16 - Oma Hannas Lebensweisheiten
Das Weihnachtsfest war spitze. Sie hatten viel Spaß, spielten einige Runden Mau-Mau und Leo wurde in die Grundregeln des Schachs eingewiesen (woraufhin er Hope natürlich nicht sofort besiegte, nein, auf keinen Fall). Die Geschenke waren ebenfalls ein großer Erfolg und so verbrachten sie auch alle jeweils mindestens eine Stunde damit, Leo beim Zusammenbauen seines Eisenbahnmodells zuzuschauen, das Opa Michael und Oma Hedwig ihm geschenkt hatten.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag waren die Eltern von Hopes Vater, Peter und Hanna, zu Besuch, was natürlich noch einmal einen Austausch von Geschenken bedeutet hatte und der Tag endete damit, dass Leo auf Opa Peters Schoß über seinem neuen Ausmalbuch einschlief.
Der siebenundzwanzigste Dezember war ein Dienstag und Hope freute sich beim Frühstück wahnsinnig darüber, dass ihre Eltern beide nicht arbeiten mussten, denn das bedeutete, dass sie die ganze Woche Zeit haben würden, etwas mit ihnen zu machen. Heute aber stand erst etwas anderes an: Hope und Leo würden den Tag bei ihren Großeltern verbringen und Oma Hanna hatte Hope bereits gestern zugesteckt, dass ihre Eltern die Zeit nutzen würden, um auf ein Date zu gehen. Die Vorstellung fand Hope irgendwie süß, wenn auch ein bisschen verstörend. Es waren immerhin ihre Eltern!
Wie auch immer, Hope würde den Tag genießen und einfach versuchen, nicht darüber nachzudenken, was ihre Eltern gerade taten...igitt, schimpfte sie auch selbst, denn dieser letzte Gedanke war in eine Richtung gegangen, die sie absolut nicht haben wollte, vielen Dank.
Schnell kehrte sie gedanklich zu ihrem Honigbrot zurück. Das war wirklich ein großes Manko des Internats: es gab keinen vernünftigen Honig!
Ihr Vater erzählte gerade eine lustige Begebenheit von einem der letzten Kongresse, auf denen er gewesen war. Hope lachte bei der Vorstellung eines ausgebildeten Chemikers, der in der Verteidigung seiner These zwei Begriffe verwechselte, die sogar sie kannte.
„Weißt du eigentlich schon, was du nach der Schule machen willst?", fragte ihre Mutter. „Jura würde sicher gut zu dir passen."
„Ich glaube, ich würde so ziemlich alles lieber studieren als Jura.", erwiderte Hope.
Sie sah, dass ihre Eltern einen kurzen Blick tauschten, den Hope nicht ganz zuordnen konnte.
„Und was willst du dann machen?", erkundigte sich ihr Vater interessiert. Hope zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, aber ich habe ja auch noch anderthalb Jahre Zeit, mir das zu überlegen."
„Also ich will Lokführer werden!", verkündete Leo aufgeregt. „Oder Lokbauer..."
Hope wuschelte ihm durch die Haare.
„Du wirst ganz bestimmt ein prima Lokführer. Willst du nicht trotzdem erstmal zur Schule gehen?", fragte sie schelmisch. Leo nickte wild.
„Sind alle fertig?", fragte ihre Mutter jetzt, die bis eben liebevoll ihre beiden Kinder in der Interaktion miteinander beobachtet hatte. Alle nickten und sie begann, den Tisch abzudecken, wobei ihr ihr Mann und ihre Tochter auch sogleich zur Hand gingen. (Leo half natürlich ebenfalls und sie hätten mit Sicherheit deutlich länger gebraucht, wenn nicht jemand die einzelne Packung Frischkäse zum Kühlschrank getragen und dann schnurstracks wieder angefangen hätte, mit seiner Eisenbahn zu spielen.)
„Gehen wir jetzt zu Opa und Opa?", wollte Leo wissen. Hope grinste, egal wie oft sie ihn korrigierten, er konnte oder wollte sich nicht merken, dass er auch eine Oma hatte (eigentlich ja sogar zwei). Statt ihn erneut darauf hinzuweisen, nickte sie also einfach und schnappte ihn sich, ihn über ihre Schulter werfend. Er quietschte wie wild und trommelte auf ihren Rücken ein, bis sie ihn im Flur wieder auf den Boden ließ und ihm, bevor er was sagen konnte seine Mütze überstülpte, sodass er nichts mehr sehen konnte.
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Schmetterlinge fürchten sich nicht
Teen Fiction(vorher veröffentlicht als "Schritte im Sand") Hope ist hin und weg, als sie die Kudrjawzew-Zwillinge kennenlernt. Denn die beiden rütteln ihr monotones Internatsleben ganz schön wach. Während Jela ihr mit ihren Russischvokabeln hilft und sich zwisc...