Anstatt in mein Zimmer, gehe ich wieder nach draußen. Dort gehe ich schnurstracks zu einem der Teiche und setze mich davor hin. Starre wütend in das Wasser und presse meine Lippen aufeinander. Was hat ihn das anzugehen? Wieso musste er das einfach ansprechen? Das ist privat! Das... Ich... Ich habe das doch erst wieder verdrängt. Klar, er hat sich immer wieder entschuldigt und es tut ihm bis zum heutigen Zeitpunkt leid! Aber... es ist nun mal passiert. Die Gewalt habe ich einstecken können. Das konnte ich schon früher und kann es heute noch. Aber... das andere? Aus meinem wütenden Gesicht wird ein nachdenkliches. Hätte ich gleich so ausflippen sollen? Hätte ich gleich so viel Drama darum machen müssen? Nein. Nein, hätte ich nicht. Ich habe es aber trotzdem getan.
Mit einem Mal verschwimmt mein Spiegelbild im Wasser und alles ordnet sich neu an. Das Gesicht von Mutter Natur erscheint. Sie lächelt mich besorgt an und ich lächle leicht gezwungen zurück. Das Wasser brodelt an einer Stelle und ich sehe dort hin. Beobachte ein wenig neugierig, was passiert. Die Wasseroberfläche wölbt sich und eine Hand kommt heraus. Gefolgt, von einem Arm. Ich schließe die Augen, als die Hand sich an meine Wange legt. Dem Arm folgt der restliche Körper und sie steht auf dem Wasser da. Zu mir hinunter gebeugt. Die Hand immer noch an meiner Wange. "Kind. Es ist alles in Ordnung. Du hast nichts falsch gemacht.", meint sie, lässt mich los, geht zu mir an das Ufer und kniet sich hinter mich hin. Von dort aus werde ich umarmt. Sie ist nicht nass. Eher angenehm warm. Ich spüre ihren Kopf an meinem. "Es ist alles in Ordnung. Du bist nicht allein, mein Kind.", flüstert sie wieder und ich lehne mich an sie.
Es ist wirklich, als würde ich mich an meine eigene Mama lehnen und ich öffne die Augen wieder. "Ich habe komplett übertrieben. Ich... Woher sollte er wissen, dass es so war?", frage ich und verziehe unsicher mein Gesicht. "Alexandra. Es ist eine normale Reaktion und es tut mir leid, dass weder ich, noch dein Vater etwas dagegen unternommen haben. Leider haben wir nicht alle Kinder gleichzeitig im Blick und hin und wieder braucht auch jemand anderes meine Hilfe." Ich nehme ihren rechten Arm und lege meine Arme darum. Drücke ihn ein wenig an mich. Sie lacht. "So kuschelbedürftig hatte ich dich gar nicht in Erinnerung.", meint sie und drückt mich an sie. So sicher. Dieses Urvertrauen, welches man nur bei seinen Eltern hat, ist auch bei ihr vorhanden. Kein Wunder, wenn sie mich wirklich erschaffen hat. "Aber es ist schön zu wissen, dass du dich an mich wendest, wenn du ein Problem hast."
Lächelnd sehe ich zu ihr hoch. "Wenn ich Probleme habe, oder generell irgendetwas nicht stimmt, habe ich mich schon immer in die Natur verzogen. Falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte." Sie streicht sich ihr langes Haar hinter die Ohren und ich mache ein Auge zu, als sie ihre Lippen auf meine Stirn legt. Sofort durchflutet mich Ruhe. "Ein Zeichen dafür, dass du eben von mir abstammst.", erwidert sie, nachdem sie sich wieder gelöst hat. Langsam steht sie auf und ich muss sie los lassen. Auch ich stehe auf. Sie ist einen guten Kopf größer als ich. Sanft blickt sie auf mich hinunter. "Tu das, was du für richtig hältst. Schäm dich nicht für deine Reaktionen und Gefühle. Du bist so, wie du bist. Und denk daran." Sie legt mir wieder eine Hand auf meine Wange. "Mit deiner Willensstärke wirst du dich und deine Geschwister retten." Langsam richtet sie sich auf und dreht ihren Kopf. Sieht in Richtung des Anwesens. "Das dürfte Sebastian Michaelis sein, nicht wahr?"
Ich sehe an ihr vorbei und lächle. "Jap. Das ist Sebastian." Ich hebe meine Hand. "Hey! Sebastian! Komm ruhig her!", rufe ich ihm zu und Mutter Natur lacht. "Wie seltsam, dass du plötzlich wieder so gute Laune hast.", meint sie und sieht mich wissend an. Ich brauche einen Moment, bevor ich es verstehe. "Der kann dich hören!", zische ich leise und werde rot. Fuck...! Sie grinst weiterhin nur wissend und wendet sich dann dem schwarzhaarigen zu, der zu uns gekommen ist. "Du bist also derjenige, der meine Tochter beschützt?" Ich erstarre. "Mutter!", rufe ich und sehe sie an, als wäre ich ein Teenager. Sebastian neigt seinen Kopf. "Dies ist meine Aufgabe, M'lady. Der junge Herr hat mir aufgetragen, mich um sie zu kümmern." Sie lehnt sich ein wenig nach vorn. Schmunzelt und sieht ihm direkt in die Augen. "Der junge Herr... Aha." Ein wenig genervt sehe ich zu dem Schwarzhaarigen. "Lügen kannst du bei ihr nicht. Keine Ahnung wie, aber sie weiß, wie es läuft."
Mutter Natur richtet sich kichernd auf. Ich lege mir eine Hand auf mein Gesicht. "Hast du nicht noch irgendwas zu machen?", frage ich und sehe sie dann an. "Keine Ahnung. Neue Dinge erschaffen, oder so?" Sie fängt nun das Lachen an. "Kann es sein, dass ich dir ein wenig peinlich bin, mein Kind?" Tief atme ich durch und versuche, mich zu beruhigen. "Unmerklich, Mutter. Unmerklich." Und mit einer sarkastischen Stimme füge ich hinzu: "Ich wüsste nicht, woher du das jetzt nur wissen kannst." Ihre Augenbrauen gehen hoch. "Vielleicht hast du den stärksten Willen unter all deinen Geschwistern. Aber auch das frechste Mundwerk!", meint sie dazu und ich nicke. "Das kann durchaus der Fall sein." Seufzend beugt sie sich zu mir hinunter und nimmt mein Gesicht in ihre Hände. "Pass auf dich auf, Lexy. Ich will nicht, dass dir etwas geschieht. Dass wir dich bei dem Dolch haben retten können, war allein die Arbeit deines Vaters. Und er ist immer noch sehr erschöpft davon."
Sie lässt mich wieder los und richtet sich auf. "Pass bitte auf mein Kind auf, Sebastian. Sie ist die einzige, die Zaroy aufhalten könnte." Ein letztes Mal wendet sie sich mir zu. "Ich wünsche dir viel Glück. Ich werde immer bei dir sein, falls du mich brauchst. Egal, in welcher Dimension." Ich nicke lächelnd und winke ihr verabschiedend zu, als sie in den Teich geht und dort verschwindet, als wäre sie einfach nur Treppen hinunter gegangen. Seufzend, lasse ich meine Schultern sinken. "Das ist etwas, das nicht an andere Ohren kommen sollte.", brumme ich nur und gehe an Sebastian vorbei, ehe er mir schon folgt. "Ihr habt durchaus eine liebende Mutter, Miss Kindred.", gibt er nur von sich und ich nicke. "Jap. Man könnte schon fast vergessen, dass ich in einen Kampf um den wirklichen Tod verwickelt wurde." Das lässt er unkommentiert und ich schnaube, ehe ich lächle. "Nur der junge Herr, hm?" Auch darauf antwortet er nicht. Das einzige, was er mit einem Seitenblick von sich gibt, ist ein: "Wenigstens habt Ihr gute Laune, nicht wahr?" Er hat es also gehört. Na bravo...
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Die Jagd nach dem Dolch - Der erste Tod
FanfictionAlex lebt friedlich und gemütlich in ihrer Welt. Hat ihre Freunde und eben normale Probleme. Wie kann man die Berufsschule am besten schwänzen, um mit ihrem besten Freund Ricky saufen zu gehen und so weiter. Doch ein Dolch in ihrer Brust lässt sie i...