xx. returning home

1.7K 83 0
                                    

„and here you are living

despite it all"

Die Fahrt in meine Heimat konnte nicht schnell genug gehen. Jede Minute wird mein Herz etwas leichter und meine Gedanken um alles was passiert ist etwas weniger. Ich schaue seit wir den Bahnhof des Kapitols verlassen haben nur wortlos aus dem Fenster. Die Details der Umgebungen die wir durchqueren prägen sich ein. Von dem großen Damm, über den wir endgültig das Kapitol verlassen haben, das glänzende Wasser, dass der Damm aufhält und die vielen Strommasten die sich über das Gelände von Distrikt 5 erstrecken. Die Energie, die in diesem Distrikt produziert wird schwirrt förmlich durch die Luft.

Als wir schon eine Weile unterwegs sind beschließe ich mich zu Johanna zu gesellen, die abseits auf einem der Sofas am Ende des Abteils liegt und ebenso gedankenversunken aussieht. Ich lasse mich auf die Couch gegenüber von ihr fallen und ziehe damit ihre Aufmerksamkeit auf mich. "Freust du dich auf Zuhause?", fragt sie. Ich nicke ihr sofort zu. "Ja, sehr sogar. Ich kann es kaum erwarten meine Familie wiederzusehen. Ich werde bestimmt direkt meinem Bruder in die Arme fallen. Was ist mit dir?"

Über Johannas Gesicht zieht sich fast schon unauffällig ein trauriges Lächeln. "Es wartet dort niemand mehr auf mich. Ich bin nur froh, dass ein kleines bisschen Normalität einkehrt. Sofern man es noch als Normalität bezeichnen kann. June-" sie setzt sich auf und rückt auf die vordere Kante des Sofas. "- sobald du zuhause bist. Sobald du in deinem Haus im Dorf der Sieger bist, wird die Realität auf dich einstürzen. Du musst so viel verarbeiten, dass dir jetzt noch nicht bewusst ist. Aber ich bin nur wenige Meter von dir entfernt und wenn du Hilfe brauchst, dann will ich, dass du weißt, dass du dich immer an mich wenden kannst. Deine Familie wird dich unterstützen, aber ich werde in Distrikt 7 die Einzige weibliche Siegerin sein, die nicht nur verstehen kann, was du tun musstest um zu überleben, sondern auch was es tief im Inneren mit dir macht. Ich will, dass du die bleibst, die du bist. Hast du mich verstanden?" Johanna schaut mich durchdringend an mit ihrem ernsten Blick. Sie hat recht, ich kann mir vermutlich noch nicht mal richtig das Ausmaß vorstellen von dem, wie es mir gehen wird. Doch ich darf nicht das Ziel aus den Augen verlieren und egal was kommen mag, ich werde es durchstehen. Die Erfahrungen sollen mich nur noch stärker machen.
Nach kurzer Zeit antworte ich ihr, "Danke Johanna. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du an meiner Seite bist und ich es mit dir schaffen kann." Daraufhin nehme ich ihre Hand und drücke sie zustimmend.

"Gut", nickt sie zustimmend. "Du wirst Jahr für Jahr wieder vor die Kameras gezerrt werden und zusehen müssen, wie deine Tribute sterben, während du ihnen die Tage davor noch so gut wie möglich Hoffnung zugeredet hast. Es wird schwer, aber wir müssen jeden Tag dafür kämpfen, dass sich etwas ändern könnte." Ich hauche ihr ein leises Ja entgegen, denn meine Aufmerksamkeit gehört jetzt ganz der Landschaft vor den Fenstern. In Sekunden schießen mir die Tränen aus den Augen, während ich mir die Hände vor den Mund halten muss, um nicht sofort laut los zu schluchzen. Vor meinen Augen erschrecken sich große Tannen, die weit in der Ferne immer kleiner werden und sich mit anderen Bäumen vermischen. Durch das gekippte Fenster strömt ein vertrauter Geruch ein.

„Ich könnte mir kein besseres Distrikt vorstellen als Distrikt 7. Der Wald bietet etwas, dass in Panem zu einer Seltenheit gehört."

„Er bietet uns Freiheit, richtig?"

„Ja."

Das ist der Moment in dem ich es nicht mehr zurückhalten kann. Ich stütze mich an dem kühlen Fenster ab, als Sylvans Stimme immer noch in meinem Kopf klingt. Wir wollten es doch immerhin zusammen zurück schaffen; lebend. Er sollte auch diesen Moment spüren können und nicht in einem Sarg liegen. Johanna hilft mir mich zu setzen; sonst würde ich glaube ich zusammenbrechen. Meine Tränen landen auf dem glänzenden Stoff des Sofas. "Sylvan-" flüstere ich Johanna entgegen, nachdem ich die ersten Tränen von meinen Wangen gewischt habe.

"Er ist stolz auf dich. Sylvan wollte, dass du für ihn gewinnst und für euch beide nach Hause kommt. Du bist nicht verantwortlich für das was passiert ist, okay?" sagt sie stark. Es hält mich allerdings nicht weniger davon ab, dass ich erneut anfange zu weinen.
Mein Blick wandert erneut über die Wälder, die mich zum Glück langsam etwas beruhigen und mir helfen, meinen Atem zu normalisieren.
Johanna atmet laut ein und aus und weist mich dazu an, es ihr gleich zu tun.
„Danke, ich glaube es geht wieder", sage ich mit ruhiger Stimme, ehe ich bemerke, wie wir in den kleinen Bahnhof von Distrikt 7 fahren. Da in unserem Distrikt der Transport von Personen eher zweitrangig ist, befindet sich der große Teil des Bahnhofes außerhalb der Halle. Nur ein einziges Gleis befindet sich hier.

„Deck deine roten Augen etwas ab. Es wird das letzte Mal vorerst sein, dass du gefilmt wirst", entgegnet mir Johanna und ich beeile mich in ein Badezimmer zu kommen um dies zu tun. Alles was mich näher an meine Familie bringt. In kürzester Zeit stehe ich wieder vor Johanna, die mein Oberteil etwas zurecht rückt. "Bereit?"

Sie verlässt vor mir den Zug, es sind zwar nicht viele Menschen hier, aber direkt fällt mir die große Kamera vor mir ins Auge, aus der Caesars Stimme kommt, wie er über meine Ankunft in Distrikt 7 spricht. Ich setze ein unechtes Grinsen auf und winke in die Kamera. Wir werden direkt zu einem Wagen geführt, der uns einen Augenblick später im Dorf der Sieger absetzt, fern ab von unserem eigentlichen Haus. Doch als ich die Gesichter sehe, die vor einem der Häuser auf mich warten, vergesse ich, dass wir nicht zwischen den Pfahlbauten vor dem Arbeiterbezirk stehen. Ich vergesse die Kamera, die uns immer noch begleitet. Erneut schießen Tränen aus meinen Augen, doch dieses Mal aus purer Freude.

"Juniper!", schreit meine Mutter freudestrahlend und stürmt in meine Richtung. Ihre Stimme klingt bereits, als würde sie ebenfalls weinen. Wir fallen uns sofort in die Arme, ich drücke sie fest an mich, kann immer noch nicht ganz glauben, dass ich sie wieder sehe. Ich löse kurz die Umarmung um ihr Gesicht zu betrachten und sicher zu sein, dass sie es wirklich ist. Meine Mutter hat tiefe Augenringe, doch sie verblassen, wenn man sieht, wie sehr ihre Augen funkeln. "Ich hab es immer gewusst. Tief im Inneren wusste ich, dass du wieder kommst." Während sie mich ein zweites Mal drückt, spüre ich ein weiteres Paar Arme, dass sich um mich schließt. Als wir die Umarmung lösen, erkenne ich, dass es mein Vater war.

"Du bist aber auch nicht klein zu kriegen, oder?" ertönt eine Stimme hinter ihnen. Ich lache glücklich los und laufe in die Richtung von Ash. "Was denkst du denn?", antworte ich ihm, als wir uns ebenfalls innig umarmen.

"Kaum zu glauben, dass wieder da bist", fügt er hinzu als er beide Hände auf meine Schultern legt. Mittlerweile stehen unsere Eltern bei uns, Johanna steht neben der Kamera, als ich wieder Caesars Stimme wahrnehme.

"Großartig! Großartig! Vereint mit ihren Liebsten! Sag uns Golden Fox, wie ist es zuhause zu sein?"

Für meine Familie muss die Situation skurril sein, doch ich bin leider bereits daran gewöhnt, deshalb werfe ich ihnen einen verständnisvollen Blick zu, bevor sich mein gesamter Gesichtsausdruck verändert und ich mich zur Kamera umdrehe.

"Unbeschreiblich Caesar! Ich bin President Snow so dankbar, dass ich hier stehe und wir im Dorf der Sieger leben dürfen." Zu Caesars Stimme mischt sich das Jubeln eines Publikums. Wie schön, dass sie es direkt ausstrahlen. Was anderes hätte ich auch nicht erwartet.

"Wir verabschieden uns vorerst vor dir, Juniper. Wir bleiben aber gespannt darauf, was die Zukunft für dich bereit hält!"

"Vielen Dank, Caesar!", ich winke kurz in die Kamera, als die Linse auch schon dunkel wird und ich endlich mit meiner Familie alleine bin.

"Wollen wir rein gehen?", fragt Johanna direkt, bevor weitere Fragen gestellt werden können. Auf den Weg ins Haus flüstert Ash mir trotzdem leise zu. "Unheimlich, wie schnell du eben umgeschaltet hast. So habe ich dich noch nie erlebt."

Einen Augenblick später, als die Tür des gigantischen Hauses ins Schloss fällt, wird Ash Stimme lauter. "Wie dankbar bist du President Snow wirklich?"

Während ich die Ausstattung des Hauses genauer unter die Lupe nehme, antworte ich ihm ruhig. "Dieser Mensch hat keinen Dank verdient; ganz im Gegenteil."

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt