Kapitel 2

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Du kannst hierbleiben. Wenn du irgendetwas brauchst, bin ich im Gemeinschaftshaus." Sanft legte Cate mir eine Hand auf die Schulter, dann verließ sie die kleine Holzhütte, die mich unangenehm an die Bretterverschläge erinnerte, in denen wir in den Camps schlafen sollten. Aber hier stand zumindest ein Schrank und ein halbwegs gemütlich aussehendes Bett. Eine Türe führte zu einem kleinen Badezimmer.

Erschöpft ließ ich mich auf das Feldbett sinken und seufzte. Mein leerer Blick war auf die Wand gegenüber gerichtet. Die Stille führte dazu, dass meine Gedanken sich immer wieder in die falsche Richtung bewegten.

Elf Kerben. Vier Schuhabdrücke. Sieben Flecken. Die Wand hatte ihre beste Zeit lange hinter sich.

Ich hasste mich dafür, dass ich die Makel einer bescheuerten Wand zählen musste, um mich abzulenken. Die alte Ruby hätte das nicht gebraucht. Die Ruby, die ich wieder sein wollte, die mir aber verwehrt worden war, als meine Eltern mich wegen meiner Fähigkeiten vergessen hatten. Ich hatte mich aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Ja, ich weiß, solche Fähigkeiten wünscht man sich doch da direkt auch, richtig?

Ich wünschte mir kaum etwas mehr, als die Ruby zu sein, die ich ohne all das geworden wäre.

Wir werden Liam wiederfinden, seine Erinnerungen an dich wieder herstellen und Clancy gemeinsam besiegen. Chubs wird es wieder gut gehen und alles wird wieder in Ordnung. Das hätte ich dann wohl gesagt.

Aber diese Ruby, die Jetztige, wusste es besser, als sich unnötige Hoffnungen zu machen. Seit ich zehn war, seit meine Eltern die Regierung gerufen hatten, um mich in eines der Rehabilitation-Camps bringen zu lassen, hatte ich gehofft, dass sie sich wieder an mich erinnern und mich zurückholen würden. Zur Hölle damit. Ich hatte es damals versaut. Und anstatt daraus zu lernen, hatte ich das Selbe auch noch bei Liam gemacht. Demjenigen, der mich so selbstlos aufgenommen hatte, als ich niemanden hatte und gerade erst aus dem Camp befreit worden war. Demjenigen, der mir vertraut hatte. Der für mich da gewesen war. - Demjenigen, der mir seine Liebe gestanden hatte.

Kurz bevor ich das ganze dann den Bach runter geschickt hatte.

Ich stöhnte. Einerseits aus Frustration, dass ich meine Gedanken einfach nicht von Liam lösen konnte, andererseits aus Resignation.

Ich stand auf, um das Beste zu machen, dass mir momentan einfiel. Überrascht bemerkte ich, dass es bereits dunkel geworden war. Innerlich zuckte ich mit den Schultern und hoffte, dass Cate noch wach war, sonst müsste ich sie nämlich wecken.

~

Es dauerte nicht lange, bis das große weiße Gebäude vor mir aufragte. Gerade als ich die Stufen zum Eingang empor gehen wollte, ertönte eine tiefe Stimme und die Tür schwang auf.
Was willst du hier?" Ein Mann trat aus dem Gebäude. Wie es schien war er eine der Wachen, die auf dem Gelände überall verteilt waren. Das Gebäude ist geschlossen, komm morgen früh wieder."
Ich muss mit Cate sprechen", erwiderte ich mit möglichst fester Stimme und sah zu ihm auf.
Komm morgen wieder", wiederholte er, während die Türe hinter ihm ins Schloss fiel. Ab sieben Uhr."
Nein, ich muss jetzt mit Cate sprechen!", sagte ich und trat die Stufen nach oben.
Alles, was du jetzt tun musst, ist dich umdrehen und die Fliege machen. Na los!" Er baute sich vor mir auf und verschränkte die Arme.
Das werde ich nicht! Jetzt lassen Sie mich vorbei!" Ich wollte mich an ihm vorbeidrücken, doch er packte mich am Oberarm und zerrte mich zurück. Aber noch bevor er mich die Treppe hinunter stoßen konnte, spürte ich meine Kraft die Oberhand gewinnen. Ich grub meine Finger in seinen Arm um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Meine Augen begannen in einem glühenden Orange zu leuchten.

Nimm deine Finger von mir! Und danach; lass mich durch!

Schon sah ich wieder klar und war im vollen Besitz meiner Kontrolle.

The Darkest Minds - Battle of MindsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt