chapter 58

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Songs, die ihr beim lesen hören könnt:
Carry you • Ruelle
Paralyzed • NF
Lesley • Dave, Ruelle


Ich weiß garnicht, wie viel Zeit vergangen ist, in der ich einfach nur dasaß und auf Derek gewartet habe. Aber im Vergleich zum Beginn, ist es gerade dabei, dunkel und kühl zu werden. Dabei war das Wetter heute um einiges besser, als die Tage zuvor und ich habe mir nichts dabei gedacht, als ich keine Jacke mitgenommen habe. Das ich am Abend Stunden damit verbringen würde, auf einer Stufe zu sitzen und mir den Kopf zu zerbrechen, während ich auf eine Person warte, von der ich noch nicht einmal weiß, ob sie auftauchen wird, wusste ich heute morgen ja nicht.

Ich streiche mir erschöpft die Haare zurück und lehne mich nach vorne, um eine bequemere Position zu finden. Mein Hintern ist nämlich schon seit langem eingeschlafen und auch mein Rücken hat sich bereits von mir verabschiedet.

Scheiße, was tue ich hier eigentlich noch?

Dad macht sich sicher schon Sorgen...

Kurzerhand beschließe ich, ihm eine Nachricht zu schreiben und ihm mitzuteilen, dass es mir gut geht, ich etwas später kommen werde und er sich keine Sorgen machen muss. Dabei weiß ich garnicht, wie lange ich es noch hier aushalten kann, auf dem kühlen Asphalt und vor Nichtwissen grübelnd...

Gott, dass ist alles noch immer so surreal. Hätte mir nur jemand vor einem Jahr gesagt, wie sehr sich mein Leben verändern würde... Ich bin mir sicher, ich hätte der Person nicht geglaubt. Ich hätte gelacht, weil es so absurd geklungen hätte, einfach, weil ich es niemals kommen gesehen habe.

Selbst Mum's Selbstmord hat mich total ahnungslos getroffen...

Ich meine, es war alles so normal. Damals hatte ich mich gerade erst damit abgefunden, dass Dad nicht wieder zurückkommen würde, dass Großvater nicht mehr da war und das es nur noch Mum und mich gab. Ich habe es eingesehen, Mum anscheinend nicht...

Ich habe mich wirklich oft gefragt, ob ich zu selbstsüchtig war. Ich meine, ich habe einfach nicht bemerkt, dass es so schlimm um sie stand... bis sie ihrem Leben dann ein Ende gesetzt hat und mich ohne nichts zurückließ. Es gab keinen Abschiedsbrief, keine Nachricht, kein auf Wiedersehen. Es war beinahe so, als wäre sie plötzlich weg und ich ganz allein.

Es war, als wäre sie nie da gewesen.

Doch das war sie. Und das war das Schlimmste daran. Denn die Erinnerungen an sie sind weiter bestanden geblieben, sie waren überall und haben mich jedes Mal aufs Neue daran erinnert, wie es zuvor war und wie es nun nicht mehr ist und auch niemals mehr sein wird.

Doch ich habe es verarbeitetet. Und ich habe akzeptiert, dass Mum anscheinend ein ganz großes Problem hatte. Sie hätte vielleicht einfach mehr Hilfe gebraucht. Mehr Menschen, die sich um sie scheren und ihr gezeigt hätten, dass sie nicht einfach von Dad und ihrem Vater zurückgelassen wurde.

»Vera?«

Ich hebe erschrocken den Blick und wische mir mit einer blitzschnellen Bewegung über die feuchten Wangen. »D-Derek?«, stottere ich bekommen und durchaus überrascht, da ich tatsächlich nicht mehr mit ihm gerechnet hätte.

Sonst hätte ich sicher nicht angefangen zu weinen, verdammt.

Ich räuspere mich und blinzle zweimal, in der Hoffnung, er merkt mir nicht an, dass ich gerade sentimental geworden bin. »Was... was machst du hier?«, frage ich dann, was eigentlich total dumm von mir ist, ich stehe hier schließlich vor seinem Zuhause, doch in dem Moment bin ich einfach zu überfordert, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.

Deep Heart ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt