☁️ Kapitel 5 ☁️

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Jimin.

   
"Ach Jimin. Du solltest nicht mehr darüber nachdenken."
Auf die Aussage meines besten Freundes hin, konnte ich nur ein schweres Seufzen loslassen.
Ich wusste ja, dass er Recht hatte. Ich sollte nicht weiter über diesen Jungen nachdenken, dessen trauriger Anblick sich in meinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Und doch konnte ich ihn aus irgendeinem Grund nicht vergessen.

"Jiminie...", erklang Taehyungs Stimme ein weiteres Mal. "Du denkst schon wieder an ihn. Ich muss dir nicht erklären, dass das nicht gut ist. Du musst ihn vergessen."

"Das sagst du so leicht, Taetae", schnaufte ich frustriert. Ich konnte ihn nicht einfach so vergessen, dabei kannte ich nicht mal seinen Namen. Ich wusste gar nichts von ihm, nur dass er, aus welchem Grund auch immer,  zutiefst erschüttert war. Aber dennoch war da etwas, was ich mir nicht erklären konnte. Etwas, was mich ihn einfach nicht vergessen ließ.

"Das wird großen Ärger geben, wenn er davon etwas mitbekommt. Du weißt doch, dass er da sehr pingelig ist. Das kann nicht gut ausgehen, Jiminie. Auch wenn ich es dir gönnen würde. Du solltest dich auf deine Aufgaben konzentrieten. Unsere Prüfung steht bald an und das sollte an erster Stelle stehen."

Wie immer hatte Taehyung Recht. Er war ein guter Freund, manchmal nur etwas zu sensibel und mit einem eindeutig viel zu großen Herz, doch er schaffte es immer, mich wieder daran zu erinnern, was das Wesentliche war. Ohne ihn hätte ich schon einige Male gewiss eine Verwarnung kassiert. Wobei, wenn ich genauer darüber nachdachte, taten wir beide uns da nicht viel. Auch ich hatte ihn schon einige Male den Allerwertesten gerettet, ein Zeichen, dass unsere Freundschaft nicht nur aufrichtig war, sondern auch essenziell wichtig für unser Leben.

"Du hast ja Recht. Lass uns schauen, ob wir schon neue Aufgaben zugeteilt bekommen haben."
Kaum hatte ich das ausgesprochen, packte Taehyung mich an der Hand und zog mich mit einem strahlenden Lächeln in Richtung Eingangshalle. Wir waren nicht die einzigen, die sich nach ihren neuen Aufgaben erkundigten. Da bald die Prüfungszeit los ging, wunderte es mich nicht, dass die anderen Prüflinge heute noch zahlreicher erschienen waren.

Wir waren alle immer sehr gewissenhaft, doch zu Prüfungszeiten übertrafen sich sogar die besten der besten.

Ich versuchte grade, unsere Namen ausfindig zu machen, als ich von der Seite angesprochen wurde. Der ältere Mann lächelte mich freundlich an, doch ich wusste, dass es nie etwas gutes bedeutete, wenn man zu einem persönlichen Gespräch eingeladen wurde. Meistens bedeutete es, dass man einen Fehler gemacht hatte. Ich teilte meinem lieben Freund noch mit, dass wir uns später wieder treffen würden, wenn ich fertig war, ehe ich dem älteren Mann stillschweigend und mit gesenktem Haupt folgte.

"Jimin. Du bist bislang niemals negativ aufgefallen, doch der heutige Tag wirft einige Fragen auf und ich erwarte von dir, dass du mir das erklärst. Du weißt doch, was deine Aufgaben sind, oder nicht? Das hier ist kein Spiel! Du trägst eine Menge Verantwortung und ich hoffe inständig, dass du das nicht vergessen hast."

Ich schwieg, während der Mann vor mir, mit freundlicher, aber zugleich ermahnender Tonlage zu mir sprach. 

"Ich habe es nicht vergessen und ich entschuldige mich dafür, dass ich meine Aufgabe aus den Augen verloren habe. Doch zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass dieser junge Mann Hilfe brauchte. Ich weiß, dass wir nur das erfüllen sollen, was uns aufgetragen wurde, doch ich hätte nicht damit leben können, ihn im Stich zu lassen. Und ich war der einzige, der da war, also liegt der Fehler vielleicht nicht ausschließlich bei mir, sondern bei dem, der seinen Auftrag nicht ordnungsgemäß ausgeführt hat."

Es fiel mir schwer, so zu kontern, doch es war meine einzige Chance, heile aus der Sache wieder heraus zu kommen. Außerdem entsprach das ja auch genau dem, was ich dachte.

"Das ist mir durchaus bewusst, Jimin. Und deswegen habe ich bereits mit Moonbyul gesprochen. Es war allerdings nicht ihr Verschulden", klärte mich der ältere Mann vor mir auf. Moonbyul war ebenfalls in Ausbildung und kurz vor der Prüfung, und bislang hatte ich nie von ihr gehört, dass sie einen Auftrag nicht gut ausgeführt hatte. Aber da war sie vielleicht nicht anders als ich. Auch bei mir war es das erste unadäquate Verhalten, was Namjoon bemängeln konnte.

"Also hätte ich ihn einfach im Stich lassen sollen? Das kann ich nicht. Ich habe etwas anderes gelernt und...", ergänzte ich meine vorherigen Worte, doch Namjoon brachte mich sogleich wieder zum Schweigen.

"Jimin! Es reicht, du wagst dich etwas zu viel. Ich kann deine Beweggründe verstehen und dennoch ist es nicht deine Aufgabe gewesen! Halte dich an das, was dir aufgetragen wurde, denn sonst richtest du hier ein heilloses Durcheinander an." Namjoons Stimme hatte selten etwas so scharfes an sich, wie just in diesem Moment. Ich wusste ja, dass er als Teil des Ältetenrates dazu verpflichtet war, die Ordnung aufrecht zu erhalten, aber manchmal verstand ich den Sinn dahinter nicht.

Klar, wir mussten dafür sorgen, dass sich jeder an den Plan hielt, aber was für Auswirkungen hatte es denn, wenn ich etwas zusätzlich machte, weil jemand anderes grade verhindert war? Ich verstand nicht, weshalb es so schlimm war.

Nach dem Gespräch zog ich mich wieder zurück. Ich hatte Taehyung zwar gesagt, dass ich später nochmal zu ihm kommen würde, doch grade wollte ich einfach allein sein und nachdenken. Über diesen jungen Mann und auch darüber, wieso es mir so schwer fiel, mich an diese Regeln zu halten. Sie machten in meinen Augen einfach keinen Sinn und trotzdem war ich dazu verpflichtet, mich daran zu halten.

Manchmal überkam mich dieses Gefühl, dass ich einfach ausbrechen wollte aus diesem System. Ich wollte Gutes tun, ja. Aber wenn es sogar verwerflich war, die Eigeninitiative zu ergreifen und nach seinem eigenen Ermessen zu handeln, dann hatte ich damit definitiv ein Problem. Vor allem wenn es sich dabei nur um so eine Lapalie handelte, wie jemanden vor einem unsanften Sturz zu bewahren.

Hoffentlich schaffte ich es, diese ganze Situation einfach hinter mir zu lassen. Ich musste mich auf meine Prüfung konzentrieren und durfte nicht nochmal einen Fehler machen, wenn es denn wirklich als Fehler zu bezeichnen war, wenn man jemandem half.

Fest entschossen, diese ganze Situation schnell zu verdrängen, machte ich mich schließlich doch auf den Weg zu Taehyung.

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