Keuchend, reiße ich meine Augen auf. Ich bin schweißgebadet. Mein Herz rast. Kein Traum der schönen Natur. Zaroy hat vor meinen Augen Cedrik abgeschlachtet. Nicht nur getötet. Nein. Abgeschlachtet. Den Dolch immer wieder in seinen Brustkorb gerammt. Ich konnte mich nicht bewegen. Cedriks schreie hallen immer noch in meinen Ohren nach. Vorsichtig setze ich mich auf und rutsche an die Bettkante. Stehe dann auf und mache das Licht an. Die Deckenlampe erhellt den Raum und ich komme langsam aber sicher wieder zu Atem. Ich zittere. Und ich habe den unwahrscheinlichen Drang, nach draußen zu gehen. An die frische Luft. Mich in das Gras zu setzen und in den Himmel zu starren. Also ziehe ich mich um und gehe aus meinem Zimmer.
Den Weg zur Eingangshalle kenne ich. Und den Weg von dort aus zum Garten habe ich mir auch gemerkt. Ausnahmsweise mal. Tief hole ich Luft und gehe Barfuß in das nasse Gras. Sofort fühle ich mich wohler und schließe die Augen. Atme öfters einfach nur tief ein und aus. Beruhige mich selbst. Als ich meine Augen aufmache, blinzle ich ein paar Mal. Und reibe sie mir schlussendlich auch. Träume ich? Eine schwarze Gestalt steht im Garten. Gute 50 Meter von mir entfernt. Das Gesicht ist von einer schwarzen Kapuze bedeckt. Eine Art Nebel wabert um ihn herum. Es ist, als würde um ihn herum alles frieren. Das Gras sieht aus, als wäre es mit Reif bedeckt. Schattenhafte Gestalten tauchen aus dem Nebel aus und verschwinden wieder in jenem.
Unsicher blicke ich kurz zum Haus und wieder zurück. Alexandra. Eine tiefe Stimme klingt in meinem Kopf wieder. Hallt, als hätte ich da oben nichts weiter als Luft! Irritiert, schüttle ich meinen Schädel und behalte den Unbekannten im Blick. Komm her, mein Kind. Er klingt alt. Aber nicht müde. Kraftvoll. Mächtig. Und dennoch ruhig. Wenn nicht sogar beruhigend. "Gevatter Tod?", rufe ich und stille herrscht. Vater reicht aus, mein Kind. Wow. So weird hatte ich mir das jetzt nicht vorgestellt, aber gut. Wenn das alles stimmt... und danach sieht es im Augenblick aus... dann ist er wirklich mein Vater. Dennoch zögere ich für einen Moment. Ich tu dir nichts. Ich sehe nur böse aus. Ein dunkles, aber ehrliches Lachen ertönt in meinem Kopf und auch der Mann in der Ferne lacht.
Nun ein wenig sicherer, nicke ich und gehe langsam auf ihn zu. "Was machst du hier? An sich hat diese Dimension Todesgötter... Vater." Ihn Vater zu nennen, ist wirklich eine Überwindung. Denn in meinen Gedanken ploppt bei dem Wort 'Vater', oder fast alle Variationen davon, das Bild des Mannes auf, der mich erzogen und aufgezogen hat. Wieso fast alle Variationen? Weil 'Daddy' nochmal einen gewissen extra-Platz besitzt. Aber das kann man sich für einen anderen Zeitpunkt aufheben. Darf ich nicht einmal meine Tochter besuchen?, fragt er und ich bleibe vor ihm stehen. Der Nebel umschließt auch meine Beine. Aber es ist nicht kalt. Eher... angenehm warm. "Was habe ich angestellt. Geht es um Zaroy?" Langsam hebt der Mann seine Kapuze und legt sie nach hinten. Zu sehen ist ein blasser und ausgemergelter Kopf. Die Wangen eingefallen. Die Augen in den Höhlen liegend. Der Mund zugenäht. Verständlich, warum er nur durch Gedanken spricht.
Ich wollte dich das erste Mal ausgewachsen sehen. Du bist wunderschön geworden. Kämpferisch. Stur, wie deine Mutter., meint er und hebt eine Hand. Auch sie sieht knochig aus, aber ich habe keine Angst. Keine Panik. Nicht einmal Unwohlsein. Er legt seine Hand an meine Wange. Du hast ein schweres Los mit der Auslöschung Zaroys bekommen, mein Kind. Schnaubend lächle ich und sehe auf die Seite. "Für jemanden, der nicht kämpfen kann... durchaus interessant, ja.", gebe ich zu und sehe wieder zu ihm. Das ist also der Tod. Wow. Hat ein bisschen was Klischeehaftes, aber sonst... relativ cool. Es tut mir leid, dass es dir zugefallen ist. Mit den Schultern zuckend, lächle ich ihn stattdessen an. "Hey. Man kann sich nicht immer alles aussuchen, nicht wahr?" Ich fange an, mit dem Oberkörper ein wenig hin und her zu wippen. "Muss nur noch kurz die Welt retten...", bringe ich raus und er lacht in meinen Gedanken. Ich liebe dieses Lied aus dieser Dimension!, ruft er und ich muss selbst lachen.
Nachdem wir uns wieder beruhigt haben, wirkt er ernst und er lässt mich wieder los. Ich habe das mit der Aufklärung deiner Mutter überlassen, weil es friedlicher und angenehmer ist, von Mutter Natur alles erklärt zu bekommen, als vom Tod. Schlechtes Image. Nickend, kann ich nur zustimmen. "Kann ich zustimmen. In beiden Punkten. Tut mir leid, Vater." Lachend schnippst er mir gegen die Stirn. Du hast so viel zu tun und trotzdem noch Zeit, herum zu albern? Wieder zucke ich mit den Schultern. "Selbsterhaltungstrieb? Komischer Humor? Psychisch am Arsch?" Seufzend schüttelt er den Kopf. "Das wird alles wieder, wenn das mit... deinem Bruder vorbei ist." Plötzlich sieht er an mir vorbei zum Anwesen. Wir werden beobachtet. Auch ich drehe meinen Kopf und sehe Sebastian. "Ah. Ja. Er weiß von dem Ganzen. Er und der Earl helfen mit. Zusammen mit einem Bestatter." Als ich meinen Kopf wieder zu ihm drehe, sieht er mich fragend an. "Sebastian ist ein Teufel. Der Earl ein Dämon. Undertaker ein ehemaliger Shinigami, also Todesgott. Alles entspannt." Er zieht eine Augenbraue hoch. Und Cedrik?
Blinzelnd, ziehe ich die Luft ein und lasse sie laut wieder entweichen. "Der... soll sich raus halten. Alle von uns haben, bis auf ihn, ein gewisses Problem mit dem Sterben. Er ist sofort weg vom Fenster." Gevatter Tod nickt. Wir haben ihn für dich ausgesucht, damit er dich hier in diese Welt einführt. So tief wollten wir ihn nicht blicken lassen, aber das ist nun so oder so zu spät. Wie recht er doch hat. Aus dem Nebel manifestiert sich etwas, das aussieht, wie eine Katze. Ich gehe in die Hocke und strecke meine Hand aus. Als wäre es ein normales Tier, schnuppert es an meiner Hand und reibt den Kopf daran. Aber ich spüre nichts. Das sind Seelen, Alexandra. Du spürst nichts. Aber sie spüren dich. Und scheinbar hast du einen Hang für Tiere. Ich sehe um mich herum und schmunzle. Offensichtlich. Neben nebligen Katzen, haben sich auch andere Tiere dazu gesellt. Wie Hunde. Wölfe. Schlangen. Vögel. Sogar ein Pferd ist dabei. "Ich war schon immer mehr für Tiere. Die haben einen verstanden.", murmle ich und stehe auf, ehe ich etwas Nebliges im Augenwinkel sehe und ein Vogel auf meiner rechten Schulter gelandet ist. Wieder spüre ich nichts, aber so soll es ja sein.
Lange kann ich nicht mehr hier sein, Alexandra., meint der Tod und ich sehe wieder zu ihm. Aus seinem Mantel holt er etwas und hält es mir hin. Ein Geschenk von deiner Mutter und mir für dich. Es sieht aus, wie eines der Messer aus dem Militär. Die Klinge an der Rückseite gezackt. Das gesamte Messer schwarz. Wahrscheinlich scharf wie noch einmal was. Zwar nehme ich das Messer und halte es fest am Griff, aber sehe ihn dann etwas skeptisch an. "Filetieren bei Menschen klappt noch nicht. Und... häuten kann ich auch noch nicht so wirklich.", gebe ich von mir und er lacht wieder. Das, mein Kind, ist für dich gegen Zaroy gedacht. Schwing die Klinge durch die Luft und denk an die Person, zu der du willst. So öffnest du einen Spalt, der dich gezielt durch die Dimensionen springen lässt. Bevor ich fragen kann, ob es noch etwas zu beachten gilt, neigt er seinen Kopf. Ich muss nun wieder gehen. Es war schön, dich gesehen zu haben, meine Tochter. Er dreht sich um und geht. Mit jedem Schritt wird er durchsichtiger. Der Nebel um mich herum lichtet sich. Es wird kühler. Ich bekomme noch ein: "Tschüss, Vater!", raus, ehe er komplett verschwunden ist. Mit ihm alles, was an Nebel hier war. Jetzt ist es eine gute Zeit, die Frage zu stellen... Träume ich noch, oder bin ich schon wach?!
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Die Jagd nach dem Dolch - Der erste Tod
FanfictionAlex lebt friedlich und gemütlich in ihrer Welt. Hat ihre Freunde und eben normale Probleme. Wie kann man die Berufsschule am besten schwänzen, um mit ihrem besten Freund Ricky saufen zu gehen und so weiter. Doch ein Dolch in ihrer Brust lässt sie i...