Ray (22)

1.2K 94 52
                                    

Als Virgil gestern weg war und ich auch das Anwesen der Rosenbergs endgültig verlassen hatte, fuhr ich in die Firma.
Mein Chef Nicolas war schon über alles informiert und teilte mir gleich meinen nächsten Job zu. Den Abend verbrachte ich also, mit einigen Kollege auf einer Vernissage um dort die Sicherheit zu gewährleisten. Clay war jedoch nicht dabei, denn ich hätte gern mit ihm gesprochen.
In der letzten Zeit, hat er sich mir gegenüber sowieso sehr zurückgezogen, also seitdem das mit Lloyd läuft, doch so geht das nicht.

Gestern auf der Vernissage habe ich für mich schon beschlossen, dass ich heute zu Clay fahre und mal schauen wie es ihm geht und auch diese Sache mit Gus und Lloyd nochmals zu klären.
Als ich vor seiner Haustür stehe, klingle ich und warte einen Moment, in der Hoffnung mein bester Freund ist überhaupt Zuhause.
Ich höre Schritte und wenige Sekunden später, öffnet sich die Tür.
"Oh hey Ray, komm rein", werde ich von Gus empfangen und ich bemühe mich, mir nichts anmerken zu lassen. Clay scheint also noch nicht mit ihm geredet zu haben.

"Ist Clay denn da?", frage ich und Gus antwortet: "Ja ist er. Er ist in der Küche."
Ich nicke nur und folge Gus in die Küche.
Dort angekommen, lehnt Clay an der Arbeitsplatte und schlürft an seinem Kaffee, während er gebannt auf den Fernseher schaut.
"Hey.", sage ich nur und bekomme keine Antwort. Immer noch starrt er auf den Bildschirm und ich tue es ihm gleich.
Was ich da sehe, lässt mich schlucken.

Es sind Auszüge aus dem Video, welches ich erst vorgestern in voller Länge zu Gesicht bekommen habe.
Der Senator hat es also genutzt und öffentlich gemacht.
"Es stand heute morgen auch schon in der Tageszeitung.", nuschelt Clay vor sich hin und ich schaue mir die Nachrichtensendung an.
Virgil, wie es ihm wohl geht?
Ob er gut angekommen ist?

Als die Sendung zu Ende ist, wendet sich Clay zu mir und meint: "Wer auch immer dieser Junge ist, er tut mir leid. Senator Rosenberg wird es allerdings freuen, seinen schlimmsten Konkurrenten, mit solch einem Skandal zu sehen. Das wird ihm wohl die Wahl kosten."
"Clay Schatz, ich muss los.", meint nun Gus und spitzt seine Lippen.
Clay beugt sich zu ihm hinunter und gibt ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen.
"Bis gleich", sagt er anschließend und Gus winkt mir zum Abschied.

Als wir dann allein sind blicke ich Clay an und verstehe nun, warum er sich so zurückgezogen hat. Er kann nicht lügen, jedenfalls nicht mir gegenüber.
"Die Presse wird Senator Gills in der Luft zerreißen", macht Clay weiter und ich meine: "Das werden sie wohl. Dieser Junge dort, er kann einem wirklich leid tun. Ich hoffe ihm geht es gut und er hat Hilfe bekommen. Senator Gills ist ein Arschloch."
"Was machst du überhaupt hier? Du müsstest doch bei den Rosenbergs sein.", fragt mich mein bester Freund und wir setzen uns, im Wohnzimmer auf die Couch.
"Dich besuchen, um dir zu sagen, dass ich gestern entlassen wurde. Virgil wurde von seinem Vater nach Russland verbannt. Sag mal, wo warst du, dass du das nicht weißt. Jeder in der Firma wusste es", entgegne ich ihm und er meint: "Ich habe ein paar Tage frei."
"Um mit Gus zu sprechen wegen Lloyd?", haue ich raus, denn das was Clay hier tut, kann ich nicht gut heißen.

"Ja man Ray, das ist alles nicht so einfach.", beginnt er, doch ich unterbreche ihn: "Nicht so einfach? Sag mal, merkst du's noch? Gus hat es nicht verdient, dass du ihn betrügst und Lloyd hat es nicht verdient, dass du nur mit ihm spielst."
"Ich weiß das doch. Aber Gus wird sich was antun wenn ich mich von ihm trenne.", versucht er zu argumentieren, doch nicht mit mir: "Und so machst du es besser? Clay, Gus hat die Wahrheit verdient! Das habe ich dir schon von Anfang an gesagt. Ich habe keine Lust für dich zu lügen und Gus vorzuspielen es sei alles in Ordnung."
"Das verlange ich doch auch gar nicht von dir.", macht Clay weiter und wieder unterbreche ich ihn: "Doch tust du, ohne das du es merkst. Gerade eben schon , als er mir die Tür aufgemacht hat. Ich musste schweigen und du weißt, dass ich ein ehrlicher Mensch bin."

"Ja man, fuck. So eine Scheiße. Ich... ach man.", kommt es über Clays Lippen und ich will gerade antworten, da höre ich die Haustür.
"Ich bin wieder da Schatz.", hören wir und Clay flüstert mir zu: "Er hatte nur einen Termin beim Friseur, dass geht bei ihm ja schnell."
"Reden Clay.", sage ich nur und dann betritt Gus das Wohnzimmer.
"Ich störe doch nicht.", meint er und setzt sich zu uns auf das Sofa.

Ich schaue meinen besten Freund an und er versteht, dass ich hier nicht eher weggehe, bevor er keinen Klartext gesprochen hat.
"Gus, wir müssen reden", äußert Clay dann und ich stelle fest, das ich zwischen den beiden sitze.
"Okay, ich höre?", meint Gus und dann herrscht einen Moment schweigen, bis Clay das Wort erhebt: "Du und ich, wir beide dass... oh mein Gott... Gus ich... wir... ."
"Gott Clay, was ist denn los?", unterbricht ihn Gus und ich schiele zu ihm, sehe dass er die Situation nicht einschätzen kann.
"Ray ich kann das nicht", sagt dann mein bester Freund und ich lege ihm meine Hand auf das Knie, während ich sage: "Doch du kannst das."

"Gus, dass mit uns , geht ja nun schon eine Weile, aber ich kann das so nicht mehr", kommt es über Clays Lippen, während er Gus anschaut.
"Wie genau meinst du das?", fragt der Angesprochene und wieder entsteht ein kurzes Schweigen, bis mein bester Freund fortfährt: "Gus ich liebe dich nicht mehr."

Schwer wie Regenwolken am Himmel, hängen diese Worte im Raum, schweben über uns und ich warte ab, was als nächstes passiert.
"Du... du... du liebst mich n-nicht m-mehr?", wiederholt Gus die Worte.
"Genau. Ich liebe dich nicht mehr und ich will unsere Beziehung beenden. Es lief doch sowieso nichts mehr zwischen uns", sagt Clay und ich sehe dass Gus Tränen über die Wangen laufen.
Schneller als ich schauen kann, springt der junge Mann vom Sofa auf und schreit, während er das Zimmer verlässt: "Du weißt, dass mein Leben ohne dich keinen Sinn mehr hat."

Ich springe auf, eile Gus hinterher, welcher im Badezimmer verschwindet und mir die Tür vor der Nase zuknallt.
Dann ist abgeschlossen.
"Gus, bitte beruhig dich. Egal was du jetzt vor hast, es wird an meiner Entscheidung, mich von dir zu trennen, nichts ändern.", höre ich Clay hinter mir sagen und auch wie es im Badezimmer klirrt.
"Clay, ich mach das! Geh!", meine ich harsch zu meinem besten Freund, der dann zwar bleibt, aber schweigt.

"Mach die Tür auf Gus.", sage ich und von innen kommt nur ein: "Nein, ich will so nicht mehr leben. Verpisst euch doch alle."
Das reicht mir. Ich will hier nicht länger diskutieren und darauf warten dass er sich da drin etwas antut.
Mit Schwung trete ich gegen die Tür, welche dann aufspringt.
Gus sitzt auf dem Boden, des Badezimmers, in seiner Hand eine Nagelschere.
Auf seinen Wangen Tränen, auf seinen Armen Blut, viel Blut.

Neben ihm liegen, wild verteilt, verschiedene Sachen auf dem Boden.
Wieder setzt er die Schere an, zieht sie mit der Klinge über seine Haut. Ich sehe wie er die Klinge drückt, wie das Blut hinaus quillt und schlage ihm dann die Schere aus der Hand.
"Hör auf Ray, es wird nichts ändern.", sagt er und versucht sich die Schere zurück zu holen, die, etwas weiter weg, auf dem Boden gelandet ist.
Ich schnappe mir die Schere, Gus steht auf, verliert das Gleichgewicht und landet in meinem Arm.

"Ray ich kann so nicht mehr leben.", haucht er, bevor er sein Bewusstsein verliert.
"Clay, Krankenwagen!", rufe ich und höre seine Antwort: "Habe ich schon längst gerufen."
Und wie auf's Stichwort,klingelt es an der Tür.

Wenig später sitzen Clay und ich im Krankenhaus und sehen das der behandelnde Arzt auf uns zu kommt.
"Die Wunden sind versorgt und wir werden Mister Walters in einer Akutklinik unterbringen. Bei ihm besteht eindeutig Eigengefährdung und auf Grund dessen und dem zusätzlichen Suizidversuch, können wir ihn nicht wieder nach Hause schicken. Ich denke Mister Walters braucht Hilfe", meint der Arzt, als er vor uns steht.
"Ich hab seine Eltern schon informiert. Sie müssten jeden Moment hier sein.", antwortet Clay und im selben Moment kommen sie um die Ecke.

Nach der ganzen Aufregung und den Erklärungen von Clay und mir sind wir beide nun wieder allein, in seiner Wohnung, machen das Badezimmer sauber und Clay meint: "Danke dass du da warst."
"Kein Problem. Jetzt ist es raus und du hast seine Eltern gehört, sie nehmen ihn anschließend wieder bei ihnen auf. Vergiss nicht seine Sachen zusammen zu packen und sie zu Gus' Eltern zu bringen.", entgegne ich ihm und sehe ihn nicken.
"Wie geht es dir eigentlich?", fragt Clay und ich antworte: "Es ist alles gut Clay. Es ist alles gut."

Doch innerlich denke ich an Virgil und frage mich immer noch, wie es ihm geht und ob er mitbekommt, was sein Vater mit dem Video gemacht hat, welches er ihm zugespielt hat.

LiberationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt