„Bitte was?", fragte ich vollkommen fassungslos. Caiden? Geldhinterziehung? War das ihr Ernst? Mein Herzschlag beschleunigte sich und das Blut begann in meinen Ohren zu rauschen. Nur mit Mühe verstand ich Samantha nächste Worte.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Finanzen nicht ganz so gut dastehen wie letztes Jahr, als mein Vater noch die Oberhand hatte. Daher habe auch ich meine Finanzierung in TiWo etwas zurückgeschraubt." Ich öffnete den Mund und wollte Caiden verteidigen, besann mich aber dann eines Besseren. Jetzt und hier war ich Journalistin und wenn Caiden wirklich Spenden für eigene Zwecke abzweigte, war ich es der Stiftung und den Spendern schuldig, dies zu beweisen. Daher steckte ich meine persönlichen Gefühle zurück und stelle Samantha eine Reihe an Fragen.
„Wann haben Sie davon das erste Mal gehört?"
„Kurz vor der Veranstaltung von TiWo zu Ehren von O'Neill. Meine Vermutung ist, dass er sich bei meinem Vater eingeschleimt hat, um den Posten als Vorsitzender zu bekommen. Jetzt hat er die Macht, das alles zu vertuschen."
Ich überging Samanthas Vermutung und konzentrierte mich auf die Fakten.
„Wissen Sie, von wie viel Geld wir hier reden?"
„Nicht genau, nein. Aber wir befinden uns im sechsstelligen Bereich." Meine Augen wurden groß, aber ich unterdrückte weiterhin den Drang, Partei zu ergreifen.
„Woher haben Sie die Information?"
„Von einem Freund, der bei TiWo arbeitet und genauso wie ich zweifelt, dass Caiden der richtige Mann für den Job als Vorsitzender ist."
„Was für Informationen waren das?"
„Finanzberichte aus den letzten Jahren, die alle ein paar Ungereimtheiten aufweisen. Buchungen zu denen es keine Belege gibt und so weiter. Aber was spielt das für eine Rolle?" Ich überging die Frage von Samantha und stellte die letzte und wahrscheinlich wichtigste Frage.
„Wieso Caiden O'Neill? Wieso denken Sie, er steckt dahinter?"
„Ganz einfach. Er hat die Gutherzigkeit unseres Vaters ausgenutzt und ihm weisgemacht, dass er ein durch und durch anständiger Mann ist, aber das ist er nicht. Er manipuliert, intrigiert und lügt, wenn er nur den Mund aufmacht. Diese lächerliche Rede auf der Veranstaltung ist doch ein perfekter Beweis", zische Samantha und jetzt zeichneten sich Wut und Abscheu Caiden gegenüber auf ihrem Gesicht deutlich ab. Das Blut war mit jedem weiteren Wort in ihre Wangen gestiegen. Zornesfalten durchzogen die eigentlich glatte Stirn der Frau und ihre Hände hatte sie fest in die Sessellehnen gepresst. Mit einem Mal sah Samantha Murphy nicht mehr ganz so hübsch aus.
„Was ist das Motiv?" Ich blieb äußerlich ruhig, auch wenn sich in mir ein beklemmendes Gefühl breitmachte. Ich vermutete, Samantha hasste Caiden abgrundtief. War er wirklich ein so schrecklicher Mensch, dass man ihn nicht mehr als Hass und Verachtung entgegenbringen konnte? Ich hatte einen anderen Eindruck gehabt. Aber was wusste ich schon? Ich kannte Caiden nicht wirklich. Hatte ich nicht genau das zu Charlie gesagt? Innerlich seufzte ich auf, als sich die ersten Zweifel zwischen meinen Beschützerinstinkt mischten.
„Ist das nicht offensichtlich? Caiden O'Neill ist bei einfachen Eltern aufgewachsen, die ihm nichts bieten konnten. Mit dem Geld der Stiftung kann er sich aber ein angenehmes Leben ermöglichen."
Caidens Vater hatte vielleicht keine Millionen auf dem Konto, aber er war ein verdammt anständiger und herzlicher Mensch. Ich war mir sicher, dass Caiden mit einer elterlichen Liebe großgeworden ist, wie man sie selten sah. War Caidens Hintergrund etwa der einzige Grund, warum sie ihn und niemand anderen beschuldigte? Die Zweifel begannen sich so schnell wieder zu verflüchtigen, wie sie gekommen waren. Auch wenn ein kleiner Rest noch blieb.
DU LIEST GERADE
Color of your Voice
RomanceFreundlichkeit ist eine Sprache, die taube Menschen hören und stumme Menschen sprechen können. „Timbre of the World" - eine Stiftung, die taube und stumme Menschen unterstützt, hat einen neuen Vorsitzenden: Caiden O'Neill. Für einen Artikel nimmt Am...