19 - Lieblingsbücher

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19 - Lieblingsbücher

In den folgenden Wochen verbrachten Hope und Jela viel Zeit miteinander. Sie hatten zwar keinen Unterricht zusammen – logisch, sie waren ja in unterschiedlichen Jahrgängen. Aber sie trafen sich nachmittags in der Bibliothek, lernten gemeinsam, diskutierten über Bücher, die sie gelesen hatten, spielten Scrabble oder Mau-Mau und unterhielten sich.

Tatsächlich schaffte Hope es auch ein paarmal, sich mit Grischa und Jela gemeinsam zu treffen. Und wie sich herausstellte, kamen die beiden durchaus miteinander aus, wenn man ihnen ein Thema gab, bei dem sie einer Meinung waren (und offenbar mochten sie beide Hope, was für sie ein ungemeiner Vorteil war, den sie durchaus bereit war, auszunutzen, um ihre Zeit nicht weiterhin unter ihnen aufteilen zu müssen).

Für Hope war es ein bisschen, wie ein neues Lieblingsbuch zu entdecken. Du liest den Titel und den Klappentext und weißt, dass dir das Buch gefallen wird. Und dann schlägst du es auf, und je weiter du liest, desto besser gefällt es dir.

Mit Jela war es ähnlich. Als sie sich Anfang Januar auf eine Freundschaft geeinigt hatten, hatte sie gewusst, dass sie Jela mochte. Doch je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto mehr Dinge entdeckte sie an ihr, die ihr gefielen. Und ganz wie man ein Buch, was man wirklich gerne mag, nur ungern aus der Hand legte, versuchte Hope, möglichst viel Zeit mit Jela zu verbringen. Und mit Grischa natürlich auch. Er war schließlich ihr Freund.

Wir Menschen sind Poeten.", las Jela gerade vor. Sie saßen zu dritt in der kleinen Leseecke der Bibliothek. „Wir schreiben Geschichten mit dem Leben, wenn Vergnügen und Glück sich mit Tränen verweben..."

Hope musste Lächeln. Sie hatte eine ganze Weile gebraucht, um Jela zu überreden, ihr ihre Gedichte vorzulesen.

...wir schreiben Romane und Gedichte, wir lieben und leben und schreiben Geschichte..."

Mittlerweile allerdings zeigte Jela ihr regelmäßig ihre neuesten Werke und Hope liebte jeden Vers. Jela hatte Potential. Grischa konnte sich zwar nicht so richtig für die Poesie begeistern (er war eher ein Comic-Typ), aber er war zumindest beeindruckt, wie viele Gedichte seine Schwester schrieb.

...wir wollen die Welt mit Worten verbessern, mit Liedern die Pflanze des Friedens wässern, Hoffnung schöpfen, indem wir Verse beten und Gedichte spiegeln was wir uns wünschen..."

Plötzlich fiel Hope der Sommerkurs wieder ein, auf den sie Jela im November hingewiesen hatte.

Als Jela fertig gelesen hatte, fragte sie also:

„Sag mal, hast du dich jetzt eigentlich für dieses Autorenprogramm beworben?"

„Was für ein Autorenprogramm?", fragte Grischa neugierig und klappte den Doctor-Strange-Comic zu, hinter dem er sich während Jelas Rezitation vergraben hatte.

„So ein Kurs im Sommer, wo junge Autoren sich treffen und austauschen und Kontakte knüpfen können.", berichtete Hope. Auf Jelas Gesicht breitete sich ein riesiges Grinsen aus. Sie nickte und schlug ihr Notizbuch zu.

„Ich habe mich schon beworben, kurz nachdem du mir den Artikel damals gezeigt hast. Aber ich habe noch keine Antwort.", erzählte sie. „Die Bewerbungsfrist läuft irgendwie auch noch eine ganze Weile. Ich bekomme also frühestens im Februar oder März Bescheid. Trotzdem danke, für den Tipp." Sie schenkte Hope ein Lächeln, die damit begonnen hatte, ihre Bücher zurück in die Regale zu sortieren.

„Schickt dir dein Vater immer noch Zeitungsartikel?", fragte Jela und begann ebenfalls, ihre Bücher zu ordnen. Hope kam zum Tisch zurück und fing an, ihre Stifte wieder in ihre Federtasche zu packen.

Schmetterlinge fürchten sich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt