Überraschung pur

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Sebastian entschuldigt sich und ich kann mir vorstellen, dass ich ihn einfach gelangweilt habe. Ein Teufel, der sich die Probleme eines Menschen anhören muss, während der junge Herr wahrscheinlich gerade ruft. Ich stehe auf und gehe zum Fenster. Der Abend scheint angebrochen zu sein, denn die Sonne geht unter. Die Fensterläden mache ich auf und setze mich einfach auf die Fensterbank. Lasse ein Bein außerhalb des Anwesens herunterhängen und lege meinen Kopf auf das angewinkelte Bein, welches ich mit meinen Armen umschlinge. Mein Blick rein auf den Sonnenuntergang gerichtet. Ich könnte den Sonnenuntergang nie mehr erleben, wenn ich nicht gegen Zaroy ankomme. Ich könnte nie wieder einen der Leute treffen, die ich kennen gelernt habe. Kein Cedrik mehr. Kein Sebastian, Undertaker, Ciel mehr. Nichts und niemand. Ich müsste ein normales Leben anfangen.

"Ihr solltet aufpassen. Das nächste Mal bin vielleicht nicht ich es." ich kann mich gerade noch so davon abhalten, aus dem Fenster zu fallen und starre Sebastian halb zu Tode erschrocken an. "Hey! Ich brauch jetzt keinen Herzinfarkt, klar?!", erwidere ich und hole tief Luft, ehe ich mich wieder beruhige. "Ich würde nicht so in Gedanken versinken, wenn ich mich nicht sicher fühlen würde.", füge ich leise hinzu und drehe mich zu ihm. Die Beine hängen nun von der Fensterbank hinunter und mein Blick fällt auf die Flasche mit einem Honigfarbenen Inhalt. "Sebastian? Du wirst mich doch nicht zum Trinken verführen, oder?" Der schwarzhaarige schmunzelt. "Dann habe ich das Glas mit dem Eis wohl völlig umsonst mitgebracht, nicht wahr?" Er hebt ein Whiskeyglas hoch, welches mit dem kühlen und gefrorenem Wasser bestückt ist. Kichernd lehne ich mich nach vorn. "Das kann man doch wirklich nicht vergeuden."

Ich nehme das Glas und er schenkt mir ein. "Cheers, Sebastian.", sage ich, als ich das Glas leicht hebe. "Auf eine hoffentlich ruhige Zukunft!" Er neigt seinen Kopf und ich trinke den ersten Schluck. Lasse es die Kehle hinunter gleiten und schmunzle. "Das ist gut...", flüstere ich und trinke den nächsten Schluck. Der Whiskey, obwohl ich eigentlich kein Fan davon bin, schmeckt wirklich gut und nicht einmal ansatzweise billig. "Habt Ihr schon etwas zu Euch genommen? Außer die Kekse?" Nachdenklich sehe ich in das Glas und schüttle dann den Kopf. "Wann?" Sebastian seufzt und stellt die Glaskaraffe auf den Tisch. "Sprich es aus, Sebastian. Wenn wir allein sind, kannst du reden, wie dir die Nase gewachsen ist! Solange ich es noch verstehe. Das heißt kein Französisch." Die roten Augen gehen zu mir. "Seid Ihr Euch dessen sicher?" Ich nicke und trinke noch einmal einen Schluck. "Hau raus."

Mit großen Augen sitze ich nun vor einem geschlossenen Fenster, welches ich zur Sicherheit der Ohren anderer geschlossen habe. Sebastian... ich wusste nicht, dass sich bei ihm gleich so viel angestaut hat! Ich beobachte ihn dabei, wie er immer wieder auf und ab geht. Sich über Ciel und alle Bediensteten außer Tanaka beschwert. Wie komisch Menschen wären und dass er die Entscheidungen manchmal wirklich nicht versteht. Dass er manche Gelüste nicht nachvollziehen kann. Unter anderem, die Liebe. Dass die Hülle, die er sich geschaffen hat, zwar hin und wieder ganz praktisch wäre, wenn es um Informationen geht, aber ihm er die Aufmerksamkeit von Frauen durchaus mal auf die Nerven ginge. Dass er hin und wieder nicht einmal mehr Lust hat, seinem jungen Herren zu dienen, weil dieser sich wie ein Balg aufführt. Ein kleiner Bengel. Zwischendurch biete ich ihm vor lauter Überforderung ein selbst nachgefülltes Glas Whiskey an, welches er hinunter kippt, als wäre es Wasser.

Als er verstummt, warte ich noch ein bisschen. Bewege mich nicht. Ist er schon fertig? Kommt noch etwas? Doch er räuspert sich nur, richtet sich die Krawatte und streicht alles glatt, was irgendwie geknittert sein könnte. "War doch mal gut, alles rauszulassen, oder? Sich mal so richtig auszukotzen. Aussprechen, was einem so richtig auf die Nerven geht." Lächelnd halte ich ihm das nächste Glas hin. "Noch einen, bevor du wieder ernst wirst?" Sebastian sieht das Glas an. Dann mich. Dann wieder das Glas. Dann wieder mich. "Ihr wisst, dass Alkohol keinen Effekt auf mich hat, oder?" Schulterzuckend ziehe ich das Glas wieder zurück, spüre aber im nächsten Augenblick schon seine behandschuhte Hand um mein Handgelenk. "Ich sagte nicht, dass ich es nicht möchte." Langsam nimmt er das Glas aus meiner Hand und trinkt es auf Ex, ehe ich es wieder bekomme. "Und wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigt? Ich werde Euer Abendessen zubereiten."

Tja. Lass mich nicht mit Alkohol alleine. Als er wieder kommt, ist die Glaskaraffe leer und ich spüre den Alkohol. Bin aber noch lange nicht betrunken. Nur gut angetrunken. Ich bekomme noch alles mit. Sebastian schließt hinter sich die Tür und sieht von dem leeren Whiskey zu mir. Sein Blick ist vorwurfsvoll. "Und was ist, wenn ich noch etwas gewollt hätte?", fragt er und bringt die silberne Glocke zu dem Tisch, an welchen ich mich gesetzt habe. Kurz sehe ich in das Glas, ehe ich mich ihm zuwende. "Vielleicht ist noch was in dem Glas? Letzte Reste?" Seufzend hebt Sebastian eine Hand und reibt sich seinen Nasenrücken. "Miss Kindred. Ihr solltet nicht noch beweisen, dass Undertaker mit dem Alkohol recht hatte." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Warum? Welcher Nachteil ergibt sich?", frage ich und sehe ihn an.

"Jeder weiß, dass ich komplett verrückte Entscheidungen mache. Dass ich aus einer anderen Dimension komme. Meine Güte. Dann bin ich halt dem Alkohol zugetan. Und jetzt?" Der Teufel nimmt die Glaskaraffe und das Glas. "Esst, Miss Kindred.", meint er nur und zieht die silberne Glocke von dem Teller, ehe er das andere Zeug weg bringt. Während ich stumm den überaus gut geratenen Braten esse und somit dem gemeinsamen Essen im Speiseraum wahrscheinlich ausgekommen bin, bin ich wieder in Gedanken versunken. Wie kann man Zaroy am besten stoppen. Sebastian kommt noch einmal und räumt auch noch das Essen ab, ehe er mir noch eine geruhsame Nacht wünscht. Geruhsam. Geruhsam am Arsch.

Bis ich endlich einschlafe, habe ich mich gefühlt zwei Kilometer gewälzt, 24.000 Schlafpositionen ausprobiert, bis 1.000 gezählt, mir EINIGES vorgestellt, was mir normalerweise immer hilft und bin alle Events durchgegangen, die ich hier erlebt habe. Nachdem das Bett also aussieht, als hätte ein Gangbang stattgefunden, so zerrupft wie alles aussieht, bin ich im Land der Träume. Habe die Decke ein wenig zusammengerollt, sodass ich mich daran kuscheln kann, als wäre es ein Mensch. Und mein Kopf liegt unter dem Kopfkissen. Man sollte meine Schlafstellungen nicht infrage stellen. Aber zumindest KANN ich endlich mal schlafen und den unangenehmen und stressigen Teil des Tötens von Zaroy einmal ausknipsen. Oder zumindest dachte ich es.

Die Jagd nach dem Dolch - Der erste TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt