Verritten

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"Cedrik!", ruft eine weibliche und auch bekannte Stimme und ich grinse den blondhaarigen Kerl an, der sich dann umdreht. "Victoria!", entgegnet er und auch ich drehe mich um. Grüße die braunhaarige Frau lächelnd und sie grüßt mich ebenfalls. Wir haben ein gutes Verhältnis da sie weiß, dass ich nur die Assistentin von ihm bin. "Ich werde mich um die restlichen Einkäufe kümmern und sie ins Haus bringen. Genießt den Tag.", gebe ich wissend zurück und verabschiede mich. Es braucht nicht lange und die beiden sind verschwunden. Ich bleibe stehen. Mein Lächeln geht langsam in ein nachdenkliches Gesicht über. "Wenigstens einer ist glücklich...", murmle ich, seufze und erledige den Einkauf. Mit einem falschen Lächeln im Gesicht, welches man aber kaum als falsch identifizieren könnte, wenn man mich nicht kennt.

Die Paprika und die Karotten verschwinden im Korb und ich zahle, ehe ich mich auf den Weg zurück begebe. Die Wunden brennen und ich werde hin und wieder komisch angesehen, aber ich bin daran gewöhnt. In meiner alten Welt habe ich öfters Dinge getan, die die Aufmerksamkeit der Leute erregt hat. Im Pikachu Ganzkörperanzug in der Stadt herumrennen. Aus lauter Langeweile. Die Haare blau färben. Und so weiter und so weiter. Dementsprechend bin ich die Blicke schon gewohnt. Im Augenblick ist es aber eher friedlich und ich kann im Haus die Einkäufe verräumen, ehe ich ein wenig sauber mache und mir Geld nehme. Cedrik meinte, dass ich jederzeit Geld nehmen könnte, solange ich ihm Bescheid gebe. Da er im Augenblick schwer beschäftigt ist, schreibe ich ihm nur einen Zettel und gehe raus. So. Was fange ich jetzt mit dem Tag an?

Ein Geistesblitz und schon weiß ich, was ich mache. Etwas, was ich schon länger machen wollte! Beim nächsten Stall, bei dem ich weiß, dass sie so etwas tun, leihe ich mir ein Pferd und steige auf. Es ist ein wenig her, dass ich geritten bin. Die ersten Meter brauche ich noch, um mich einzugewöhnen. Aber dann ist es, als wäre ich nie vom Pferderücken herunter gekommen. Der Fuchs kaut auf dem Gebiss herum, bleibt aber friedlich. Ein guter Wallach. Schön ruhig. Ich treibe ihn ein wenig an, um aus der Stadt zu kommen und warte ein paar Minuten, bevor ich ihn einfach nur zum Galoppieren bringe. Es bringt gute alte Erinnerungen hoch, einfach nur auf dem Rücken zu sitzen und sich den Bewegungen des Pferdes anzupassen. Ich lehne mich nach vorn und gebe ihm mehr Zügel. Sofort beschleunigt er. Das Schnauben ist regelmäßig. Ich dämpfe die Galoppsprünge mit meinen Beinen ab und lasse den Wind die Mähne in mein Gesicht peitschen. Jetzt ist eh schon alles egal.

Nach ein paar Minuten lasse ich ihn wieder traben und gehe in einen gemütlichen Schritt über. Klopfe dem Wallach auf den Hals und sehe mich um. Ich habe zwar keine Ahnung, wo ich bin, aber ich kann die Stadt in der Ferne noch erkennen. Das sollte kein Problem sein, da wieder zurück zu finden. Vor mir liegt ein Wald und meine Neugierde, diesen auf dem Rücken eines Pferdes zu erkunden ist wirklich groß. Verdammt groß! Also gehen wir hinein. Da die Sonne mittlerweile herausgekommen ist, ist das auch für den Fuchs angenehmer, im Schatten der Bäume zu gehen. Ruhig lässt er seinen Kopf ein wenig nach unten hängen, während es weiter geht. Die Ohren spielen ein wenig herum, aber nicht viel. Der Schweif vertreibt die ersten Fliegen. Und ich kann mich ein wenig umsehen.

Nun gut. Vielleicht hätten wir auf den Weg achten sollen. Ich war noch nie so weit von der Stadt entfernt und dementsprechend kenne ich London. Aber mehr schon nicht. Ich lasse den Fuchs anhalten und sehe mich um. Verdammt. Komplett verirrt. Ich drehe den Wallach einfach um und lasse ihn zurück gehen. Das ist doch eigentlich immer eine gute Strategie, oder nicht? Ja. An sich schon. Wenn man nicht an einer Kreuzung steht und man komplett vergessen hat, wo man langgeritten ist. Ich sehe auf den Wallach runter. "Du weißt nicht zufällig, wo es lang geht, oder?", frage ich ihn, bekomme aber keine Antwort. Na toll. Tief atme ich durch und entspanne mich. Gut. Lange bin ich eh nicht unterwegs und vielleicht ist das ja die richtige Abzweigung!

Guter Versuch, aber nein. Wir verlaufen uns immer mehr und wieder stehe ich an derselben Wegkreuzung. Keine Ahnung, wo ich bin. Keine Ahnung, wo ich hin muss. "Das ist jetzt etwas beschissen...", brumme ich entgeistert und hebe meinen Kopf, als ich ein Geräusch höre. Erst bin ich noch ziemlich panisch, beruhige mich aber, als es sich nach einer Kutsche anhört. Puh. Ein Glück. Vielleicht können die mir helfen! Ich stelle den Wallach direkt in den Weg und warte, bis die Kutsche um die Kurve kommt. Und learn and behold! Wer sitzt auf dem Bock? Tanaka. Wer wird also in der Kutsche sitzen? Sebastian und Ciel. Fuck. Aber egal! Mir wäre jetzt sogar egal, wenn es Alois und Claude wären. Wenn Alois noch leben sollte. Ich winke Tanaka zu, der die Kutsche abbremst und sie vor mir und dem nun leicht nervösen Wallach zum Stehen bringt.

"Warum hat die Kutsche angehalten?!", ruft die junge Stimme des Earls und ich lächle entschuldigend. "Tut mir leid! Ich habe mich komplett verlaufen!", rufe ich zurück und sehe auf dann auf den Fuchs. "Gut. Verritten. Könntet Ihr mir den Weg zur Stadt sagen?" Stille. Tanaka sieht mich leicht besorgt und mitleidig an, während ich mir peinlich berührt den Hinterkopf kratze. "Eigene Dummheit, ich weiß. Ich hätte auf den Weg achten sollen." Der alte Mann nickt, lächelt aber zuversichtlich. Ciel streckt nun seinen Kopf heraus und mustert mich. "Ihr seid diejenige, die den Dieb heute geschnappt hat.", meint er plötzlich und perplex starre ich ihn an, ehe ich mich räuspere. "J-Ja, werter Earl. Wenn Ihr den Taschendieb meint, dann... bin ich es wohl." Noch einmal ein Blick hoch und runter und er nickt. "In Ordnung. Als Dank, dass Ihr der Dame und somit einer meiner Geschäftspartnerinnen geholfen habt, werde ich euch meinen Butler zur Seite stellen. Er wird euch den Weg zeigen. Denn es gibt hier viele Kreuzungen."

Also habe ich Sebastian an der Backe. Na ganz toll. Dennoch nicke ich und reite bis zur Kutschenseite. "Habt vielen Dank, werter Earl Phantomhive." Doch dieser setzt sich nur zurück auf die Bank und nickt mir zu. Ein wenig bringe ich den Fuchs dazu, auf die Seite zu gehen, sodass Sebastian aussteigen kann. Dieser verneigt sich, als die Kutsche anfängt, wieder zu fahren. Wir warten, bis diese aus dem Sichtfeld verschwunden ist, ehe ich mit einem entschuldigenden Lächeln zu dem schwarzhaarigen sehe. "Tut mir wirklich leid, dass Ihr mich wieder begleiten müsst. Aber keine Sorge! Nur aus dem Wald! Den restlichen Weg finde ich!" Die roten Augen mustern mich und er lächelt sein berühmtes Lächeln, bei dem die Frauen reihenweise umkippen. "Dies ist kein Problem." Bevor wir allerdings losgehen, springe ich von dem Fuchs runter. Und ja, springen. Füße aus den Steigbügeln und runter! Ich gehe ein wenig in die Knie, als ich neben dem Butler auf dem Boden aufkomme und richte mich auf. Grinse ihn an. "Dann sitz ich nicht nur faul da oben rum!", erkläre ich kurz, ehe wir aufbrechen.

Die Jagd nach dem Dolch - Der erste TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt