22 || Vertrauen ist Mut, und Treue ist Kraft

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Das Frühstück mit Yoongi war sehr schön. Wir saßen beide mit unseren Schlafanzügen am Esstisch und schaufelten uns sein Müsli rein. Ich frühstückte normal nicht so spät, aber gut. Mit Yoongi wollte ich sogar noch frühstücken, wenn es eigentlich schon Zeit für das Mittagessen war. "Willst du heute etwas machen, Jimin?" Ich schüttelte den Kopf. Samstag war mein entspannter Tag. "Ne." Am Samstag wollte ich nichts machen.

Yoongi nahm mir meine Schüssel weg, lächelte dann lieb. "Mein bester Freund kommt heute her. Wir müssen ein Projekt zusammen machen." Ich nickte schnell, hoffte einfach, dass ich nicht zu übertrieben nickte. Yoongi kicherte leise, stellte sich an die Spüle. Was? Wollte er abwaschen? Ich stand vorsichtig auf, sah auf seinen Rücken. Er hatte so einen schönen Rücken. Und er spülte doch tatsächlich ab. "Ich helfe dir." Wow. Kam das echt einfach so aus meinem Mund? Zeit mit Yoongi zu verbringen tat mir wirklich gut. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich mich schon heute mehr traute zu sagen.

Ich zog für den Abwasch meinen Verlobungsring auch nicht ab. Schließlich musste ich nur abtrocknen. Und wieder einmal stellte ich fest, was für ein tolles Geschenk das zu Weihnachten war. Als er nicht gepasst hatte, da war mir noch gar nicht bewusst, wie sehr ich das brauchte. Yoongi seufzte leise auf. "Ich wünschte, ich könnten meinen Ring auch tragen, aber das lohnt sich bei mir einfach nicht." Ich sah nur stumm auf meine Arbeit, konzentrierte mich, nicht den Teller fallen zu lassen. Erst jetzt bemerkte ich, wie nah ich und Yoongi uns standen und wie sehr die Schmetterlinge in meinem Bauch deswegen kribbelten. Ich spürte mein Herz wieder so stark pochen, aber heute war das echt erträglich. Vielleicht, weil ich heute bei ihm geschlafen hatte und ich deswegen so glücklich war.

"Weißt du, weil ich in der Uni immer so viele Modelle baue und ich will ihn nicht verlieren oder irgendwie zerkratzen." Es freute mich, dass ihm der Ring so wichtig war. Yoongi lachte leise auf. "Ich freue mich auch, dass du den Ring so häufig anhast. Und glaub mir, wenn ich sage, dass ich das auch wollen würde, aber-" Ich stellte den Teller zu laut auf die Theke ab, unterbrach damit Yoongi und das tat mir wahnsinnig leid. Und peinlich war das auch, aber rot werden war okay. Sicher war es das, aber eben nur wenn man alleine war. Noch schlimmer, dass ich mir heute kein Puder in mein Gesicht geklatscht hatte, das es sonst besser gemacht hätte.

Mir fingen meine Hände an zu schwitzen, mein Herz pochte zu laut und ich konnte kaum mehr neben Yoongi atmen. "Schon gut. Du musst ihn ja nicht unbedingt tragen." Ja, das musste er nur wegen mir wirklich nicht machen. "Stimmt ja. Verlobt sind wir ja auch schon so." Er sah mich an und das bemerkte ich. Ich konnte nur leicht nicken, zu mehr war ich in meiner Panik nicht in der Lage. Hilfe. Ich kann das nicht. Es war eine dumme Idee mit ihm abwaschen zu wollen. Ich sah keine Fluchtmöglichkeit mehr.

"Jimin, darf ich dich etwas fragen?" Nein! Frage mich lieber gar nichts. Er machte mich so super nervös und in meinem Kopf schrie ich mich gerade voll selbst an, jetzt sofort mir mein Gesicht zu bepudern. Ich konnte es wirklich nicht ertragen und dann wollte er mir noch eine Frage stellen? "Also... wir wollen ja heiraten." Wir! Das wir klang gut. Das hieß nämlich, dass das Yoongi auch wollte! Er wollte verdammt noch mal sein ganzes Leben mit mir verbringen und ich war so unfassbar dankbar dafür! Ich werde nicht alleine und einsam sterben. Noch viel besser: Ich werde mein ganzes Leben mit Yoongi verbringen dürfen und das wollte ich doch so sehr.

"Liebst du mich?" Ich ließ in diesen paar Sekunden den nächsten Teller fallen. Scheiße, was? Er... fragte doch nicht ernsthaft, oder? Und verdammt, ich hätte mir im Internet durchlesen sollen, wie man richtig seine Liebe gesteht. So ein bisschen besser hätte ich mich dann doch schon gefühlt. Ich fühlte mich durch seine Frage, wie in ein kaltes Wasser geschmissen. Und ich werde da einfach eiskalt ertrinken. Danke, dafür. Ich musste ihm aber schon noch heute antworten. Und am beste wäre es, wenn ich ihm in ein paar Sekunden schon antworten würde.

Aber Jimin! Das ist die perfekte Gelegenheit ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Das wünschte ich mir schon lange. Endlich kann ich ihm ehrlich sagen, was ich für ihn fühlte und das ganze kam von Yoongi. Es kam von ihm und ich muss ihm nur antworten. Also auf drei.

Ich atmete tief durch, versuchte irgendwie aus meinem Blackout zu kommen. In meinem Kopf diese unendliche Stille und ich hatte verlernt, wie man spricht. Ich hatte ein paar Worte da rumfliegen, aber sie dann zu ergreifen und auszusprechen war so schwierig. Ich liebe dich. Da! "Ja." Und ich hatte meinen Mund offen!!

Und wenn ich nicht alles kaputt machen wollte, dann müsste man mir jetzt den Mund wieder zuhalten. Wenn ich in einem Blackout anfing zu reden, dann rieselten die Wörter ungefiltert durch meinen Kopf aus meinem Mund. Ich wünschte mir wirklich, dass Yoongi mich jetzt geküsst hätte, um mich zum Schweigen zu bringen.

"Das muss ich doch." Nein, falsch! Ganz falsch!! Ich will. Das hätte ich sagen sollen. Das war kein muss, sondern ein will. Und kurz hatte ich die Hoffnung, dass Yoongi mich irgendwie verstanden hätte, aber nein. "Ach, du musst?" Nein!! Ich will! Wieso hörte mich niemand? Wieso verstand mich denn Yoongi nicht wenigstens?

"Also im Gegensatz zu dir, Jimin, da habe ich dich auch einfach so lieb. Nicht, weil wir verlobt sind, sondern wegen dir selbst. Und es tut mir auch wirklich leid, wenn du dich dazu verpflichtet fühlst, aber wenn das so ist, wieso löst du unsere Verlobung nicht einfach auf und findest jemanden, den du auch lieben willst ?"

"Aber das will ich doch! Und selbst wenn, dann kann ich doch niemanden sonst lieben. Weil sich in meinem verdammten Kopf alles nur um dich dreht! Es gibt keinen Platz mehr in meinem Herzen, weil du verdammt egoistisch bist und dir alles genommen hast! Ich kann nichts für meine Unfähigkeit mich in deiner Gegenwart auszudrücken, wieso schreist du mich an!?"

Aber ich konnte wirklich nichts sagen. Ich fühlte mich jetzt wirklich so, als wenn ich ertrinken würde. Ich hatte Yoongi gesagt, dass ich ihn liebte und es hatte es nicht verstanden. Er hatte mich nicht gehört und das war so unfassbar frustrierend. Sage es nochmal, Jimin... Nein. Nein, jetzt konnte ich es nicht. Jetzt war Yoongi nämlich böse auf mich und wenn Mama auf mich böse war, dann hörte sie mir auch nicht zu. Niemand würde mir jetzt noch zuhören. Yoongi hatte mich lieb... Ja, aber ich hatte Namjoon auch lieb. Yoongi hatte seinen besten Freund lieb. Wieso konnte ich für ihn nichts besseres sein, als das? Wieso sah er mich nicht?

Ich stellte den Teller extra vorsichtig hin, hielt mir tapfer meine Tränen zurück. Das hatte ich nämlich geübt. Sich die Tränen zurückzuhalten, hatte ich mir in der Schule gelernt. Als ich vollkommen von allen gemieden wurde, da wollte ich auch oft einfach weinen, aber ich hatte es gelernt die Tränen zurückzuhalten. Weg mit den Gefühlen, jetzt einfach ruhig bleiben. Du kannst das, Jimin. "Mich deswegen anzuschreien, war gemein, Yoongi." Ich war überrascht, wie ruhig und vor allem kalt meine Stimme klang. Dafür, dass ich innerlich gerade vor Panik, Enttäuschung und Trauer am Ertrinken im eiskaltem Wasser war.

Ich drehte mich um und ging langsam aus der Küche. Erst als ich mir sicher war, dass Yoongi mich nicht zurückrief, kullerten mir die schweren Tränen meine Wangen runter. Ich ging in das Schlafzimmer meines Geliebten, der mein Ich liebe dich nicht gehört hatte und zog mich weinend um. Es war schwer für mich, Yoongi! Wieso verstand es eigentlich niemand? Und genau deswegen vermied ich es prinzipiell zu reden. Genau wegen solchen Situationen war ich eigentlich gerne alleine. Yoongi war eigentlich so der einzige, mit dem ich wirklich zusammen leben wollte und dann verstand er mich nicht.

Ich zog mich um, wischte mir die Tränen weg, puderte mein Gesicht und ging wieder raus. Ich setzte mich leise zurück auf das Sofa, öffnete mein Buch und versuchte zu vergessen, was gerade in der Küche passiert war. Aber konnte man mir das wirklich verübeln? Es war, als würde ich die ganze Zeit eine ganze andere Sprache sprechen, als alle anderen Menschen um mich herum. Was sollte das?

Verlobt, Verliebt, Verheiratet || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt