xi. nightmares and adventures

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"We grow fearless when we do things we fear."

"Ha!" schreit Johanna enthusiastisch, als ihre Axt exakt in der Mitte des Baumstammes landet.

"Das war doch gar nichts!", erwidere ich ihr lachend und zeige mit dem Finger auf einen Baum, der noch weiter von uns entfernt steht. "Den treffe ich locker!"

Johanna prustet los, nickt ungläubig mit dem Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust, während ich bereits tief einatme und den Baum fokussiere. Ich halte die schmale Axt mit beiden Händen hinterm meinen Kopf fest und als ich mich sicher fühle, werfe ich sie mit voller Kraft in die geplante Richtung.

Etwas zu weit oben bleibt meine Axt im Baum stecken; doch ich bin trotzdem zufrieden. Das ist das erste Mal, dass ich auf diese Entfernung getroffen habe.

"Nicht schlecht", klingt Ash sich in das Wetteifern zwischen Johanna und mir ein. Doch leider ist mir der Grund klar, warum Ash den weiten Weg zu uns gelaufen ist, der so fern ab von seinem Arbeitsweg liegt.

"June, du musst los." Ich bedanke mich bei ihm für die Erinnerung, ehe ich mich von Johanna verabschiede und Ash hinterher laufe.

Schweigend schlendern wir eine Zeit lang durch die hellgrün leuchtenden Blätter und die strahlenden Blüten des Frühlings, der mit seinem neuen Aufleben quasi als Sinnbild für mich steht. Für einen Neubeginn, erhoffe ich mir.

Seitdem Anruf aus dem Kapitol habe ich jede freie Minute genutzt, die mir neben dem Arbeiten geblieben ist, um mit Johanna Äxte und Messer durch die Wälder zu werfen und mich am Bogen schießen zu üben. Man sieht es mir an, sagt meine Mutter. Ich sei muskulöser geworden, besonders offensichtlich sei es ihrer Meinung an den Armen und an den Schultern; meine Haltung sei eine ganz andere.

Doch ich bin davon überzeugt, dass es auch meine mentale Einstellung ist, die dazu beiträgt, dass ich gerader stehe; mit erhobenem Kopf, egal was auch kommen mag, denke ich mir, während sich das Trommeln der Buntspechte mit dem Lachen des Grünspechtes vermischt.

Noch in Gedanken versunken, merke ich erst viel zu spät, dass Ash angefangen hat mit mir zu sprechen. Entschuldigend drehe ich meinen Kopf zu ihm. "Schon gut", sagt mein großer Bruder sofort. "Ich glaube, man könnte mich auch nicht vom Gedanken machen abhalten, wenn es mir so gehen würde wie dir. Was denkst du, was Snow von dir möchte?"

Was Snow möchte ist mir bereits klar, immerhin wurde bei meinem letzten Telefonat nicht lange drum herum geredet. Allerdings habe ich mich bereits in diesem Moment dazu entschieden gehabt, meiner Familie nicht die Gründe im Detail zu nennen. Mir ist bereits jetzt klar, dass ich vermutlich für eine lange Zeit mehr im Kapitol sein werde als in Distrikt 7.

Unwissend zucke ich mit den Schultern und schaue Ash ratlos entgegen. Er akzeptiert mein Schweigen als Antwort und geht nicht mehr weiter auf das Thema ein. Ich bin froh, dass mir noch ein wenig Stille bleibt und ich die Umgebung von Distrikt 7 mir noch einmal gut einprägen kann. Ich atme die frische Luft ein, die getränkt ist mit den verschiedenen Düften der blühenden Blumen. An den Bäumen um uns herum erblicken die ersten Knospen das Licht und die laue Wärme des Frühlings weckt die ersten Kleintiere wieder auf.

Um uns herum knistern die Büsche, als wir durch das steinerne Tor des Siegerdorfes gehen. Meine Tasche steht vollständig gepackt vor der Eingangstür und in dem Türrahmen stehen meine Eltern, die bereits auf uns warten. Wortlos fallen wir uns in die Arme, ehe meine Mutter sich von mir weg drückt und mein Vater mein Gepäck ergreift.

"Möge das Glück stets mit dir sein, Juniper", spricht er melancholisch und drückt meinem Bruder die Tasche nach einer kurzen Umarmung in die Hand. Nachdem wir uns verabschiedet haben, begleitet mich Ash noch bis vor den einsamen Zug, der im Bahnhof für mich bereit steht.

"Miss Sylva, ich nehme ihr Gepäck entgegen." Ein Mann in schickem Anzug nimmt meinem Bruder die Tasche ab und begibt sich umgehend in den Zug. "Sie sollten sich besser verabschieden, wir sind spät dran", weist er mich höflich an.

"Pass auf dich auf, Juniper", rät mir Ash, als ich in den Zug einsteige. "Ich gebe mein Bestes!", entgegne ich ihm.

Mit einem Grinsen ruft er mir im losfahrenden Zug entgegen. "Wie immer!"

Ich mache mich sofort auf die Suche nach meinem Schlafzimmer, um vor der Ankunft im Kapitol noch etwas Schlaf zu bekommen.

Gerade als ich die Türen in einem langen Gang inspiziere, kommt mir der nette Mann entgegen, der eben mein Gepäck verstaut hat. Als hätte er meine Gedanken gelesen, deutet er auf die letzte Tür am Ende des Ganges. "Das ist bestimmt das Zimmer, das Sie suchen."

Dankend öffne ich die besagte Tür und blicke in das dunkelgrün gestalteten Schlafzimmer. Ohne zu zögern lasse ich die Tür hinter mir zufallen und werfe mich mit vollem Schwung auf das Bett.

In Sekunden überkommt mich der Schlaf und ich finde ich mich in einem viel zu bekannten Traum wieder.

Ich sitze am Strand von Distrikt 4. Die warme Sonne strahlt mir entgegen, als sie langsam unter geht und das Meer vor mir in ihrer roten Farbe färbt. Das Meer spült in regelmäßigen Wellen kleine Muscheln an und kitzelt meine Zehenspitzen, die sich leicht im Sand vergraben. Ich nehme Schritte hinter mir wahr und wie sich eine Person neben mich fallen lässt. Jedes Mal wenn ich mich ihr zuwende, blicke ich Finnick in die Augen, in denen sich das Meer und die untergehende Sonne spiegeln. Seine Haare wehen fast unauffällig in den leichten Windstoß der von den Wellen mitgetragen wird.

"Hilfe! June!" Erneut wird aus meinem Traum ein Albtraum. Als ich mich wieder auf das Meer richte, erblicke ich zwischen den Welle den ertrinkenden Sylvan. Ich kann ihm nicht helfen und wende mich verzweifelt Finnick zu, der monoton sagt:

"Entweder er oder ich. Du musst dich entscheiden." Meine Verzweiflung steigt in mir hoch und ehe ich mich versehe, stößt mich Finnick ebenfalls ins Meer.

In diesem Moment schrecke ich aufgeregt aus meinem Schlaf auf, als es im selben Moment an der Tür klopft.

Schnell springe ich auf und stürme in das weiß glänzende Badezimmer. Nachdem das kalte Wasser meine fürchterlichen Gedanken um Sylvan und Finnick weg gespült hat und meine Haare in einem hohen Dutt verschwunden sind, mache ich mich auf den Weg zum Ausgang des Zuges, vor dem wartend ein Wagen steht.

Meinem Albtraum schenke ich keine weitere Beachtung mehr; zu sehr habe ich mich an ihn gewöhnt. An die Gefühle die mich in diesem Moment überkommen und die ich mit jedem Albtraum besser verarbeiten kann.

Und damit los, denke ich. Auf geht es zu President Snow.

ɢʟɪᴛᴛᴇʀ ᴀɴᴅ ɢᴏʟᴅ ⏤ finnick odairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt