Schmetterlinge fürchten sich nicht

27 - Nicht normal

Auf geht's! Mein absolutes Lieblingskapitel! Das Kapitel, in dem sich alles ändert und die Hälfte der Tags dieser Geschichte endlich nachvollziehbar werden! Ich freue mich über jede Rückmeldung!

~~~~~

27 - Nicht normal

Hope rieb sich nervös die Hände an ihrer Hose ab. Sie stand draußen vor Haus 5 und war in wenigen Minuten, bzw. eigentlich schon vor wenigen Minuten, mit Grischa verabredet. Es war ungewohnt, nervös zu sein, bevor sie ihn sah. Aber heute war ja auch etwas Besonderes. Heute würde sie ihm endlich das geben, worauf er sicher schon seit Monaten in ihrer Beziehung wartete.

Entschlossen drückte sie auf die Türklingel und wartete, bis der Betreuer des Hauses sie öffnete. Er und sein Kollege kannten Hope mittlerweile, da sie seit September doch ziemlich oft hier gewesen war und so ließ er sie, ohne zu diskutieren, nach oben. Sie hatte ein paarmal überlegt, sich mit ihm in ihrem Zimmer zu treffen, aber zum einen waren Jungen in den Mädchenhäusern noch weniger gern gesehen, als Mädchen in den Jungenhäusern und zum anderen war einfach immer mindestens eine ihrer Mitbewohnerinnen dort und das hätte vermutlich nur viele seltsame Fragen zur Folge gehabt (sie erinnerte sich noch gut daran, wie sehr sie sich auf Kosten des armen Ollie lustig gemacht hatten, als Amélie ihn einmal mitgebracht hatte).

Grischas Zimmer bot deutlich mehr Privatsphäre, da er zum einen nur zwei Mitbewohner hatte und zum anderen diese beiden so nah wohnten, dass sie jedes Wochenende nach Hause fuhren. Das hatten er und Hope gnadenlos für Filmabende, viele Runden Mensch-ärgere-dich-nicht (Hope hatte noch nie in ihrem Leben so viel geschummelt), peinliche Tanzeinlagen und, bei einer unvergessenen Gelegenheit, Yoga ausgenutzt. Grischa hatte es vorgeschlagen, weil er die Vorstellung witzig fand, aber sie hatten sich viel zu sehr übereinander lustig gemacht, als dass sie ernsthaft ihre innere Mitte hätten finden können (oder wie auch immer das hieß), selbst wenn sie es wirklich versucht hätten.

Also ja, Hope verband viele lustige Abende mit Grischa und diesem Haus und heute würde sich da noch eine ganz besondere Erinnerung dazugesellen. Sie straffte die Schultern und klopfte an Grischas Zimmertür.

Er öffnete sie innerhalb von Sekunden mit einem strahlenden Lächeln und umarmte sie zur Begrüßung. Hope verlor eine Spur ihrer Unsicherheit. Sie mochte Grischa. Was machte es, dass sie keine Schmetterlinge im Bauch hatte, wenn er sie küsste? Er war ein großartiger Kerl und es gab sicher schlechtere Kandidaten für das, was Hope vorhatte.

Das Problem war nur, dass sich Hope bis ins kleinste Detail ausgemalt hatte, was sie mit ihm machen würde – aber sie hatte nach vier Tagen fast ununterbrochener Überlegungen immer noch keine wirkliche Idee, wie sie da hinkommen wollte. Sie hatte sogar Amélie gefragt, deren wahnsinnig hilfreiche Antwort gewesen war: Es ergibt sich eben so.

Hopes Masterplan war also Spontanität.

„Wollen wir einen Film schauen?", schlug sie vor und ließ sich auf Grischas Bett fallen. Er sah überrascht nach draußen – das war vielleicht auch kein schlechter Einwand, schließlich war zwei Uhr mittags nicht unbedingt die klassische Zeit, Filme zu schauen. „Oh, oder wir können die zweite Folge von dieser Serie sehen, die du mir letztens gezeigt hast?"

Grischa schien noch immer etwas überrascht von ihrem Vorschlag.

„Ich dachte, du fandest die erste Folge ganz schrecklich und wolltest vergessen, sie je gesehen zu haben?", fragte er erstaunt. Hope zuckte mit den Schultern und versuchte sich an einem schiefen Grinsen. Da hatte er natürlich recht, aber zu ihrer Verteidigung hatte sie ja auch nicht vor, wirklich allzu genau hinzuschauen.

„Ich hab's mir anders überlegt.", sagte sie nur. Grischa sah für einen Moment so aus, als wolle er protestieren, aber dann beschloss er wohl, dass er nicht nochmal eine zweite Chance bekommen würde, sie von seiner aktuellen Lieblingsserie zu überzeugen, also griff er nach dem Laptop auf seinem Schreibtisch und setzte sich zu Hope aufs Bett.