Mister Sutcliff

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Eine Hand auf meiner Schulter lässt mich herumfahren. "Miss Kindred? Alles in Ordnung?" Ruhig lächle ich Sebastian entgegen und lege eine Hand auf seine. "Alles perfekt. Das war... mein Vater. Der Tod. Du kennst die Situation.", breche ich es schnell runter und hebe dann mit einem Schmunzeln das Messer. "Und leg deine Äuglein lieber auf das Schmuckstück." Ich lasse ihn das Messer nicht nehmen, sondern nur ansehen. "Er meinte, dass man damit gezielt durch Dimensionen kann. Das heißt, dass wir einen Plan B haben, sollte uns Zaroy durch irgendwelche Dimensionsreisen abhauen!" Lachend, spiele ich ein wenig mit dem Messer herum und bin froh, dass ich wenigstens mehr als nur einen unausgereiften Plan habe, sollte das schlimmste vom schlimmsten passieren.

"Eure Familienverhältnisse..." Sebastian beginnt den Satz, endet ihn aber nicht. "Sind ein wenig kompliziert. Sagen wir es so. Ich muss meinen Bruder töten, weil er Leute aus meiner eigenen Art schlachtet. Ich fühle mich, als wäre ich in einer griechischen Sage." Entgeistert sehe ich auf das Messer. "Lieber nicht. Die gingen nie so wirklich gut aus." Der schwarzhaarige nimmt seine Hand wieder von meiner Schulter und ich sehe zu ihm hoch. "Ist bei dir alles in Ordnung? Ich hab mich schon gefragt, wann du raus kommst. Und als Vater meinte, dass wir beobachtet werden und ich dich am Fenster habe stehen sehen..." Der Teufel neigt seinen Kopf. "Es war... selbst für mich nicht möglich, aus dem Anwesen zu gelangen. Als wäre eine starke Barriere aufgetaucht, die all meine Fähigkeiten an sich abprallen hat lassen." Verstehend nicke ich. "Tja. Der Tod hat dann doch so Stärken gegenüber eines Teufels, was?" Ich zwinkere ihm zu. "Und wenn du daran denkst, dass ich die Tochter von ihm bin und du immer noch denkst, dass ich normal wäre..."

Gemeinsam gehen wir wieder zurück in das Anwesen. "Möchtet Ihr Tee?", fragt er und ich seufze. "Ich möchte, dass du mich duzt und Alex nennst.", brumme ich nur und gähne. "Und nich allein schlafen..." Letzteres kommt eher unabsichtlich raus. "Bitte?" "Was?" Sebastian und ich sehen uns an. "Ihr... DU hast etwas dazu gesagt, was ich nicht ganz verstanden habe. Das Gähnen kam dazwischen." Mit großen Augen sehe ich auf die Seite. "Ehm... I-Ich hätte gern Tee?" Hört sich zwar überhaupt nicht danach an, aber ein Versuch ist es wert. "Nein, das war es nicht ganz.", meint er nur und blickt nachdenklich auf mich hinunter. Eine Hand an seinem Kinn. "Irgendetwas mit 'schlafen' am Ende." Hirn. Streng dich an! "Schlafen... Ja... schlafen könnte ich wirklich." Ablenken. Ablenken ist die Devise! Dann fällt mir etwas ein und ich sehe ihn ein wenig herausfordernd an. "Du hast es komplett gehört." Sebastian schmunzelt. "Ich habe es komplett gehört."

Spielerisch schubse ich ihn von mir. "Geh Tee machen...", brumme ich und kann mir selbst ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen, ehe ich den Gang weiter gehe. Ein kurzes Umschauen zeigt mir, dass er weg ist. Lächelnd schüttle ich den Kopf, ehe ich wieder auf das Messer hinunter sehe. Das Ding hat also die Fähigkeit, einfach so einen Dimensionsspalt zu öffnen. Gibt es Regeln? Wie lange bleibt der Spalt offen? Muss ich etwas beachten, wenn er zu geht? Kann ich in die alte Dimension zurückkehren, oder ist das wie eine gewaltsame Einbahnstraße? Die ein oder andere Anweisung wäre ganz nett gewesen. "Wenigstens ne Gebrauchsanweisung. Und wenn das Ding auf Holländisch wäre!" Eine Sprache, die ich zwar nicht sprechen, aber lesen kann. Und ich kann es verstehen. Aber wie gesagt nicht selbst sprechen oder schreiben. Aber hier scheint der Spruch: 'Probieren geht über Studieren!', einsetzbar zu sein. Mal sehen, ob durch dieses ausprobieren Menschen sterben werden.

Im Zimmer angekommen, schalte ich das Licht an und zucke überrascht zusammen, als ich eine Gestalt in meinem Zimmer sehe. Erleichtert, lege ich eine Hand auf meine Brust als ich sehe, dass es Grell ist. "Erschreck mich nicht so, Grell. Sterben wäre jetzt mehr als beschissen.", gebe ich von mir und strecke mich. "Wa- Wie kann man es wagen, meinen Namen zu kennen und dann so unhöflich zu sein und sich nicht vorzustellen?!", ruft der rothaarige empört und ich sehe müde zu ihm. Runzle die Stirn. "Ach stimmt... du weißt von dem ganzen Mist nichts.", murmle ich und gähne, ehe ich mich noch einmal aufrichte. "Mein Name ist Alexandra Ashe Kindred. Dimensionswanderin. Wenn ich sterbe, dann nimmt sich keiner meine Seele, sondern ich wache in einer neuen Dimension auf. Tochter von Gevatter Tod und Mutter Natur und... der ganze andere Mist." Erschöpft, lege ich das Messer neben Cedriks Finger auf das Nachtkästchen. "Können wir das auf morgen verlegen? Ich bin müde."

Perplex starrt mich Grell an. Seine Augen sind ganz groß. Eine Hand vor seinem Mund. In dem Augenblick kommt Sebastian in das Zimmer. Ohne klopfen. "Mister Sutcliff. Dürfte ich fragen, was Sie hier machen?" Sofort schießt sich der rothaarige auf ihn ein. "Sebastian! Du wirst es nicht glauben!", ruft er und läuft zu ihm. "Diese Frau redet nur wirres Zeug und hat sich erst einmal nicht vorgestellt! Unhöflich! Und irgendetwas über Dimensionen und Tod und Natur!" Sebastian sieht mich fragend an. "Ihr habt es ihm erzählt?" Schulterzuckend setze ich mich auf das Bett. "Ich bin müde. Will schlafen. Er war da. Und außerdem ist er ein Shinigami. An sich das gleiche Gewerbe wie mein Vater.", erwidere ich ruhig und der schwarzhaarige nickt. "Verstehe." Sein ausdrucksloses Gesicht geht zu Grell, welcher direkt vor ihm steht und versucht, sich an ihn heran zu schmeißen. "Mister Sutcliff. Sie stören einen Gast des jungen Herrn. Ich spreche nun noch eine friedliche Warnung aus, sodass Sie sich bitte von diesem Grundstück entfernen mögen."

Überraschenderweise grummelt er nur kurz und wird schlussendlich dann von William weggezogen, der sich wegen Überstunden aufregt. Seufzend lasse ich den Kopf hängen. "Sebastian?" Sein Kopf geht zu mir. "Ja, Alex?" Bei dem Klang meines Namens muss ich kurz lächeln. "Hast du noch Pflichten?" Für einen Moment denkt er nach, ehe er den Kopf schüttelt. "Wenn du meine Anwesenheit brauchst, dann werde ich mich nur kurz entschuldigen müssen, um das Wasser für den Tee vom Herd zu holen." Ich nicke und er versteht. Während er schnell weg ist, ziehe ich mich um und setze mich gerade wieder auf das Bett, ehe es schon klopft. "Herein." Meine Stimme klingt selbst in meinen Ohren erschöpft. Sebastian kommt rein und schließt hinter sich die Türe.

Stumm klopfe ich auf das Bett und rutsche in die Mitte. "Durchaus gewagt, Alex. Ich könnte dich einfach so überwältigen.", meint er und stellt sich auf die andere Seite des Bettes. Zieht sich die Schuhe aus und auch Jackett, Krawatte und Weste. Nur noch sein Hemd ist an seinem Oberkörper. "Wirst du nicht. Dafür findest du den Fakt, dass ich dir eigentlich zu 100% vertraue, viel zu interessant." Ein dunkles Lachen ertönt, während der schwarzhaarige sich zu mir gesellt. Ich hebe die Bettdecke hoch und als wäre alles einstudiert, rutscht er drunter. "Wer von uns beiden ist noch einmal der Teufel und sollte die Wünsche und Sehnsüchte von den Augen ablesen können?", fragt er und legt sich richtig hin. Ich strecke mich noch einmal, ehe ich mich an ihn kuschle. Mein Kopf auf seinem Oberarm und eine Hand neben meinem Kopf. Ihn zu fühlen ist... etwas komplett anderes. "Vergiss nicht, dass ich dich besser kenne, als du denkst, Sebastian.", flüstere ich und ziehe die Decke noch ein wenig weiter hoch. "Gute Nacht...", murmle ich, ehe ich meine Augen schließe. Sicherer, als hier in den Armen des Teufels, kann ich nicht schlafen. An sich schon. Undertaker. Aber das ist nicht mein Interessengebiet.

Die Jagd nach dem Dolch - Der erste TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt