Kapitel 3

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Regulus

Hab ich schon erwähnt, dass meine unfassbar tollen Zimmernachbarn beide schnarchen? Es hört sich jede Nacht so an, als hätten sie eine Wette darum abgeschlossen, wer von ihnen mich schneller um den Verstand bringen kann. Vielleicht haben sie das ja. Vielleicht sind sie beide wach und tun nur so, als würden sie Schnarchen, weil sie mich hassen wie die Pest. Das sagen zumindest die sadistischen Grinser, die sie mir zuwerfen, als ich am Morgen mit tiefen Augenringen und höllischen Kopfschmerzen aufwache.
Ich hab echt beschissen geschlafen. Abgesehen davon, dass die zwei Ignoranten, mit denen ich mir das Zimmer teile, mich mit ihrem Schnarchen in den Wahnsinn getrieben haben, hab ich nämlich, als ich irgendwann eingenickt bin, auch noch einen herrlichen Alptraum gehabt. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern - irgendetwas mit Eulen und Briefen und meinen Eltern und James Potter, der mir sagt, dass ich etwas essen soll.
Ich sollte wirklich etwas essen. Meine Hände sind ganz zittrig und jedes Mal, wenn ich aufstehe, dreht sich alles, als würde mein Kreislauf mir ins Gesicht treten. Aber ich möchte nicht in die Halle. Ich krieg dort keinen Bissen runter. Es fühlt sich an, als würden mich alle anstarren. Als würden mir alle beim Essen zusehen.
Ich hab mich immer in die Küche geschlichen und die Hauselfen um etwas gebeten. Damit hab ich mich dann im Schlafsaal versteckt. aber ich glaube, sogar die Hauselfen sind mittlerweile genervt von mir. Und das ist schon echt traurig, weil es quasi ihr Job ist, nicht von irgendwem genervt zu sein.
Also gehe ich in die Halle. Und beim Anblick des gerappelt vollen Slytherin-Tisches will ich direkt wieder umdrehen. Okay. Ich muss nur kurz dort hin. Nur ganz kurz. Für einen Moment. Ich hol mir einfach irgendein Stück Brot oder so. Dann kann ich direkt wieder abhauen.
Aber Avery macht mir einen Strich durch die Rechnung. Gerade, als ich wieder abhauen will, fängt er an, irgendetwas von einem Fluch zu reden, den er gerade lernt. Ich tue so, als würde ich ihm zuhören, schaue in Wirklichkeit aber genau an ihm vorbei, zu den Gryffindors. Ich sehe Sirius, wie er gerade irgendetwas in seine große Klappe stopft. Und Potter, wie er ihm leicht irritiert dabei zusieht. Und dann schaut er auf, und bemerkt mich. Was dumm ist, weil ich gestern noch gesagt habe, dass ich ihn nicht sehen möchte, ihn jetzt aber anstarre.
Da verstummt Avery, und es kostet mich nur einen kurzen Blick um zu erkennen, dass Snape, der unter dem Tisch seinen Zauberstab zwischen seinen Fingern hin und her rollt, ihm wohl irgendeinen Fluch aufgehetzt hat, damit er die Klappe hält. Vielleicht ist er ja doch nicht so übel.
Ein kurzer Blick zurück zu den Gryffindors—und Potter starrt mich immer noch an. Kurz macht es mir ein bisschen Angst. Nur ein bisschen. Nur kurz.

Es ist Dienstag. Es ist 17:39 Uhr. Vor einer Sekunde war ich noch in der Bibliothek und hab mich vor meinen unfassbar tollen Zimmernachbarn versteckt, weil ich sie heute nach der Verwandlungsstunde vor dem Klassenraum davon reden hören habe, dass sie mir irgendeinen dummen Fluch an den Hals hetzen wollen, oder so. Also bin ich weggelaufen. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann klingt das ziemlich erbärmlich. Als hätte ich Angst vor ihnen. Was ich nicht habe. Kein bisschen.
Irgendwann fiel mir dann ein, dass ich vielleicht beim Quidditchfeld auftauchen sollte. Auch, wenn ich keine Lust darauf habe. Absolut nicht. Wie viel Langeweile muss man haben, um freiwillig mit James Potter Quidditch zu spielen? Sehr viel, vermute ich. Oder auch einen Dachschaden, so wie mein Bruder.
Ich wette, mit Potter zu trainieren ist unglaublich nervig. Er ist zwar wirklich gut im Quidditch, aber was andere Dinge angeht, bin ich mir nicht sicher, wie ich das hier überleben soll. So arrogant, wie er ist, hört er mir wahrscheinlich gar nicht richtig zu. Und dann macht er irgendeinen dummen Fehler, und dann verletzt er sich, und dann müssen wir in den Krankenflügel, und dann bekommen wir Ärger, weil wir das Quidditchfeld benutzen, und dann-
Äh, ja. Genau.
Jetzt stehe ich im Schlafsaal, klopfe auf meinem Besen herum und beäuge die blasse Figur im Spiegel vor mir. Manchmal sehe ich in den Spiegel, und kann nicht glauben, dass das wirklich ich bin. Ich bin blass. Habe leichte Augenringe. Meine Sommersprossen, die ich definitiv absolut nicht leiden kann, fangen endlich wieder an, zu verblassen. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Und das tue ich.
Ich laufe durch den Gemeinschaftsraum, so schnell und unscheinbar, dass die drei Schüler, die am Kamin sitzen und Zauberschach spielen, mich gar nicht registrieren. Was auch gut so ist. Ein „Regulus, wo willst du denn mit dem Besen hin? Heute ist doch gar kein Training?" kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Vor allem, weil ich mich mit James Potter treffe. Wer weiß, was passiert, wenn das jemand rauskriegt? Gerüchte verbreiten sich hier wie ein Lauffeuer: Nur mit dem winzig kleinen Unterschied, dass es niemanden interessiert, was genau man nun eigentlich gehört hat. Man erzählt einfach das, was grade am besten passt. Was einen selbst am besten, und den anderen am schlechtesten dastehen lässt. Und ich kann den Leuten auch schlecht erzählen, dass ich mich mit Potter treffe, weil er mich mitten in der Nacht auf den Korridoren aufgesammelt hat, und dass ich mich jetzt von ihm bestechen lasse; Der Fakt, dass wir im selben Haus sind, hat die Slytherins noch nie daran gehindert, jemanden, der etwas Verbotenes getan hat, zu verpfeifen. Die meisten tun nur so, als wären sie auf deiner Seite, und wenn sie dann gehört haben, was sie hören wollten, lassen sie dich fallen wie eine heiße Kartoffel.
Am liebsten wäre ich sofort wieder umgekehrt und hätte mich mit einem Buch in meinem Bett verkrochen, als ich sehe, wie James Potter wie ein Wahnsinniger um die menschenleeren Zuschauertribünen fliegt. Er geht mir jetzt schon auf die Nerven, mit seinem Flugstil. Er fliegt so... ausgelassen. Als würde er genau das wollen. Als könnte er sich nichts besseres vorstellen, als durch die frische Herbstluft zu kurven. Als würde er das Gefühl, meterhoch auf einem Besen im Slalom um verdammte Tribünen zu fliegen, mit dem Hintergedanken, er könnte jeden Moment abstürzen und sterben, allen Ernsten mögen. Als würde er es toll finden, wie er nur vermuten kann, dass seine Hände ihm noch immer Halt geben, weil sie mit der Zeit ganz taub vor Kälte werden.
Ich werde wohl nie verstehen, wie es ist, mir den Wind ins Gesicht peitschen und ihn meine Wangen röten zu lassen, weil ich es eben möchte. Und das Gefühl, auf den Boden zuzurasen und kurz davor wieder vom Kurs abzulassen, und das Verlangen danach zu spüren, es immer wieder zu tun.
Etwas zu tun, und es immer und immer wieder tun zu wollen.

D E A L | Jegulus-FanFiction DeutschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt