Elian
Schweigend liefen Kain und ich durch die Korridore. Immer wenn uns ein Bediensteter oder ein Krieger passierte, blieben sie stehen und neigten ihren Kopf, bis wir uns — oder mehr ich — ein Stück von ihnen entfernt hatten.
Die typische Begrüßung, die der königlichen Familie zu Teil wurde. Ich hatte es schon immer verabscheut, dass sie mich über sich stellten. Ich war wie sie. Nur, weil ich ein Nelan war, hieß das noch nicht, dass ich so hochgetrieben behandelt werden wollte.
Egal wie oft ich es angesprochen hatte, sie hatten sich nie anders verhalten.
»Dein Gefährte«, begann Kain und brach endlich die Stille, »ist ziemlich reif für sein... Alter.«
Schmunzelnd sah ich zu meinem besten Freund auf, der mich um einen halben Kopf überragte.
»In der Menschen Welt ist man schon mit achtzehn volljährig. Für uns sind achtzehn Jahre noch Baby Phase. Sieh dir doch mal Esco an. Sie ist schon über 6.000 Jahre alt und sieht gerade mal wie eine Zehnjährige aus.« Er lachte auf meine Worte hin.
»Diese Welt der Menschen ist nichts für mich. Da hat man nur knapp neunzig Jahre zu leben und dann wars das«, schnaufte er amüsiert. »Sterblichkeit.« Kopfschüttelnd sah er zu mir. »Ich kann nicht verstehen, was du so toll daran findest.«
Lächelnd wandte ich meinen Blick nach vorne. Eigentlich wollte ich darüber nicht sprechen, vermeiden konnte ich es jedoch auch nicht. Lieber gab ich ihm jetzt die Antwort darauf.
»Wer behauptet denn, dass ich es toll finde?« Er runzelte seine Stirn. »Ich würde auch viel lieber noch Tausende Jahre mit Silvan verbringen, aber er ist nun mal ein Teil der menschlichen Welt und nicht der unserer. Er ist sterblich und ich habe die Ehre mit ihm altern zu können. Verdorbene Seele oder nicht.«
»Ehre«, schnaubte Kain bitter. Sein Gesicht verfinsterte sich wieder und ich konnte deutlich Missgunst von ihm spüren.
»Ja, es ist eine Ehre für mich, Kain«, sagte ich ernst. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich sein würde, wenn ich ohne ihn wäre. Nur weil ich dachte, dass er mich niemals akzeptieren könnte, habe ich mich ein zweites Mal dem Dämon hingegeben. Ich will mir gar nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn ich ihn sterben sähe...«
Wahrscheinlich hätte ich versucht ihm zu folgen. Hätte mir mein eigenes Herz rausgerissen.
Stumm sah er mich an, bevor er seinen Blick von mir nahm. Ernsthaftigkeit war schon immer Kains zweiter Vorname gewesen, doch nie wirklich in meiner Gegenwart. An meiner Seite ließ er sein wahres Ich zum Vorschein treten und machte Späße bis die Sonne nicht mehr schien. Ich fragte mich, ob er dieses sonnige Gemüt noch besaß oder es mit meinem Tod gestorben war. Denn momentan sah ich nur das sture, ernste Gesicht meiner Leibwache.
»Das trifft auf dich zu, aber wir wollen dich auch nicht verlieren. So wie du ihn nicht sterben sehen willst, wollen wir dich nicht erneut sterben sehen.«
Seufzend nickte ich. »Ich weiß...«
Vielleicht sollte ich mir wirklich Silvans Worte zu Herzen nehmen. Nein, nicht nur vielleicht — ich musste. Er hatte nämlich recht. Ich sollte nun nicht an ihn und mich denken — nicht an uns als Gefährten.
Ich musste an mein Volk denken — an das, was richtig war. Und das war der Thron und das Wohlergehen meines Volkes. Ich musste überlegen, was ich wollte, um beides in meinem Leben zu haben. Aber ich musste auch Prioritäten setzen. Doch meine Priorität war Silvan und ich war gezwungen an Größeres zu denken. An etwas, das Opfer fordern würde. Opfer, die ich nicht bereit war zu geben.

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Forest Spirit
Fantasy*wird heavily überarbeitet und bald ins Englische übersetzt!* Cover Credits gehen an @Beyond_Borderland ! Danke für dieses fantastische Cover! ☪ Elian, der verfluchte Waldgeist, der zu einem Walddämonen wurde und seinen Gefährten in der Geschichte v...