Kapitel 4

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Pov: Sadie
Ich wollte noch länger mit Mary sprechen - ihr alles erzählen und sie hätte mir gesagt, dass alles gut wird. Aber das war es nicht.
Schnell stellte ich das Funkgerät ab. Das Rauschen und Piepen verstummte. Würde WCKD mich jetzt erwischen, wäre alles umsonst gewesen. Minho wäre WCKD hilflos ausgesetzt und mein Schiksal besiegelt.
Das Funkgerät lag schwer in meiner Hand und erweckte die schlimmen Erinnerungen an die letzten Wochen.
Schließlich nahm ich noch die Batterien heraus und versteckte das Funkgerät in einem Küchenschrank, hinter dem Geschirr.
Ratlos sah ich mich in meinem neuen Zuhause um. Die Wohnung war klein und eng. Gerade groß genug, um alleine darin zu leben. Vermutlich musste es so sein, wenn die restlichen Überlebenden der Menschheit in einer einzigen Stadt lebten zusammenlebten.
Immerhin gab es alles, was man zum Leben benötigte. Außerdem war es deutlich angenehmer, als in der Brandwüste oder im Labyrinth.
Es gab eine kleine Küchenzeile mit einem leeren Kühlschrank und Herd. Daneben einen kleinen Esstisch mit zwei Stühlen. Vor einem, in der Wand eingebauten, Fernseher stand ein schwarzes Sofa. Weiter hinten im Raum befand sich ein Bett. Daneben war ein kleines Badezimmer mit Dusche, Toilette und Waschbecken.
Die Einrichtung war steril und minimalistisch, aber modern. Eine grelle Zimmerlampe erleuchtete den kalten Raum.
Die Außenwand der Wohnung war verglast und ich konnte hinaus in die Stadt sehen.
Die Sonne war bereits untergegangen, aber die Lichter der Stadt erleuchteten den Abendhimmel. Ich betrachte den Horizont und dachte an meine Freunde da draußen. Mary, Newt, Thomas, Pfanne, Brenda und Jorge. Sie würden weiterhin ums überleben kämpfen müssen. Leere machte sich in mir breit. Sie waren meine Familie, mein Zuhause, alles was ich hatte.
Und Minho, jeder Gedanke an ihn tat weh. Ich vermisste ihn und zu wissen, dass er WCKD hilflos ausgesetzt war, machte alles noch schlimmer. Es machte mich aggressiv. Der Hass auf WCKD war unerträglich.
Mein Blick schwiff durch die Stadt.
Die Straßen unter mir waren leer, es liefen kaum noch Menschen durch die Gegend und zwischendurch fuhren nur ein paar Autos vorbei.
Das war meine Chance die Gegend unauffällig zu erkunden und mehr heraus zu finden.
Ich schnappte mir die Schlüsselkarte und verließ die Wohnung.
Die Tür schloss sich automatisch ab.
Ich drehte mich gerade um, da stand plötzlich jemand vor mir und ich lief fast in ihn hinein.
"Hey...", seine Stimme klang freundlich und belustigt.
Ich blickte auf und sah einen jungen Mann, vermutlich nur ein wenig älter als ich. Er hatte braune, wuschelige Haare und dünne, rosa Lippen.
Sein Gesicht hatte kantige Züge, wirkte aber durch die Sommersprossen auf seiner Nase wieder weich.
Er lächelte mir entgegen.
"Entschuldigung...", murmelte ich in mich hinein und versuchte mich an ihm vorbei zu drängen.
"Wo wollen Sie denn jetzt noch hin? Die Ausgangssperre beginnt gleich." Es kam mir merkwürdig vor, gesiezt zu werden.
"Ausgangssperre?", fragte ich verwirrt.
"Jap. So behält die Regierung uns im Auge. Sie sind nicht von hier, oder?"
Ich schüttelte den Kopf und deutete auf meine Wohnungstür. "Bin gerade eingezogen."
"Dann sind wir wohl ab jetzt Nachbarn.", sagte er und zeigte auf die Tür gegenüber.
Ich nickte mit falscher Freundlichkeit. Die Ausgangssperre hatte gerade meine Pläne durchkreuzt.
Ich sah ihn mir genauer an. Der Junge mir gegenüber trug eine WCKD Uniform. Shit!
Er lachte mich an. "Ach... die Uniform? Keine Sorge, ich bin gerade nicht im Dienst. War mein erster Tag bei WCKD. Sogar ein ziemlich erfolgreicher."
"Sehr toll.", meinte ich mit gespielten Interesse.
"Und dann habe ich jetzt auch noch eine so hübsche Nachbarin."
Langsam ging mir der Typ auf die Nerven.
"Mein Name ist Dylan... Dylan Wright." Er verbeugte sich übertrieben. Es erinnerte mich ein wenig an Minho.
"Und ihr wundervoller Name, malady?"
"Sadie, einfach Sadie.", ich erinnerte mich nicht an meinen Nachnamen. Wie gruselig, was WCKD mir alles genommen hatte.
"So... nur Sadie. Würde es ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie einmal zu mir einlade?"
Ich musste grinsen. Dylans' direkte und freundliche Art war schon lustig.
Wieso eigentlich nicht? Die Leute aus der Stadt und vorallem von WCKD, kennenzulernen konnte nicht Schaden.
Ich lächelte, diesmal richtig. "Sehr gerne, Herr Wright.", sagte ich und machte einen übertriebenen Knicks vor ihm.
Ich wollte mich bereits umdrehen und meine Wohnung betreten, da hielt er mich zurück.
"Moment... haben Sie heute Abend noch etwas vor? Dann können Sie direkt hereinkommen. Es ist immer schön, seine Nachbarn kennenzulernen."
Einem Fremden, in fremder Umgebung, direkt in seine Wohnung zu folgen war vermutlich nicht das klügste.
Allerdings hatte ich auch ein Labyrinth mit Griewern und die Brandwüste voller Cranks überlebt.
Dazu kam, dass ich mehr über diese Stadt lernen musste.
"Nun gut. Wieso nicht?", lächelte ich zögernd.
Dylan zückte seine Schlüsselkarte und öffnete seine Wohnungstür. "Nach Ihnen.", meinte er und ließ mich zu erst eintreten.
Seine Wohnung sah genauso aus wie meine. Die gleichen Möbel, die gleiche Küchenzeile, der gleiche kühle Raum.
Allerdings lag überall Kleidung und Geschirr herum und an der Wand hingen Bilder. Darauf waren er und vermutlich seine Familie zu erkennen. Ein kleiner Junge darauf kam mir ziemlich bekannt vor.
Er trat hinter mich und sah sich ebenfalls die Bilder an. "Meine Familie. Meine Mom, mein Dad. Sie sind beide am Brandvirus gestorben." Seine Stimme wirkte bedrückt und niedergeschlagen. "Meinen kleinen Bruder Ross und mich haben sie frühzeitig daraus geholt. Aber Ross ist weggelaufen und seitdem habe ich ihn nie wieder gesehen."
Dylan streichte sanft über das Bild. Ihn verfolgten vermutlich auch schreckliche Erinnerungen.
Dann sah wieder zu mir. "Und Sie, Sadie? Was ist mit Ihrer Familie?"
Ich musste schlucken. An meine Familie hatte ich keinerlei Erinnerungen. Vielleicht war das auch in mancher Hinsicht besser so. Meine neue Familie waren meine Freunde. Und Minho.
"Sag einfach Du." Ich seufzte schwer und sprach dann weiter. "Meine Familie... wir wurden sehr früh getrennt. Ich kann mich nicht erinnern." Ich musste mir eine Geschichte ausdenken, um meine Lüge aufrechtzuerhalten. Außerdem war das ja gar nicht so gelogen.
"Das tut mir sehr leid, Sadie."
Ich schüttelte nur den Kopf und wechselte das Thema. "Und wo arbeitest du genau?", fragte ich und deutete auf seine Uniform.
"An der Außenmauer, beim Sicherheitsdienst. Ziemlich anstrengend. Viele von außerhalb versuchen in die Stadt zu kommen. Aber hier kommt niemand herein. Das schützt uns vor den Cranks außerhalb. Und was machst du so?", fragte er neugierig und holte zwei Gläser aus seinem Schrank.
Ich setzte mich unsicher auf sein Sofa.
"Medizinische Abteilung in der WCKD Hauptzentrale. Noch bin ich in der Einführung und assistiere nur, aber bald kann ich hoffentlich auch am Heilmittel forschen."
Dylan setzte sich mit den Gläsern und einer Flasche Wein zu mir auf das Sofa. "Eine wahre Heldin also...", er grinste. "Ich finde es gut, dass WCKD so hart an dem Heilmittel arbeitet. Dieses Virus ist wirklich schrecklich."
Es kam mir verrückt vor, hier mit einem Fremden zu sitzen und Wein zu trinken. Das Leben könnte so normal sein. Vermutlich wusste Dylan nicht einmal was WCKD mit den Immunen Probanden machte.
Dann musste ich wieder an Minho denken. Es kam mir plötzlich so falsch vor mit Dylan in seiner Wohnung zu sitzen. Als würde ich Minho betrügen.
Allerdings bräuchte ich ein wenig Unterstützung und Erklärung um in dieser neuen Umgebung klar zu kommen. Außerdem könnte ich mehr über WCKD erfahren.
Vielleicht war es wirklich nicht schlecht gewesen Dylan kennenzulernen...

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Das war Kapitel 4.
Hoffentlich gefällt es euch
Darline :)

1169 Wörter

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