Hafen

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Gemeinsam mit Undertaker, der wieder in seiner normalen Form und mit dem Hut unterwegs ist, gehen wir zum Hafen. Die Möwen kann man schreien hören. Brüllen von Männer. Befehle. Anweisungen. Das Knarzen der Schiffe. Das Plätschern des Wassers. Kisten werden herum getragen. Männer und Frauen verabschieden sich. Zwischen den Handelsschiffen kann ich auch Schiffe sehen, die nicht so wirklich der gehobenen Klasse entsprechen. Aber sie sind noch relativ sauber. "Komm, kleines Röslein. Ich weiß, wo sich wahrscheinlich die besseren Informanten aufhalten. Und ich denke mir, dass du das sicherlich aushalten wirst. Bleib nur bei mir und dir wird nichts geschehen.", meint Undertaker, schnappt sich mein Handgelenk und zieht mich hinter sich her, an den Docks entlang und in eine dunkle Gasse.

Immer weiter. Durch kleinere Durchgänge. Zwielichte Gestalten kommen uns entgegen und ich verziehe nur minimal mein Gesicht, da ich anscheinend ziemlich abgecheckt werde. Kichernd zieht mich Undertaker weiter und lässt meine Hand erst wieder los, als wir nach einem Labyrinth aus Gassen wieder auf eine einigermaßen weite Ebene kommen. Sofort kommt mir die Stimmung um einiges fieser vor. Auch hier ist ein Hafen. Aber... um einiges zwielichtiger, als in dem vorheriger. Auch die Gestalten sind anders. Die Kleidung zerfetzt. Nur hin und wieder hört man das Brüllen eines Mannes. Der Geruch ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig. "Willkommen im richtigen Hafen, wenn du etwas brauchst!", ruft Undertaker und ich sehe mich um. "Hm... könnte mich glatt hieran gewöhnen.", murmle ich und gehe voraus. Sofort werde ich nach hinten gezogen. "Na, na! Ich hab doch gesagt, bleib bei mir." Der grauhaarige bringt mich dazu, wieder neben ihm zu sein. "Du willst doch nicht wissen, wie es sich anfühlt, wenn jedes einzelne deiner Blütenblätter herausgerissen wird, nicht wahr, kleines Röslein?" Gut, darauf kann ich wirklich verzichten.

Wir gehen an vielen der schäbig wirkenden Schiffe vorbei. Ich werde von den Männern skeptisch angesehen und am liebsten würde ich den ein oder anderen Spruch raushauen! Aber mein Leben ist mir dann doch lieber. Ich kann Musik hören und drehe meinen Kopf in die Richtung. Wow. Ist das... Diese originale Piratenmusik? Hört sich zumindest so an. Wie hypnotisiert, gehe ich zu der Taverne und werde wieder zurück gezogen. Undertaker schüttelt den Kopf. "Ganz dumme Idee. Da ist gerade die Meute aus dem deutschen Kaiserreich drin. Wenn du dich da rein wagst, hast du einen Todeswunsch oder willst vergewaltigt werden. Zumindest, wenn du ein Mensch bist." Mit einem zufriedenen Lächeln ziehe ich meine Hand aus seinem Griff. "Ich habe nichts dergleichen. Aber das heißt noch lange nichts.", erwidere ich und Undertaker zeigt mir für einen kurzen Augenblick die grünen Augen. "Du kannst nicht einmal die Sprache!" Kichernd, hebe ich mein Kinn. "Ich komme aus dem Land, Undertaker. Heißt später Deutschland." Und ohne auf eine weitere Warnung zu achten, gehe ich rein.

Die Taverne ist ein wenig abgedunkelt. Männer sitzen auf Stühlen und trinken Alkohol. Ziehen Frauen zu sich und grölen. Tatsächlich kann ich deutsch wahrnehmen und sehe zu der kleinen Gruppe, die die Musik spielt. Lächelnd, gehe ich ein wenig näher zu ihnen und höre ihnen zu. Tippe im Takt mit dem Fuß dazu und mir fallen die ein oder anderen Lieder von Santiano ein, die hier sehr gut hinein passen würden. Es dauert nicht lang, bis ich die Aufmerksamkeit von jemandem errege. Undertaker ist zwar auch mit hinein gekommen, hat sich aber zurück gezogen. Sieht nur aus einer entfernten Ecke zu. "Hey, Mädchen!", ruft einer auf Deutsch zu mir und ich sehe zu ihm. "Sing!" Perplex deute ich auf mich und lege den Kopf schief. Der Kerl mit dem halben fehlenden Gebiss und der Körperhygiene, die er wohl vor drei Jahren vergessen hat, lacht und hebt seinen Krug. Erregt so die Aufmerksamkeit der anderen, die auch mit einstimmen. Betrunken genug, dass sie meine Stimme aushalten könnten, wären sie.

Und wenn man bedenkt, dass ich Informationen brauche... wieso nicht? "Ich bin dabei!", rufe ich lachend zurück und gehe zu den Männern, die die Musik machen. Sie stoppen und es wird still. Mit ihnen mache ich aus, was sie spielen sollen. Eine Violine. Eine Flöte. Ein Akkordeon. Das Schlagzeug kann ich selbst mit dem festen Auftreten meiner Füße nachahmen. "Wem ist Rungholt kein Begriff?", rufe ich fragend und es ist still. Niemand antwortet und ich schmunzle. "Dann werden wir ja sehen, wie Ihr damit klar kommt.", flüstere ich und gebe das Zeichen, dass sie anfangen können. Trete mit meinem Fuß im Takt auf und grinse. "Von der Nordsee, der Mordsee vom Festland geschieden, liegen die friesischen Inseln im Frieden. Und zeugen der weltenvernichtenden Wut." Die Nervosität ist nach der ersten Strophe verschwunden und schon bald stimmen die grölenden Männer bei 'Rungholt' ein und wir haben eine wahnsinnig gute Stimmung hier.

Zufrieden nehme ich wahr, dass sie mehr wollen. Und ich bin gerade in guter Stimmung. Meine eigentlich schräge Stimme ist wohl offensichtlich gut genug für solche Lieder. Wieder gebe ich den Männern Bescheid, was sie machen sollen und schnappe mir selbst eine Gitarre. Die paar Akkorde kann sogar ich spielen, die in dem Lied auftauchen. Ein wenig Vorspiel von den Männern, bis ich einsetze. Mit Gitarre und Stimme. "Es war ein Sonnenklarer Tag, der Bug schritt durch die See wir machten fahrt. Als sich dort am Horizont ein großes tiefes schwarzes Loch auftat. Trotz blanker Hans Klabautermann mir scheint da draußen braut sich was zusamm'." Die Stimmung wird immer besser und ich tue mein Bestes, hier alle irgendwie zu unterhalten. Auf Deutsch geht das um einiges besser, muss ich zugeben. Einige Frauen, wahrscheinlich Prostituierte, fangen an, zu tanzen und die Männer hinter mir können sogar hin und wieder mitsingen, was noch einmal extra Stimmung bringt.

Mir wird ein Bier gebracht und ich lasse die Männer allein wieder weiterspielen. Ich werde zu dem Kerl gewunken, der anfangs gerufen hat, dass ich singen solle. Zwar werde ich auf seinen Schoss gezogen, gebe ihm aber nur einen warnenden Blick. "Lass die Finger bei dir. Oder ich hack sie dir ab.", gebe ich von mir und er lacht, ehe ich das Bier exe und den leeren Krug auf den Tisch stelle. "Im Austausch dafür, dass ich dir die Ständchen gesungen habe..." Der Kerl grinst. "Oho... Das Weib hat Mumm! Ich mag das!", meint er und lacht noch einmal, bevor er ein weiteres Bier ordert, welches mir auch sofort gegeben wird. "Ich denke mal, dass du was brauchst, Mädchen. Was kann ich dir geben. Als ehrlicher Freibeuter der Meere. Ich muss doch einer der meinigen helfen, nicht wahr?" Lachend kippe ich das nächste Bier runter und sehe auf ihn runter. "Ich hab da jemanden, der mich töten will. Und ich will ihn zuerst umbringen, bevor er es bei mir tut. Haben wir einen Deal? Nur ein paar Informationen. Mehr nicht. Kein einschreiten. Den Bastard bringe ich selbst um." Er leckt sich über die Lippen und lacht. "Der Kerl muss echt Mumm haben, wenn er dich umbringen will. Du hast genug Mumm, um einem Käpt'n etwas zu verbieten!", lacht er und die anderen Lachen mit. Doch sein Blick wird ernst. "Niemand in meinem Favoritenkreis wird bedroht. Erzähl mir ein bisschen was, Schätzchen."

Die Jagd nach dem Dolch - Der erste TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt