Gemischte Gefühle

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„Du bist ein was?!" entsetzt betrachtete ich die inzwischen wieder menschliche Gestalt vor mir.
Mit zittriger Stimme murmelte ich wirres Zeug vor mich hin und die Ungeheuerlichkeit des dunklen Waldes sorgte dafür, dass mein Adrenalin-Pegel nur noch mehr in die Höhe stieg.

„Du kannst doch nich...das ist doch ein alter Mythos..wie soll das gehen, ich meine...wenn..."
Hastig schnappte ich nach Luft.
Ich blinzelte einige Male, da meine Sicht allmählich komplett verschwamm. „Bitte sag mir das ist bloß ein blöder Traum, Milo" seufzte ich, verloren in meinen eigenen Gedanken.

Ich ließ meinen Blick um uns herum schweifen.
Alles pechschwarz. Bis auf einige Umrisse von Gestrüpp und Bäumen weit und breit nichts zu erkennen. Bis mein Blick an seinen glühenden, olivgrünen Augen hängen blieb.
Ich spürte wie sich seine warmen Hände an meine Wangen legten, er tief ausatmete und einen Schritt auf mich zu machte.

Er neigte seinen Kopf zu meinem, sodass sich seine verschwitzten Locken an meine Stirn pressten. Er schloss die Augen.
Ich spürte, wie meine Atmung sich langsam wieder etwas beruhigte.

„Ich bin kein Monster, vor dem man Angst haben muss" flüsterte eine leise, gekränkte Stimme in mein Ohr.
Es stellte mir die Haare auf, als sein warmer Atem über meine Haut blies.
Regungslos stand ich da und versuchte zu verarbeiten, was gerade geschehen war.
Milo drückte sich näher an mich heran und vergrub erschöpft seinen Kopf in meiner Schulter.

Ich konnte es in diesem Moment nicht wahrhaben, aber seine Nähe beruhigte mich auf eine Weise, die ich nie erwartet hätte.
Nicht in einer derartigen Situation.

Obwohl jede meiner Adern mit Angst gefüllt war, fühlte ich mich gerade für einen Moment sicher.

„Bitte lauf nicht weg, Freya. Tu mir das nicht an" flüsterte er, als er seinen Kopf wieder anhob und meinen Gesichtsausdruck intensiv musterte.

Verwirrt und kraftlos sah ich ihm in seine wunderschönen Augen. Mein ganzer Körper zitterte, teils vor Aufregung, teils vor Kälte.
Und obwohl das alles sowieso schon viel zu viel war, quetschte sich nun noch eine neue Emotion dazwischen.

Denn ich wollte ganz weit weg.
Weit weg vom Chaos.
Weit weg von der Gefahr.
Aber etwas hielt mich gleichzeitig hier in seinem Arm gefangen, und gab mir ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit.

„Ich werde nicht weglaufen" sagte ich mit fester Stimme, ohne selbst davon 100-prozentig überzeugt zu sein.

Überrascht blickte er auf mich herab und hielt für einen Moment inne.

Da standen wir, völlig verdreckt, teils blutverschmiert, in der Dunkelheit des Waldes.
Das einzige Licht kam vom Glühen seiner Augen, die einzige Wärme von seinem leicht bebenden Körper, und das einzige Geräusch von unserer hastigen Atmung.

„Du gibst mir also noch eine Chance?" fragte er vorsichtig und legte seine Hände um meine Hüfte. Ich nickte.
Ein kleines Schmunzeln zierte seine Lippen.
Dort, wo er seine Hände abgelegt hatte, ging nun die ersehnte Wärme auf mich über.
Obwohl ich verschwitzt und aufgeregt war, fror es mich etwas. Aber dem schenkte ich gerade am wenigsten Aufmerksamkeit.

So viele verschiedene Gefühle durchbohrten mich zur gleichen Zeit. Doch es gab eines, dass permanent immer stärker wurde.

Mein Blick war auf seine Brustpartie gerichtet, doch ich konnte seinen durchdringenden Blick trotzdem spüren. Meine Atmung beschleunigte sich mit dem Moment, in dem er seine Hand an mein Kinn legte, erheblich und kurz darauf hob er behutsam meinen Kopf an.
Unsere Blicke trafen sich und eine ungewohnte Spannung machte sich zwischen uns breit.

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