17 - Vor dem Feuerwerk

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17 - Vor dem Feuerwerk

Alla Fjodorowna Kudrjawzewa stand im Flur im ersten Stockwerk eines Einfamilienhauses. Sie war dreiundzwanzig Jahre alt, wie alle Frauen ihrer Familie nicht besonders groß, dafür aber stämmig gebaut und sie hatte dicke, dunkle Locken. In ihren bernsteinfarbenen Augen lag Entschlossenheit, als sie an die Tür klopfte, vor der sie die letzten paar Minuten gestanden hatte.

Im Zimmer waren dumpfe Geräusche zu hören, als sich ihre darin befindliche 15-jährige Schwester aus dem Bett schälte und dann zur Tür kam.

„Ja?", fragte sie und blickte durch den Türspalt. Alla senkte die Hand, die sie noch immer zum Klopfen erhoben hatte.

„Kann ich reinkommen?", fragte sie, leise, aber fordernd. Sie hatte lange darüber nachgedacht, ob sie dieses Gespräch führen wollte und jetzt, da sie sich einmal dazu entschlossen hatte, würde sie den Teufel tun und wieder umdrehen. „Ich würde gerne mit dir reden."

Ihre Schwester seufzte.

„Muss es jetzt sein? Ich bin müde.", murmelte sie leise.

„Du bist die ganze Zeit müde.", erklärte Alla und schob sich jetzt beinahe gewaltsam in den Raum hinein. Darin war es dunkel und stickig. Eilig schritt sie zum Fenster, zog die Vorhänge auf und öffnete es, sodass kalte Winterluft in den Raum strömte. Ihre Schwester hatte sich bereits wieder unter ihre Bettdecke verzogen und die Decke eng um ihre Schultern gezogen. Alla setzte sich auf die Bettkante. Leise sagte sie:

„Jela. So geht das nicht weiter." Sanft strich sie über die stumpfen Haare ihrer Schwester. „Komm mit runter."

Jela nickte ergeben. Alla war erleichtert. Sie wusste nicht, ob Jela tatsächlich bereit war, zu reden oder ob sie einfach aus dem eisig kalten Zimmer fliehen wollte, aber in jedem Fall war es ein Fortschritt. Bestimmt dirigierte sie ihre Schwester ins Wohnzimmer, wo sie ihr einen Tee und einige Schokoladenkekse vorsetzte.

„Iss. Du brauchst Zucker.", meinte sie und setzte sich ihr gegenüber. Jela trug einen dicken Pullover. Er war hellblau, sah selbstgestrickt aus und hatte ein orangenes H auf der Brust. Alla hatte ihn noch nie gesehen, aber sie sah Jela so selten, dass sie um ehrlich zu sein auch keinen wirklichen Überblick über ihren Kleiderschrank hatte.

Jela nahm sich einen Keks und begann, daran herum zu knabbern. Erst jetzt bemerkte Alla, dass Jelas Haare verfilzt waren, von ihren vielen kleinen Zöpfen war nichts mehr zu sehen. Offenbar hatte ihre Schwester sie aufgedröselt.

„Was hast du mit deinen Haaren gemacht?", fragte sie, um ihre Neugier zu befriedigen, aber auch um ein Gespräch anzufangen.

„Wo sind die anderen?", gab Jela eine Gegenfrage zurück.

„Schon bei den Hansens für Grischas Geburtstag und Silvester.", beantwortete Alla ihre zuerst, in der Hoffnung, Jela würde es ihr gleichtun. Leider war es anders.

„Warum bist du nicht auch da?", wollte Jela wissen.

„Ich wollte nicht, dass du das Jahr allein beginnst. Und deinen Geburtstag. Außerdem dachte ich, dass wir mal wieder Zeit als Schwestern verbringen könnten.", erklärte Alla also heiterer als ihr eigentlich zumute war. Kurz war es still, dann fuhr sich Jela durch die Haare und murmelte:

„Mein Therapeut hat gesagt, dass ich sie rausmachen soll, um weiblicher zu werden."

Alla verschluckte sich an ihrem Tee.

„Und wenn dein Therapeut sagt, dass du von einer Brücke springen sollst, machst du das dann auch?", fragte sie anklagend, sobald sie wieder reden konnte. Jela zuckte unsicher mit den Schultern. Alla richtete sich auf und blickte ihr direkt in die Augen.

Schmetterlinge fürchten sich nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt