8 - Museen für moderne Kunst
Am darauffolgenden Wochenende wartete Hope Samstag, 9:43 Uhr an der Bushaltestelle vor dem Internatscampus auf die Linie 243, die in die Stadt fuhr. Neben ihr stand Grischa, hibbelig wie immer, der ununterbrochen redete und immer wieder mit der Hand durch seine dunkelblonden Haare fuhr.
Anders als geplant fuhr Hope tatsächlich nur mit ihm in die Stadt. Jela schrieb am Montag eine Mathearbeit und da Mathe nicht ihre Stärke war, brauchte sie die Zeit einfach, um zu lernen. Und die Mädels aus Hopes Zimmer waren zunächst Feuer und Flamme gewesen, hatten dann aber plötzlich alle etwas Wichtiges vor, als Hope erwähnte, dass Grischa mitkommen würde.
„Wir wären euch sowieso nur im Weg!", hatte Alina mit einem völlig übertriebenen Augenzwinkern erklärt. „So könnt ihr ein bisschen Zeit zu zweit verbringen und wer weiß...es könnte alles passieren."
Amélie hatte daraufhin breit gegrinst und mit den Augenbrauen gewackelt und Hope hatte gerade noch ein Seufzen unterdrücken können. Ihre Freundinnen wollten sie wohl unbedingt verkuppeln. Aber Hope mochte Grischa und ihre Gespräche waren immer sehr nett und von daher hatte sie beschlossen, sich nicht weiter um die Meinungen der anderen Mädels zu kümmern und stattdessen einfach den Tag mit ihm zu genießen. Als Freunde.
Grischa gab gerade eine Anekdote aus dem Chemieunterricht zum Besten und Hope beschloss, dass es vielleicht besser war, dass Jela nicht mitgekommen war. Bis auf das unangenehme Zusammentreffen vor einigen Wochen, bei dem sie Grischa kennen gelernt hatte, hatte sie die beiden genau zwei Mal in der Nähe voneinander gesehen. Das eine Mal waren sie sich auf dem Korridor begegnet und hatten sich gegenseitig komplett ignoriert, das zweite Mal hatte Jela ihrem Bruder wortlos ein Ladekabel hingehalten, er hatte es genommen, kurz genickt und sie waren wieder getrennter Wege gegangen. Nach so kurzer Zeit konnte Hope nicht wirklich behaupten, die beiden gut genug zu kennen, um ihre Beziehung einschätzen zu können. Aber sie hatte den Verdacht, dass sich Grischa und Jela weniger nicht leiden konnten, als dass sie einfach grundverschieden waren und nicht wirklich etwas miteinander anzufangen wussten.
Es hätte also vermutlich keinen Streit gegeben, aber aller Wahrscheinlichkeit nach wäre Hope die dankbare Aufgabe zugefallen, den ganzen Tag ein Gespräch am Laufen zu halten, an dem sich alle drei beteiligen konnten. Sie war ein bisschen erleichtert, das jetzt nicht machen zu müssen, auch wenn sie es schade fand, keine Zeit mit Jela verbringen zu können.
„...auf jeden Fall war Max dann so: ‚Wetten, ich schaffe es, dass es in die Luft fliegt?' und ich hab gesagt: ‚Das ist nur Salzsäure, das kann gar nicht in die Luft gehen!' und er hat gesagt: ‚Wetten, doch?' und naja, Herr Treter war nicht so richtig glücklich und Max hat eine sechs bekommen und muss jetzt eine Woche lang den Chemieraum sauber machen.", erzählte Grischa gerade und Hope musste grinsen. Ja, Jungs von dem Kaliber hatte sie auch in ihrer Klasse gehabt.
„Bei uns hat mal jemand mit dem Bunsenbrenner die Jacke einer Mitschülerin angezündet.", berichtete sie. Grischa zog die Augenbrauen hoch.
„Ich dachte, Jacken sind im Chemieraum verboten?", fragte er irritiert. Hope zuckte mit den Schultern.
„Die Regel hatte unsere Chemielehrerin offenbar ziemlich auf die leichte Schulter genommen.", sagte sie. In diesem Moment tauchte der Bus an der Ecke auf, hielt an, Grischa und Hope, sowie vier oder fünf weitere Schüler und eine ältere Dame stiegen ein, kauften ein Ticket und suchten nach einem freien Sitzplatz. „Sie hat dann auch ziemlich Ärger mit der Schulleitung und den Eltern der anderen Schülerin bekommen.", schloss Hope ihre Erzählung. Sie griff nach einer Haltestange. Wenn man hier samstags in den Bus stieg, war es in der Regel unmöglich, einen Platz zu bekommen.
Weiter hinten verlangte die ältere Dame, die mit ihnen eingestiegen war, lautstark, dass eine junge Frau ihren Sitz für sie frei machen sollte. Die weigerte sich mit Hinweis auf die Krücken, die sie in der Hand hielt.
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Schmetterlinge fürchten sich nicht
Genç Kurgu(vorher veröffentlicht als "Schritte im Sand") Hope ist hin und weg, als sie die Kudrjawzew-Zwillinge kennenlernt. Denn die beiden rütteln ihr monotones Internatsleben ganz schön wach. Während Jela ihr mit ihren Russischvokabeln hilft und sich zwisc...