Auszeit

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Als ich triefend nass ans Ufer tapte, streckte mir meine Mum bereits ein Handtuch entgegen. Nach dem Abtrocknen und Umziehen war mir jedoch immernoch sehr kalt. Ein Schleier aus kalter Nachtluft legte sich langsam über das Küstenstädchen.

Vielleicht nicht die beste Idee, so spät noch schwimmen zu gehen.

"Komm, wir fahren in die nächste Stadt, suchen uns ne coole Bar und trinken was! Ich hab mega Bock auf nen richtigen Rausch!" gluckste meine Mutter. Ich konnte ihr nur zustimmen, denn so konnten wir uns wenigstens den Abend noch retten.

Für die Fahrt brauchte ich aber unbedingt etwas warmes, trockenes zum Überziehen. Ich wühlte in meiner Tasche nach meinem Lieblingshoodie, doch konnte ihn nicht finden. Aber inmitten der Klamotten kam eine Kapuze zum Vorschein. Es war Milos königsblauer Hoodie, den er mir für meinen morgendlichen Duschgang gegeben hatte.

Ich wollte wirklich nicht den Pulli dieses Mistkerls anziehen, aber mir blieb keine andere Wahl, außer todkrank werden. Der Jeep hatte nämlich keine Fenster, sondern nur ein überspannbares Dach. Sehr luftig also.

Grummelnd zog ich ihn mir über. Oh mann, der Pulli riecht so gut.. nach ihm. Halt Stopp nichts da. Der riecht nach Arschloch. Er dient nur seinem notwendigen Zweck. Punkt.

Meine Mum und ich lächelte uns an. Diesmal saß sie hinterm Steuer.

Schon nach 20min Fahrt erreichten wir die nächste große Stadt und einige Minuten später kam der erste Club zum Vorschein. Meine Haare waren während der Fahrt getrocknet.
"Wo werden wir schlafen?" fragte ich meine Mum. "Da drüben ist ein Hotel. Hier hast du ein bisschen Geld, falls wir uns aus den Augen verlieren sollten.". Sie drückte mir mit einem Zwinkern einen grünen Schein in die Hand. "Aber übertreibs nicht!", mahnte sie mich.
Strahlend betraten wir die Bar. Ich, in dem Oversized-Hoodie und schwarzen Shorts und Mum in kurzer Jeans und Bluse.
Unsere Kleidung passte offensichtlich nicht zum Rest der Party, aber wen interessierte das schon. Die Bar war so überfüllt, dass man sein eigenes Wort nicht hören konnte, da aus allen Ecken lauthals Gespräche geführt und gelacht wurde.

Wir bahnten uns unseren Weg durch die tanzende Menge zum Alkohol. Der Typ hinter der Bar war ein schwarzhaariger, südländischer Schönling mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen.
"Was darfs für die hübsche junge Dame sein?" grinste er mich an.
"Einen Cuba Libre bitte !", rief ich ihm zu, da die laute Musik mit dem ohrenbetäubendem Bass es schwer machte, etwas zu verstehen.

Und da saß ich, mit meinem Cuba Libre, einem viel zu großen Pulli und leicht verheulten Augen an der Bar. Der Wind während der Fahrt hatte es noch verschlimmert.

Einige Gedanken gingen mir trotz dieser Ablenkung nicht aus dem Kopf. Und als wäre meine innere Stimme selbstständig geworden, schrie sie die ganze Zeit, "Ich will zurück! Ich will zu Milo und Pablo!"

Aber ich wusste, dass ich das nicht konnte. Sie haben den Fehler gemacht und mich verletzt. Sie müssen auf mich und Mum zukommen. Innerlich hatte ich schon Angst, ich würde sie nie wieder sehen. Aber wir haben ihren Jeep? Den wollen sie sicher zurück. Finden werden sie uns hier aber nicht so leicht.

Suchend sah ich mich nach meiner Mutter um, und fand sie schließlich auf der Tanzfläche um einen relativ gut aussehenden, aber älteren Typen geschlungen und bereits mit halbleerem Drink. Wenn einer Speed drauf hatte beim Party machen, dann Mum. Das kleine Sonnenscheinchen hatte ebenfalls kein Problem damit, neue Freunde zu finden. Vorallem männliche.

Gegen sie kam ich mir vor wie der Trauerklotz des Jahrtausends. Darauf nahm ich erstmal einen großen Schluck meines Drinks. Die Bar leerte sich und die Tanzfläche füllte sich. Grund dafür war wahrscheinlich die gute Musik, die der DJ jetzt spielte.

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