04 - Zweifel und Städte bei Nacht

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Ich sehe auf die Uhr. Es ist kurz nach Mitternacht. Eigentlich sollte ich schon seit Stunden schlafen. Morgen ist der große Tag. Morgen ist die große Award Show.

Seufzend rolle ich mich auf den Rücken und starre an die Decke. Immer wieder wandern Lichtstreifen über die Wand und das leise Geräusch vorbeifahrender Autos ist zu hören


Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich nominiert bin für den Preis als Newcomerin des Jahres. Wenn ich an all die Leute denke, mit denen ich zusammengearbeitet habe bis jetzt, hat ein jeder einzelne von ihnen ein besonderes Talent. Schon alleine, wenn ich an Tom denke, ist zwischen ihm und mir ein riesengroßer Unterschied. Er ist eine Sportskanone wie ich es nie sein werde. Er hat die volle Kontrolle über seinen Körper und kann gymnastische Kunststücke, die ich nie schaffen werde. Abgesehen kann er unglaublich gut tanzen und bringt die Leute um sich mit seiner Art immer wieder zum Lachen.

Ich hingegen - was kann ich? Ich habe vor Jahren gelernt Gitarre zu spielen, das habe ich auch lange Zeit sehr gerne und auch gut gemacht. Mittlerweile sind meine Fähigkeiten, Instrumente zu spielen, komplett eingerostet und ich müsste wieder von ganz vorne anfangen zu lernen. Ich dachte, ich könnte gut zeichnen, habe diverse Kunstkurse besucht, und doch kenne ich genug Leute, die um einiges besser zeichnen können als ich. Ich kann nicht besonders gut singen und auch mein Tanzstil dient eher meiner Unterhaltung als dass ich es als Talent ansehen könnte. Ich koche zwar gerne, aber als Talent kann man das auch nicht ansehen, dafür schmeckt nicht alles gut genug.

Klar, ich habe in einem Film mitgespielt, wovon viele nur träumen können, aber meiner Meinung nach habe ich auch hier kein besonders herausragendes Talent. Ich habe bloß meine Zeilen auswendig gelernt und mich bemüht, möglichst authentisch mit meiner Rolle zu verschmelzen. Und doch glaube ich nicht, dass das reicht, um für einen Award nominiert zu werden. Natürlich habe ich zumindest bis jetzt keinen Preis gewonnen, aber schon allein der Gedanke daran, dass es morgen soweit sein könnte, erscheint mir immer noch unwirklich.


Langsam setze ich mich in meinem Bett auf und lange nach meinem Handy. In dem schwachen Licht des Displays erkenne ich meine Katzen friedlich schlummernd neben mir liegen. Wie gerne würde ich auch schon gern schlafen und all diese Gedanken beiseite schieben.

Als würden sie wissen, dass ich vor lauter Nervosität nicht schlafen kann, hat mir meine Familie eine lange Nachricht geschrieben. Nach jeder Zeile, die ich lese, beginnen meine Augen mehr an zu brennen, bis ich letztendlich sogar eine Träne verliere. Sie sind stolz auf mich, dass ich es so weit geschafft habe und wünschen mir unendlich viel Glück für die Show morgen. Mit einer schnellen Bewegung wische ich die Träne weg. Meine Schwestern, meine Eltern und ihre Partner haben es leider nicht geschafft, einen Flug für morgen zu bekommen. Wie gern hätte ich sie alle bei mir gehabt, um dieses Erlebnis mit ihnen zu teilen.

Aber auch meine Freunde haben mir schon den ganzen Tag über Glückwünsche geschrieben und Mut zugesprochen. Die einzige Person, die mir wirklich nahe steht und morgen mit mir gemeinsam bei der Show sein wird, ist Tom. Ich bin so erleichtert, dass wenigstens er mich begleiten und an meiner Seite stehen wird.

Selbst meine Fans senden mir immer noch einen Tweet nach dem anderen, schicken Nachrichten und markieren mich in ihren Posts. Ich bemühe mich, aber so leid es mir auch tut, ich kann nicht alles davon lesen. Zumindest hilft es mir etwas, ein paar gute Zusprüche zu lesen und zu sehen, wie sehr sie sich für mich freuen.

Ich dachte nie, dass ich so viele Fans haben würde. Fremde Menschen, die meine Arbeit akzeptieren und respektieren und mich unterstützen und anfeuern. Menschen, die mich nicht persönlich kennen, mich aber trotzdem bewundern. Bis jetzt hatte ich dieses Gefühl nur bei meinen jüngeren Schwestern, für sie wollte ich ein gutes Vorbild sein und ihnen zeigen, was man im Leben erreichen kann.

Und doch gibt es jetzt unzählige andere Personen, die anscheinend genau dasselbe in mir sehen. Es macht mir ein bisschen Angst, gleichzeitig ist es aber auch ein schönes Gefühl, Anerkennung zu bekommen und anderen indirekt durch seine Arbeit helfen zu können.


Lächelnd sehe ich auf und rutsche vom Bett, um zu der Fensterfront gegenüber davon zu gehen. Flerken miaut irritiert auf, schläft aber gleich wieder weiter. Leise öffne ich die Balkontür und trete hinaus ins Freie. Es ist angenehm warm und windstill, ein wolkenloser Himmel liegt über mir, leider sind die Lichter Los Angeles' bei Nacht zu hell und es ist kein einziger Stern zu sehen. Ich liebe Städte bei Nacht, aber ich liebe es auch, die Sterne zu beobachten und mich im Nachthimmel zu verlieren. So schön mein Leben jetzt vielleicht auch sein mag, ich vermisse die Sterne. Immer, wenn ich weit von Zuhause entfernt war und mich einsam gefühlt habe, habe ich einfach den großen Wagen am Himmel gesucht und sofort habe ich mich wieder geborgen gefühlt.

Jetzt schlinge ich einfach die Arme um mich selbst und lasse meinen Blick über die Lichter der Stadt schweifen. Eine leichte Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus. Ich habe Glück mit meiner Aussicht, nur ein paar Palmen wachsen vor dem Wohnhaus. Sogar das beleuchtete Hollywood-Zeichen kann ich in der Ferne erkennen.

Ich atme tief ein und setze mich auf die Sonnenliege, die auf der Terrasse steht. Benutzt habe ich sie noch nie wirklich, dafür fehlt mir im Moment die Zeit und vor allem auch die sonnenresistente Haut. Jetzt kann ich mich hier hinlegen, in der Nacht bekomme ich keinen Sonnenbrand.


Die Stadt der Engel liegt vor mir, ein sternenloser Himmel schwebt über mir. Ich schließe die Augen und lausche dem Rauschen der Fahrzeuge auf der Straße. Ich bin nervös, ich bin unsicher und verwirrt und wieder machen sich viele Fragen und Zweifel in meinem Kopf breit. Was wird morgen passieren? Wieso sehen mich die Menschen so wie sie es tun? Wieso kann ich das nicht? Was ist so besonders an mir? Ich bin doch einfach nur eine junge Frau, ein ganz normaler Mensch. Nichts an mir ist besonders.

Und doch bin ich hier im Jetzt. Ich weiß nicht, wie ich in diese Situation gekommen bin.

Purple Dream [Spiderman x BTS]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt