Kapitel 1

261 18 21
                                    

Das blutige Spektakel, das in wenigen Sekunden stattfinden würde, passte nicht zu der fröhlichen Atmosphäre, die in der Luft lag.

Die Sonne stand an ihrem Zenit und flutete die Ränge, der aus Stein gebauten Arena, mit ihrem Licht.

Die Plätze waren komplett gefüllt und die Körper drängten sich dicht an einander. Nur an einem Punkt der Arena lichtete sich die Masse. Der kleine Balkon war etwas vorgelagert und auf ihm standen zwei Personen, die durch ihre prunkvollen Gewänder deutlich aus der restlichen Masse hervorstachen. Der junge Mann, dessen Haut aller Bräune entzogen war, trug einen schwarz - roten Anzug. Die Anzugsjacke war dabei so aufgeknöpft, dass jeder Blick auf die Kette an seinem Hals fiel. An ihr war ein goldener Ring befestigt. Eine Sonne mit sechs Strahlen war auf diesem eingraviert worden und kennzeichnete den Mann somit als Mitglied der königlichen Familie.

Seine Schwester, die neben ihm stand, präsentierte ihren Stand, indem sie ein tiefrotes Kleid trug, dessen Röcke sich ausladend auf dem Balkon verteilten.

Doch noch auffälliger war ihre rote Mähne, die in kleinen Locken über ihren durchgestreckten Rücken fiel.

Prinzessin Anastasia stand so aufrecht dar, dass kein Zweifel an ihrer königlichen Herkunft entstand.

So bildete sie das komplette Gegenteil zu ihrem Bruder Isaak, der sich locker auf die steinerne Brüstung des Balkons gelehnt hatte und die Arena zu seinen Füßen betrachtete.

Einer der vielen Verurteilten betrat gerade den staubigen Sand und zog somit die Aufmerksamkeit der anwesenden Vampire auf sich.

Der Mann war abgemagert und ein Mensch. Deshalb bezweifelte Anastasia, dass er sich lange auf den Beinen halten konnte. Außerdem konnte sie riechen, dass sowohl frisches, als auch getrocknetes Blut an seinem Körper klebte. Auch wenn dieser Geruch für einige Vampire verlockend wirken musste, verspürte sie keinerlei Verlangen danach von dem Mann zu kosten.

Viel lieber würde sie das Spektakel beenden und endlich zu ihrem älteren Bruder zurückkehren. Dieser steckte nämlich im Moment in wichtigen Verhandlungen, die ihren im Koma liegenden Vater betrafen. Anastasia hätte Alex bestimmt unterstützen können, doch diese Chance hatte er ihr nicht gewehrt. Stattdessen sollte sie sich zusammen mit Isaak das Spektakel in der Arena ansehen.

Das Einzige, was sie etwas beruhigte war, dass die Verhandlungen in ihrem Land stattfanden und somit kein anderes Wesen es wagen würde einen Streit anzuzetteln.

„Worüber grübelst du schon wieder, Schwesterchen?", riss Isaaks Stimme sie aus ihren Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihren Bruder, der sich jetzt entspannt mit dem Rücken gegen das Geländer gelehnt hatte.

Ein leichtes Seufzen verließ ihren Mund und sie meinte:„ Alex hat uns hier her geschickt, während er alles alleine machen muss. Wofür hat er denn eine Familie, wenn wir nicht da sind und ihn unterstützen können?"

Isaaks Stirn legte sich in Falten und man merkte deutlich, dass er sorgfältig über Anastasias Worte nachdachte.

Erst nach einigen Sekunden antwortete er mit einem kecken Grinsen im Gesicht:„ Ich persönlich habe kein Interesse daran, mich mit alten Hexenmeistern und dreckigen Wölfen auseinander zu setzen."

„Isaak, bleib doch bitte ernst."

„In Ordnung, Schwesterchen. Wie wäre es wenn wir Beide", Isaak zwinkerte ihr verschwörerisch zu, „uns einfach schon mal auf den Weg machen und ein wenig früher Alex besuchen."

Anastasia sah ihn empört an und fing geschickt eine ihrer Locken ein, um diese lang zu ziehen. Dann flüsterte sie ihm leise zu:„ Alex würde uns umbringen."

Nachtgeflüster - Der zersplitterte KontinentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt