Kapitel 21

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Ich bemühte mich, so nett wie möglich zu wirken. "Hallo... ähm... Ich bin Ruby Daly." Einfallsreich Ruby, toll gemacht! "Ich dachte, dass ich vielleicht kurz mit ihnen sprechen könnte?"

Die Frau sah mich stumm an, erst nach mehreren Sekunden schien sie zu begreifen, was ich gesagt hatte. "Wieso? Willst du uns eine Gehirnwäsche verpassen?"

"Warte, woher wisst ihr, dass ich eine Orangene bin?" Ich sah sie erstaunt an.

"Denkst du wirklich, dass es nicht in den Nachrichten kommt, wenn eine Orangene ausbricht?", fragte der Mann, der sich auch in den Türrahmen geschoben hatte, abweisend.

"Ihr habt einen Fernseher?" Zugegeben, rückblickend war es vermutlich nicht die beste Idee, so unhöflich zu sein, aber ich war zu überrascht, dass ich es gar nicht bemerkte. Ich hatte gedacht, dass sie keine Verbindung mehr zum Rest der Welt hätten.

Der Mann nickte missbilligend, als ob er sich fragen würde, ob ich sie wirklich nicht umbringen wollte. "Hören Sie, ich weiß, dass Sie jetzt seit über sechs Jahren nur Schlechtes über uns gehört haben. Aber bitte, lassen Sie es mich erklären. Danach können Sie mich immer noch wegschicken. Und ich verspreche, dass ich dann nicht noch einmal herkomme", versuchte ich meinen Faux-pas von vorhin wieder gutzumachen.

"Sie kann Gedankenmanipulieren, sie kann uns zu Sachen zwingen, die wir nicht machen wollen!", flüsterte der Mann seiner Frau zu.

"Wenn sie das machen wollte, hätte sie es doch schon längst getan. Und wenn sie das wirklich vorhat, dann ist es halt so! Ich bin es satt, seit Jahren alleine zu wohnen. Keine Kinder, keine Enkel. Die einzigen die noch hier sind, sind Steven und Joanna", zischte sie zurück.

Der Mann seufzte, als wüsste er, dass er seine Frau nicht umstimmen konnte, während sie zur Seite trat und die Türe aufhielt. "Komm rein, ich bin Diana und der Haufen Misstrauen hier ist Frank."

"Hallo", sagte ich noch einmal, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte. Es war mir unangenehm, dass sie wegen mir eine Meinungsverschiedenheit hatten. Frank brummte nur etwas unverständliches als Antwort.

"Worüber möchtest du mit uns sprechen?", fragte Diana mich freundlich und führte mich in ein Wohnzimmer.

"Ich wollte eigentlich nur erklären, warum wir hier sind, und dass ihr eigentlich keine Angst haben müsst."

"Ich werde dir zuhören, aber sollten wir dann nicht dafür sorgen, dass Steven und Joanna auch hören, was du zusagen hast?"

"Wenn sie in meiner Nähe sein wollen Ich meine, ich könnte es verstehen, wenn sie nichts mit mir zu tun haben wollen", sagte ich schnell.

"Quatsch, du hattest absolut Recht. Wir hatten schon viel zu lange Angst. Ich werde kurz mit ihnen reden, mach es dir gemütlich." Damit lief sie aus der Tür – für ihr Alter war sie erstaunlich schnell.

Ich setzte mich etwas unsicher auf die Seite eines alten Sofas.

Während den fünf Minuten, die Diana brauchte um Joanna und Steven zu holen, ließ mich Frank keine Sekunde aus dem Auge. Sein bohrender Blick war mir unangenehm und ich sah mich stattdessen im Zimmer um.

Überall standen Fotos. Eines von zwei Kindern, einem Jungen und einem Mädchen. Der Junge war wohl ungefähr zwölf und das Mädchen sieben. Ein anderes Foto zeigte die beiden gleichen Kinder fünf Jahre jünger. Der Junge lächelte in die Kamera mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm, daneben stand von beiden Kindern ein Foto von ihrem Collegeabschluss. Auf einer Vitrine stand eine Reihe von Fotos von einem Soldaten und einer Soldatin der US-Army. Zuerst nahm ich an, dass Dianas und Franks Kinder Soldaten wären, dann viel mir auf, dass sie es selber waren. Diana war bei den meisten Fotos um die dreißig, Frank etwas älter.

"Sie waren bei der Army?", fragte ich, um das Schweigen zu brechen.

Frank nickte kurz, dann schaute er mich nachdenklich an, als überlege er, ob er etwas erzählen sollte oder nicht. Nach einem Augenblick entschied er sich zu sprechen. "Wir haben uns bei unserer Arbeit dort kennengelernt. Diana war meine Vorgesetzte. Und sicher nicht eine von denen, die einem einen Fehler auch mal durchgehen ließen." Er lächelte kurz und schien in Erinnerungen zu schwelgen. "Wenn sie irgendetwas an deiner Arbeit auszusetzen hatte, musstest du es sofort neu machen oder du bekamst eine der nicht so schönen Aufgaben." Seine Mundwinkel verzogen sich noch weiter nach oben. Trotzdem war es auch ein sehnsüchtiges Lächeln.

Die Tür öffnete sich und Diana trat mit zwei ängstlich-trotzigen Gesichtern von Joanna und Steven ein. "Sie hören dir zu, aber nur unter der Bedingung, dass du keine komischen Sachen machst", äffte sie die beiden nach.

"Okay, aber es wäre sehr viel einfacher, wenn ich euch zeigen könnte, was passiert ist", sagte ich vorsichtig.

"Und das bedeutet für uns?", fragte Steven skeptisch.

"Nichts", erwiderte ich wahrheitsgemäß. "Ihr würdet dann nur sehen, was ich gesehen habe."

"Machen wir's!" Alle sahen Diana schockiert an. "Was denn? Erstens, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass sie uns töten will. Das hätte sie schon längst machen können, auch ohne sich so viel Arbeit zu machen. Und zweitens, noch viel öder kann unser Leben doch kaum noch werden."

Ohne etwas zu sagen setzten sich die beiden Neuen widerwillig auf das gegenüberliegende Sofa. Diana und Frank nahmen in den Sesseln links von mir Platz.

"Okay Ruby, was müssen wir machen?" Dianas Stimme hörte sich fast wie die eines Mädchens an, das gerade ihre Weihnachtsgeschenke bekommen hatte.

"Eigentlich müsst ihr nur ruhig sitzen bleiben. Ich werde euch dann einfach alles zeigen. Ihr werdet sehen, was ich gesehen habe und sozusagen daneben stehen", erklärte ich.

The Darkest Minds - Battle of MindsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt