Kleiner Schock

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Es klopft. Die Tür geht auf. "Miss Kindred? Das Bad wäre vorbereitet. Ebenfalls liegt Kleidung bereit." Ein Blick zu Ciel, der mir nur zunickt und ich stehe auf. "Vielen Dank noch einmal, Earl Phantomhive. Ich wünsche Euch eine geruhsame Nacht." Er nickt erneut und ich gehe zu May-Rin, die auf mich gewartet hat. Ich folge ihr aus dem Zimmer und die Gänge entlang. "Bitte entschuldigt, falls ich Euch beleidigt habe, als ich Mister Michaelis angefordert habe. Es... Tut mir wirklich leid." Die Brillenträgerin sieht mich verblüfft an. "Wofür entschuldigt Ihr Euch, Miss Kindred? Wir wurden über das gröbste informiert und ich finde es durchaus die richtige Entscheidung, so etwas sofort an den jungen Herren weiter zu geben!" Erleichtert, atme ich aus und lächle. Glück gehabt. Ich bin ihr nicht auf die Füße getreten.

Im Bad angekommen, deutet May-Rin auf das Kleid, welches mir zur Verfügung gestellt wird. Ich starre es nur an. Ein Wort rollt immer wieder in meinem Kopf hin und her. NOPE! Ein wenig unsicher lächelnd, drehe ich mich zu May-Rin. "Ich... also ich möchte nicht... naja... ehm... Also... ich und Kleider, dass..." Die Brillenträgerin sieht an mir herunter und nickt. "In Ordnung! Ich werde mal sehen, ob ich etwas anderes besorgen kann! Wieder eine Hose und ein Hemd?" Überrascht, dass sie gleich darauf eingeht, brauche ich einen Moment, bevor ich nicke. "J-Ja... bitte." Während sie aus dem Bad verschwindet, ziehe ich mich aus und springe in die Wanne. Das Wasser tut verdammt gut. Es ist heiß und prickelt an der Haut, aber es ist perfekt. In der Wanne sitzend, wickle ich mir vorsichtig die Verbände an den Unterarmen ab und sehe mir die Schürfwunden an. Ein paar Stellen sind noch offen, aber es ist nicht entzündet.

Als May-Rin zurück kommt, mit einer Hose und einem Hemd, sieht sie mich erschrocken an. "Seid Ihr schon fertig?", fragt sie und ich drehe meinen Kopf zu ihr. "Ehm... Ich denke... Hab keine Seife gefunden und die Haare nur so gewaschen.", gebe ich zurück und streiche mir die nassen Haare zurück. "Kein Problem! Bitte wartet einen Augenblick." Mit gerunzelter Stirn beobachte ich sie und aus einem der Schränke holt sie eine Seife. Ja, gut. Da nachzusehen... daran habe ich nicht gedacht. Anfangs ist es ungewohnt, jemand außerhalb des Friseurs meine Haare waschen zu lassen. Aber ich genieße es in vollen Zügen. Die Kopfmassage ist echt entspannend und ich sinke immer weiter in die Wanne. Dass sie mich nackt sieht? Das ist das Leben hier. Ein Problem habe ich nicht damit. Ich kann nur die Muttermale sehen, die mich immer wieder an meine eigene Welt erinnern werden. An mein altes Ich.

Nach dem baden trockne ich mich selbst ab. Etwas, bei dem ich May-Rin nicht brauchen kann. Brav wartet sie draußen, während ich mir auch das neue Korsett anziehe, welches sie mir gebracht hat. Gefolgt von der neuen Unterwäsche und dann die neue Hose und das Hemd. Frischer als sonst, komme ich aus dem Bad und werde von ihr zu meinem Zimmer geführt. "Möchtet Ihr noch etwas essen?", fragt sie und ich winke ab. "Nein, danke. Ich habe gegessen, als ich die Nachricht bekommen habe. Ich... bin satt." May-Rin nickt und öffnet die Tür, ehe sie das Licht anmacht und die Deckenleuchte aufflammt. "Wow... So viel Platz...", murmle ich, als ich rein gehe. Auf dem Bett liegt ein Nachthemd. "Solltet Ihr Euch bereit zum Schlafen machen, so ruft mich, oder zieht dieses Nachthemd an.", meint sie und verneigt sich. "Kann ich Euch noch etwas bringen? Ich werde Sebastian holen, um Euch neue Verbände anzulegen!"

Mit einem erneuten entschuldigendem Lächeln frage ich nach etwas Wasser zum Trinken, welches mir die Brillenträgerin sofort holt. Währenddessen gehe ich zu einem der Fenster und sehe raus. Es ist eine sternenklare Nacht. Der Mond ist eine Sichel und steht oben am Firmament. Es ist ja hin und wieder schön, solche Ausblicke zu haben und in dieser Welt gefangen zu sein. Hat sicherlich seine Vorteile! Aber... wie gesagt. Ich bin hier gefangen. Ich komme hier nicht mehr weg. Ich komme nie wieder zu meiner Familie. Ich sehe sie nie wieder. Ich bin in meiner Welt ermordet worden! Automatisch lege ich eine Hand auf meine Brust und eine auf meinen Bauch. Es kribbelt dort leicht. Einbildung, ich weiß. Aber es ist nun einmal so. Ich bin direkt vor Rickys Haus ermordet worden, nachdem ich ihn dorthin gebracht habe.

"Miss Kindred?" Überrascht zucke ich zusammen und drehe mich sofort um. May-Rin steht mit Sebastian in der Tür und sieht mich besorgt an. "Es tut mir leid, dass ich einfach so in Euer Gemach gekommen bin, aber Ihr habt nicht auf mein Klopfen geantwortet." Ich entspanne mich wieder und lächle. "Tut mir leid. Ich war in Gedanken versunken. Ich habe es nicht gehört...", erwidere ich und ziehe ein wenig meinen Kopf ein. Doch sie lächelt nur verständnisvoll und stellt mir eine Glaskaraffe und ein Glas auf den kleinen Tisch in der hinteren Ecke, direkt vor den Fenstern. "Ich wünsche Euch eine gute und ruhige Nacht, Miss Kindred.", wünscht sie mir und auch ich wünsche ihr dies, bevor sie aus dem Zimmer geht und ich erst einmal die halbe Glaskaraffe austrinke. Durst war da! Jetzt nicht mehr. Der schwarzhaarige verbindet mich stumm, ehe auch er aus dem Zimmer geht.

Zwar würde ich gern noch aufbleiben und einfach nur das Anwesen erkunden, aber das käme wahrscheinlich mehr als nur komisch. Und es wäre verdammt auffällig. Außerdem bin ich auf die Gnade von Ciel angewiesen, hier schlafen zu können. Also gehe ich wieder zum Bett und fange an, dass an sich gerade erst frisch angezogene Zeug wieder auszuziehen. Das Nachthemd drüber und die Kleidung für den Tag lege ich über den Stuhl bei dem Tisch. Als ich mich hinlege und schlafen will, mache ich meine Augen wieder auf, die ich gerade erst geschlossen habe. Meine Blase meldet sich. Also gut. Aufstehen, aus dem Zimmer und dann... ehm... gute Frage. Wo ist hier das Klo? Denn in dem Bad, in welchem wir waren, habe ich keine Toilette gesehen. Wo also ist das verdammte Ding?

"Miss Kindred?" Überrascht, springe ich auf die Seite und kann mir einen Aufschrei gerade noch so verkneifen, ehe ich Sebastian sehe. Ich beruhige mich selbst wieder und richte mich dann wieder auf. "Mister Michaelis... Das war ein Schock...", murmle ich und sofort verneigt sich der schwarzhaarige. "Es tut mir untertänigst leid, dass ich euch erschrocken habe. Das war in keinerlei Hinsicht meine Intention." Ich winke ab. "Egal... ich bin in letzter Zeit eh etwas... schreckhaft. Das liegt nicht nur an Euch." Als er sich aufrichtet mustert er mich. "Braucht Ihr etwas?", fragt er und ich wackle mit dem Kopf. "Halb und halb. Wo ist denn die nächste Toilette?" Kurz irritiert, deutet er mir an, mir zu folgen und bringt mich zu einem weiteren Bad. Näher, als das, in welchem ich vorher war. Erst danach gehe ich ins Bett und brauche nicht lange, um zu schlafen.

Die Jagd nach dem Dolch - Der erste TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt