say that I will find another you that can't be true, ah

Why didn't I realize? Why did I tell lies?

Yeah, I wish that I could do it again, oh

Turnin' back the time, back when you were mine (all mine)

So this is heartache?

All this pain in the chest, my regrets. And things we never said, oh baby.

Tränen rannen über meine Wangen. Die ganze Situation brachte mich zur Verzweiflung. Ich saß einfach nur da, konnte das Lied nicht beenden, da meine Stimme versagte. David der still und betroffen neben mir saß, legte die Gitarre zur Seite und hüllte mich in seine starken Arme. Seine Finger strichen sanft durch mein Haar, als er flüsterte. „So viele traurige Worte, John ... möchtest du mir damit etwas sagen?" Ich nickte immer noch völlig fertig und vergrub mein Gesicht in seinem Hemd. „Ich kann das nicht mehr länger ertragen ... ich muss es dir endlich gestehen." Mein Freund schloss mich noch fester in seine Arme. „Du kannst mir alles anvertrauen, nichts kann meine Liebe zu dir mindern. Weißt du?" erklärte er sanft mit Nachdruck und ich spürte seinen warmen Atem an meinem Ohr. Oh verdammt, ... wie sollte ich es nur gestehen? Einfach raus damit?" „Na los, sag mir, was dich schon so lange beschäftigt", forderte er mich erneut auf. Zögerlich begann ich: „Erinnerst du dich an den Tag, als ich dir eine Frage stellte? ... Was wäre, wenn ich eine sehr einflussreiche Person wäre?" nach einem Nicken seinerseits fuhr ich fort. „Naja, es ist nämlich ... wirklich so. Ich ... ich bin ... ein..." Doch bevor ich ausreden konnte, hauchte er mir zart aber gefasst ins Ohr. „Ein Pfarrer? ... Ich bemerkte es, als du Tam und Richard trautest..." Erst stutzte, dann lachte ich auf „Aber nein! Doch kein Pfarrer", kicherte ich an seiner Schulter, woraufhin er ein wenig verwirrt wirkte, dann jedoch in das Lachen einstimmte, mich zu sich drehte, einen kurzen Kuss auf meine Lippen hauchte und dann meinte: „Dann kann es ja nicht so schlimm sein. Raus jetzt damit, sonst können wir nicht zu wichtigeren Dingen übergehen." Fast schlagartig war ich wieder nervös und angespannt. „Ich bin ... bin der ..." Wieder wurde ich unterbrochen, doch diesmal nicht von dem Magier. „KÖNIG!" sagte eine feste Stimme. Wir erschraken, wichen zurück und ich sah in das Gesicht des „Verräters". Es handelte sich um ...

I was King (Deutsche Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt