Mein Herz pochte unruhig unter den vielen Lagen von seidenen Stoff vor sich hin. In den zwei vergangenen Tagen war es kälter geworden und das Wetter hatte sich nicht sonderlich gebessert. Es regnete zwar nicht mehr, doch schien nur selten die Sonne vom Himmel herab. Um das Schloss herum hatten die Elben Zelte aufgeschlagen. Die letzten waren gestern Abend angekommen und in ein paar Minuten war die große Versammlung. Die meisten drängten sich bereits dicht aneinander vor dem relativ kleinen Potest. Es war hoch genug, sodass mich alle sehen und hören konnte, doch viel mehr auch wieder nicht. Mit ein wenig Magie hatte ich noch meine Stimme verstärkt, sodass mich auch wirklich alle verstehen konnten.
Nur zu gerne hätte ich wie beim letzten Mal Rodwen neben mir gehabt, welche nun von Gwaihir ersetzt wurde, der Elb, welcher sich so für die Reise eingesetzt hatte. Ich hatte es für das beste gehalten ihn bei mir zu haben, da ich in gewisser Hinsicht die andere Seite darstellte. Ich hatte mich immernoch nicht so wirklich entschieden, ob ich mitkommen wollte, wenn sie die große Reise antreten wollten. Alle Anwesenden wussten bereits worum es ging und hatten sich eine Meinung gebildet.
Meine Finger krallten sich leicht in den flauschigen Stoff meines Mantels. Es war derselbe, den ich auch bei meiner Krönung getragen hatte. Traditionell führten vom Saum ein Gewirr von Ranken, Sträuchern, Ästern, Blättern oder Bäumen etwa bis zur Hälfte. Von dort an bildeten noch vereinzelte Ranken teilweise das königliche Wappen, Figuren und verschiedenste Formen. Alles war auf einem milchig-blauen Hintergrund mit einem großen weißen Saum auf der Kapuze, welcher weiter nach unten führte. Mein Vater hatte schon so einen Mantel getragen. Dieses Muster war zu einem Zeichen meines Volkes geworden.
"Ich bitte um Ruhe", erhob ich schließlich meine Stimme und augenblicklich verstummten alle um mich herum. Davor war ich relativ nervös gewesen, doch nun war alles verschwunden, was mir neues Selbstvertrauen gab. "Ich denke ihr alle wisst warum wir uns wieder versammelt haben. In Arda gibt es nur mehr wenige Orte des Friedens an denen wir leben können. Selbst Sinya Mar hat sich nicht als das herausgestellt, was es sein sollte. Seit vielen hunderten Jahren kursieren bereits Gerüchte über eine größere Reise in die Ewigen Lande. Ich wurde darauf hingewiesen, dass es wohl mehr Elben als erwartet sind", sprach ich und warf Gwaihir einen kurzen Blick zu, welcher steif geradeaus in die Menge blickte.
"Ich werde nicht lügen oder es verschönigen. Wir stehen einem weiteren großen Krieg bevor, welcher nicht leicht zu gewinnen sein wird. Es scheint, als ob wir auch hier keine Ruhe zu erwarten haben. Also frage ich nun wer sich trotzdem dieser Herausforderung stellen will und wer nach Valinor reisen will. Das hat nichts mit Angst oder Wegrennen zu tun. Ich weiß, dass viele schon vorher diesen Plan hatten. Diese Entscheidung mag wohl überlegt sein." Inzwischen hatte sich ein leises Gemurmel ausgebreitet, welches doch nicht so laut anschwoll, als dass es respektlos wäre. Ich legte eine kurze Pause ein und betrachtete die Gesichter um mich herum.
Als ich das Gefühl hatte, dass sie meisten sich genug besprochen hatten führte ich weiter: "Es gilt anzumerken, dass Kämpfen vielleicht keine Option mehr ist, wenn zu viele nach Valinor reisen." Zustimmendes Gemurmel und Nicken war die Antwort. "Jetzt mal ehrlich, wer vermisst denn nicht Bäume, Wälder, die frische Luft, die Kühle?", rief plötzlich jemand aus der Menge. Sobald ich mich dem Elben zugewandt hatte, hatte ich ihn bereits aus den Augen verloren, doch er bekam viele zustimmende Rufe. Ich verzog keine Miene, als ich merkte, dass mein Herz schwerer wurde. Konnte ich mein Volk überhaupt alleine ziehen lassen? War es nicht meine Pflicht als Königin sie heil dort anzubringen?
"Diejenigen, die kämpfen wollen stellen sich auf diese Seite und die anderen auf diese", befahl ich mit lauter Stimme und zeigte mit beiden Armen von mir weg. Nun schwoll die Lautstärke doch ein wenig mehr an, als sich alle zwischen den anderen hindurchdrängten und dabei trotzdem noch kurz besprachen was sie tun wollten. Dadurch dauerte es ein paar Minuten bis das Ergebnis erzieht war. Es überraschte mich kaum. Auf der Seite der Kämpfer, welche bloß etwa 100-200 zählten, konnte ich unschlüssige Gesichter erkennen. Sie würden sich dann wohl auch den anderen anschließen.
"Ich denke dann ist es eindeutig", sprach ich etwas leiser, doch die Menge war auch verstummt. Ich atmete noch mal kurz durch und drehte mich dann zu den Reisenden um. "Wir sollten so schnell wie möglich aufbrechen. Ich denke die meisten von euch werden ihre Sachen dabei haben. Der Rest kann sich Pferde nehmen, so viele wir haben, und noch schnell etwas holen. Wir werden morgen zu Sonnenaufgang aufbrechen", entschied ich und wartete ein paar Sekunden auf Fragen, doch die Elben verteilten sich bereits. Mir wurde unwohl bei dem Gedanken, dass ich gerade gesagt hatte, dass wir zusammen aufbrechen würden. Denn damit hatte sich auch mein Entschluss gefestigt: Ich wollte nicht mit. Wenn es meine Pflicht als Königin forderte, so würde ich es tun, doch letztendlich war es nicht mein Wunsch jetzt schon in die Ewigen Lande zu fahren.
Ich hatte das Gefühl Gwaihir wollte noch ein paar Worte an mich richten, doch ich Schritt bereits von dem Podium. Ich wollte für mich alleine sein, oder zumindest nicht in so einer großen Masse. Natürlich hatte ich noch andere Freunde, mit denen ich reden konnte, doch die hatten auch ihre Familien und bereiteten sich auf die Reise vor. Ich wollte niemanden stören oder zur Last fallen.
Ich zog meinen Kopf ein wenig gegen den Wind ein und betrat schnellstmöglich das Schloss. Wie sollte ich ihnen beibringen, dass ihre eigene Königin nicht mitkommen wollte?
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Die Bürden Einer Königin // Hobbit & Herr der Ringe FF
FanfictionUmbar, ein Gebiet südlich von Mordor, Zuhause der Korsaren, welche sich in der großen Schlacht zum Ende des dritten Zeitalters Sauron angeschlossen hatten, doch besiegt wurden. Welches Schicksal wird sie nun ereilen? Wollte nicht Aragorn, König von...