Das Anwesen! Die Lichter sind aus der Ferne schon zu erkennen und ich treibe die Stute noch einmal an. Mittlerweile ist es schon fast dunkel geworden und die Sicht hat sich verschlechtert. Dennoch ist der Weg einigermaßen sichtbar. Aus dem Wald raus, lasse ich die eh schon schnaubende und hart arbeitende Stute noch einmal schneller werden. Die Hufe trommeln auf dem Boden. Die Mähne peitscht mir in mein Gesicht. Sie streckt ihren Kopf und ich gebe ihr mehr Zügel. Lehne mich nach vorn. Wir erreichen den Weg zum Anwesen und ich lasse das braune Tier langsam aber sicher langsamer werden. Vom Galopp zum Trab und dann in einen Schritt, ehe ich sie anhalte, von ihrem Rücken springe und sie stehen lasse, um halb panisch an der Tür zum Anwesen zu klopfen.
Unruhig tippe ich mit meinem Fuß auf dem Boden auf. Spiele mit meinen Fingern. Wann kommt endlich jemand? Urgh... Ich will das schnell los werden! Als endlich die Tür aufgeht, sieht mich May-Rin fragend an. "K-Kann ich etwas für Euch tun, Miss?", fragt sie schüchtern und ich nicke. "Ehm... ich glaube Seb- Mister Michaelis wäre für die Situation am besten geeignet. Bitte nicht krumm nehmen. Könntet Ihr ihn bitte holen? Es ist... wirklich wichtig!" Die Brillenträgerin mustert mich. Sieht, aber von ihrer Sicht aus, nur eine braunhaarige Frau in Männerklamotten. Die Haare verwuschelt. Das Gesicht wahrscheinlich zerkratzt, so wie es brennt. Die Arme einbandagiert und ein großes Pflaster auf der rechten Wange. Nervös herumstammelnd, dass der Butler gebraucht wird. Nicht gerade vertrauenserweckend, aber... "Ich werde ihn holen. Bitte wartet einen Augenblick. Wie ist Euer Name?"
"Miss Kindred. Was führt Euch zu uns?" Die Stimme des Teufels ertönt und ich seufze erleichtert. "Ein etwas..." Ich suche nach den richtigen Worten. "Ehm... Ein durchaus... gutes Gehör und die Wegbeschreibung eines Stalljungen." Die roten Augen werden schmal. "May-Rin? Kümmere du dich um das Pferd. Miss Kindred? Kommt bitte herein. Ihr seht... aufgebracht aus." Ich folge seiner Einladung und komme rein. "Joa... so kann man es auch sagen." Mein Herz rast und ich zittere vor lauter Aufregung. "Bitte beruhigt Euch. Wollt Ihr einen Tee?" Ich schüttle den Kopf. "A-Also eigentlich wollte ich nur kurz abladen, was ich gehört habe und dann wieder zurück. Irgendwie. Den Weg krieg ich schon wieder zusammen." Der schwarzhaarige führt mich in das Anwesen hinein und bringt mich in ein Zimmer. "Wenn Ihr etwas gehört habt und dann so in Eile wart, hier her zu kommen, muss es etwas wirklich Wichtiges sein. Ich werde den jungen Herren holen." Abwehrend hebe ich die Hände. "Nein! Nein... Alles gut!"
Doch nichts da. Ich solle mich hinsetzen, er setzt den Tee auf und holt den Earl. Na, bravo. Der kann mich doch wahrscheinlich eh nicht ausstehen, weil ich ihm für kurze Zeit seinen Butler ausgespannt habe. Obwohl es ja seine Entscheidung war. Auf dem Sofa sitzend, tippe ich wieder nervös mit dem Fuß auf dem Boden. Spiele erneut mit meinen Fingern herum. Sehe mich immer wieder um. Wirklich wie der Anime. Naja... ich BIN in dem Anime! Verdammt... was braucht er so lange? Klar, es geht nicht um Leben und Tod. Aber ich will das jetzt los sein. Und dann wieder zurück, mich in mein Bett legen und schlafen. Endlich geht die Tür auf und Ciel kommt herein. Sofort stehe ich auf. "Guten Abend, werter Earl Phantomhive.", begrüße ich ihn und neige kurz meinen Kopf. "Guten Abend. Was führt Euch zu mir? Sebastian meinte, es sei wichtig."
Als ich ihm das erkläre, nachdem wir uns hingesetzt haben, nickt er immer wieder. "Sie meinten auch, dass man auf das Weib aufpassen solle und den Koch. Und auf Schlangen. Und auch auf einen kleinen, der wie ein Monster sein solle. Und auf den Butler. Ich hoffe, Ihr könnt damit etwas anfangen. Sie sprachen auch etwas von Waffen." Ciel hebt ein wenig sein Kinn und scheint zu überlegen, ehe er erneut nickt. "Das hilft mir durchaus weiter. Danke, Miss Kindred. Diese Warnung ist nicht unbedeutend." Erleichtert lächle ich. "Solange ich helfen kann, versuche ich es." Sebastian kommt mit einem kleinen Wägelchen und einem Teeservice darauf in den Raum. Stellt uns wortlos die Tassen hin und gießt ein. "Ein Tee mit Melisse, Johanniskraut und Kamille. Er wirkt beruhigend.", stellt er das Getränk vor und ich lasse mir noch zwei Löffel Zucker reinpacken.
Die Tasse nehme ich in die Hände und rühre um, um den Zucker aufzulösen. "Es tut mir wirklich leid, Euch zu dieser Zeit gestört zu haben. Es... Ich dachte, dass ich es gleich weitersagen sollte. Nicht, dass ich es vergesse oder morgen etwas dazwischen kommt. Und vielleicht könntet Ihr Euch darauf vorbereiten!" Der Earl nickt mir zu. "Eine weise Entscheidung. Von solchen Nachrichten fühle ich mich nicht gestört. Ich bin dankbar, dass Ihr mir dies zeitnah erzählt habt." Pause. Wir beide trinken den Tee. "Habt Ihr es der Stadtwache erzählt?" Komplett perplex starre ich in die Tasse. Hätte ich das tun sollen? "Ich... nein, tut mir leid. Wenn ich gleich zurück reite, so werde ich es auch an sie weitergeben.", erwidere ich leicht geknickt. Komplett vergessen! Doch der kleine Junge schüttelt nur den Kopf und ich lege meinen leicht schief.
"Zwei Dinge. Erstens, müsst Ihr dies der Wache nicht erzählen. Darum kümmern wir uns schon. Und zweitens." Er stellt den Tee ab. "Werdet Ihr heute hier nächtigen. Ich lasse keine Lady in der Nacht durch den Wald reiten. Oder generell in der Nacht abreisen. Das steht entgegen meiner Prinzipien." Hold up... was? Auch ich stelle die Tasse ab und schnaube, ehe ich lächle. "Also... das ist durchaus ein großzügiges Angebot! Aber... ich muss wieder zurück. Mein Master macht sich sonst Sorgen und ich muss die Stute noch zurückbringen. Ich werde sonst umgebracht, wie viel das kostet und-" Ciel hebt eine Hand und ich verstumme. Das eine Auge sieht mich direkt an. "Darum werden wir uns kümmern. Sebastian? Überbringe dem Master von Miss Kindred die Nachricht, dass sie hier nächtigt und morgen zurückkehren wird. Und bring das Pferd zurück."
Sebastian verneigt sich. "Sehr wohl, junger Herr. Ich werde May-Rin Bescheid geben, sodass sie das Gästezimmer und ein Bad herrichtet.", gibt er von sich und verschwindet aus dem Raum. Mit aufeinander gepressten Lippen starre ich die Tür an. "Das... Wow. Das... ging schnell.", gebe ich von mir und sehe den kleinen an. "Vielen Dank, dass Ihr mich hier schlafen lasst. Ich glaube..." Ein leicht unsicheres Lächeln erscheint auf meinen Lippen. "Den Weg hätte ich im Dunkeln nicht wirklich wiedergefunden." Irgendetwas murmelt er, was sich anhört wir: "Einer der Gründe...", ehe er wieder trinkt. Still sinke ich ein wenig in mich zusammen, trinke ebenfalls meinen Tee und kann es nicht glauben, dass ich doch irgendwie hier her gekommen bin. Well... i fucked up. Ja gut, hoffentlich nicht, aber es ist alles andere als perfekt.
DU LIEST GERADE
Die Jagd nach dem Dolch - Der erste Tod
FanfictionAlex lebt friedlich und gemütlich in ihrer Welt. Hat ihre Freunde und eben normale Probleme. Wie kann man die Berufsschule am besten schwänzen, um mit ihrem besten Freund Ricky saufen zu gehen und so weiter. Doch ein Dolch in ihrer Brust lässt sie i...