Liberation

Ray (11)

"Sag mal Clay, bist du noch dran?", frage ich und bekomme nur ein Brummen als Antwort.
Es ist Mittwoch Abend. Die Rosenbergs und ich haben gemeinsam gegessen und danach hat Virgil sich zurück gezogen. Ich bin dann auch auf mein Zimmer gegangen und nun sitze ich hier und telefoniere mit meinem besten Freund, der irgendwie nicht ganz bei der Sache ist.
"Wo bist du denn mit deinen Gedanken?", frage ich und er seufzt, bevor er sagt: "Ray ich hab da jemanden kennengelernt."
"Was, Moment mal.", entweicht es mir und es entsteht Schweigen.
"Clay, du hast doch Gus.", sage ich, denn die beiden sind seit knapp einem Jahr zusammen.
"Ja ich weiß, aber du wiederum weißt, das unsere Beziehung irgendwie nicht mehr so prickelnd ist. Er hat sich verändert. Er schiebt mich weg, wenn ich mehr will und beachtet mich kaum noch. Alles was für ihn wichtig ist, ist sein Lifestyle Blog im Internet, mit dem er ja sein Geld verdient."

Ich atme hörbar aus und meine dann: "Erzähl mir von dem Anderen."
"Sein Name ist Lloyd und ich habe ihn kennengelernt, als ich gestern diesen Scheich begleitet habe. Er ist echt süß irgendwie. Es endete mit einem Blowjob auf der Toilette des Restaurants und seiner Nummer in meinem Handy. Ich hab seit langem mal wieder abgespritzt, ohne dass ich selbst Hand anlegen musste. Weißt du wie befreiend das war?"

"Okay, okay, das was Gus macht ist scheiße, keine Frage. Aber Clay wenn du dich nicht wohl fühlst, dann musst du es ändern. Schick ihn in die Wüste, aber beginne nicht ihn zu betrügen. Wenn du Lloyd irgendwie süß findest, dann mach erst mit Gus Schluss und dann wirst du sehen wohin dich die Reise führt.", meine ich und lege mich auf dem Bett zurück.

"Und was ist wenn Gus dann wieder meint er würde sich was antun und es dann auch tut, nur weil ich ihn verlassen habe? Du weißt doch, dass er sich schon mal fast was angetan hat, als ich kurz davor war mich zu trennen.", erläutert Clay und ich entgegne ihm: "Aber deswegen bei ihm bleiben und dich unglücklich machen, kann auch nicht der richtige Weg sein. Clay du hast nur dieses eine Leben und du solltest es leben so wie du es willst und es nicht davon abhängig machen was Andere von dir wollen. Du kannst ja mit ihm sprechen wenn seine beste Freundin mit dabei ist. Du sagtest doch mal, dass sie zu ihm durchdringt und sie eine echt gute Bindung zueinander haben."

"Ich weiß, dass ich es ändern muss, so bin ich nicht glücklich.", sagt er und ich antworte: "Dann mach es Clay, ich bin an deiner Seite, wenn du mich brauchst. Und wer weiß wie sich das dann mit Lloyd entwickelt."
"Er ist wirklich süß.", schwärmt Clay und seufzt danach wieder.
"Oh je, so habe ich dich ja schon lange nicht mehr erlebt. Clay komm, mach es, befreie dich aus der Beziehung und starte in was Neues.", versuche ich ihm Mut zu machen und er meint: "Ich schau mal, okay."
"Aber betrüge Gus nicht, das hat er nicht verdient. Das hat niemand verdient.", mahne ich ihn und wenig später verabschieden wir uns.

Ich schaue auf die Uhr und erschrecke selbst wie spät es schon geworden ist, aber nun gut, ich habe wirklich lange mit Clay telefoniert, denn vor seinem Geständnis, habe ich ihm etwas über die Rosenbergs erzählt und natürlich auch die ganze Situation mit Virgil.
Da vergeht die Zeit nun mal.

Ich stehe vom Bett auf, verlasse mein Zimmer und bleibe vor Virgils Zimmertür stehen. Ich klopfe an und warte einen Augenblick, doch von innen kommt nicht ein Ton. Okay vielleicht schläft er schon.
Ich drücke die Klinke hinunter und öffne dann die Tür. Anders als erwartet, ist das Zimmer leer.
Ich schließe die Augen, schnaube durch meine Nase die Luft aus und verlasse dann wieder das Zimmer.
Ich laufe ins Badezimmer, suche Virgil im Haus und im Garten, doch kann ihn nicht finden.
Er ist mir entwischt, wie auch immer er das mit den Bewegungsmeldern gemacht hat.

Alle schlafen schon, außer Virgil und ich, aber das ist ja offensichtlich.
Ich wähle seine Handynummer, weiß aber auch dabei schon, das ich mir das sparen kann, denn wie erwartet geht er nicht an sein Telefon.
Wo soll ich denn jetzt anfangen?
Wie kann ich ihn finden?
Dieser Schlingel.

Ich verlasse das Haus und sehe, dass sein Auto weg ist, und dann fällt mir etwas ein.
Der Senator sagte mir, das er an dem Wagen eine Chip angebracht hat, über den ich den Wagen orten kann.
Ich aktiviere die App und mache mich dann auf den Weg, zu der Adresse, wo der Wagen von Virgil steht.

Ich finde auch das Auto, aber von dem Jungen fehlt jede Spur.
Doch als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass ich in der Nähe des Amory Clubs bin. Vielleicht ist er ja dort.
Ich gehe zum Eingang, welchen ich heute ohne Probleme passieren kann und schaue mich dann um. Zum Glück habe ich meine Maske immer im Auto liegen.

Hier ist nicht viel los und ich starte meine Suche im VIP- Bereich, aber da wird er nicht sein.
Und ich habe recht behalten.
Die Musik wird lauter, als ich die Treppe ins Obergeschoss gehe und dort angekomme, lasse ich meinen Blick über die Menschen schweifen, laufe über die Tanzfläche, hinüber zur Bar, doch kann Virgil nicht entdecken.
Verdammte Scheiße.

"Hey Will, wieder einen Gin Tonic?", fragt mich Chase und ich schüttel mit dem Kopf.
"Bin im Dienst und suche jemanden. Aber er scheint nicht hier zu sein.", entgegen ich Chase.
Ich muss mir was einfallen lassen, wie ich den Herumtreiber gebändigt kriege und ob ich seinem Vater sagen soll, dass er mir entwischt ist.

Meine Gedanken werden unterbrochen, als ich angesprochen werde: "Hey Will, schön dich wieder zu sehen.
"Gil.", sage ich und sehe wie er sich neben mir auf dem Tresen abstützt.
"Lust zu tanzen?", fragt er weiter und grinst mich an.
Seine lila Haare sitzen perfekt und sein Lächeln steht ihm. 
"Ich bin nicht so der Tänzer und leider kann ich auch im Moment nicht, ich muss gleich wieder gehen. Tut mir leid", antworte ich ihm.

Gil zuckt mit den Schultern und tänzelt auf die Tanzfläche. Wo ich ihn noch ganz kurz beobachte.