Delfine, Sand und Barbara

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Eine kleine, zierliche Flosse war gegen die Sonne zwar nur schwach, aber doch zu erkennen. Sie umkreiste Milo. "Er zieht schon seit er klein ist Tiere an.", gab Pablo - mit einem Hauch von Bewunderung - von sich.

Es war faszinierend, der Harmonie zwischen dem kleinen, zierlichen Wesen und Milo zuzusehen.

Mir fiel auf, wie taub meine Füße von dem kalten Wasser waren. Ich musste mich irgendwie auf mein Handtuch zaubern, sonst würden es alle mitbekommen. Warum versuchte ich überhaupt meine Schmerzen zu verheimlichen?
Auch etwas, dass wohl mit Pedro zu tun hatte, doch das wollte ich nun endgültig hinter mir lassen.
"An deiner Stelle würde ich die Füße aus dem Wasser nehmen, die sind schon ganz blau!" Pablo räusperte sich und warf mir einen fraglichen Blick zu.

Blau war aber nur der, der inzwischen von einem Bluterguss überzogen war. Mist. Den konnte ich nicht mehr verstecken.
"Warte mal", murmelte Pablo und meine Atmung machte einen Satz.
"Ist das etwa ein blauer Fleck??" Entsetzt starrte er erst auf meinen Fuß, dann auf mich. 

Als sich der riesige Schatten neben mir über mich beugte und nach meinem Fuß griff, hielt ich diese fest und zischte: "Es ist nichts. Lass es!"
Mit erhobenen Händen wich er zurück, jedoch mit einem sehr skeptischen Blick.

"Soll deine Mutter mit dir zum Arzt fahren?"
"Nein! Kannst du es bitte lassen?" schnauzte ich ihn schärfer an als geplant.
"Soll ich dich fahren? Oder wenigstens zu deinem Handtuch tragen?" Pablo meinte es echt ernst.

Ich tat mir aber schon immer schwer, meine Gefühle zu zeigen oder meine Bitten auszusprechen.
"Ok.." murmelte ich daraufhin leise.
Seine Hände legten sich um mich und brachten mich in Windeseile zu meinem Handtuch. "Danke" seufzte ich, als er mich absetzte. Meine Schmerzen zu verstecken war nun sinnlos, da meine Tarnung bereits aufgeflogen war.

"Dir ist bewusst, dass der gestaucht sein könnte, oder? Sieht ehrlich gesagt nicht gut aus. Wie hälst du das bloß aus?"
Wenn ich ihm das so einfach erzählen könnte, dann hätte ich das. Aber dem ist nicht so.

Ein triefend nasser, grinsender Milo stapfte durch den Sand zu uns. Ein Blick auf meinen Knöchel ließ sein Grinsen jedoch schnell verblassen.
Die zwei hielten für einige Sekunden Augenkontakt, worauf hin Milo außer Atem keuchte: "Wir bringen sie zu Marcus."

Wer war bitte Marcus? Auch egal. Ich wollte inzwischen nur noch dass die Schmerzen, die inzwischen immer stärker wurden, aufhörten.
Aufeinmal spürte ich wieder diesen Schwindel. Irgendetwas war im Busch.
Noch dazu kam, dass ich heute noch nicht viel gegessen, geschweige denn getrunken hatte. Was wenn es doch schlimmer war als gedacht und ich nur durch das Adrenalin, dass die ganze neue Situation verursachte, die Schmerzen ignorieren konnte?

Pablo und Milo legten mich auf die Rückbank des Jeeps und starteten den Motor. Einer der beiden drehte sich noch nach mir um, doch meine Sicht verschwomm und meine Ohren wurden von einem Rauschen betäubt.

...

Völlig verwirrt blinzelte ich in ein grelles Licht. Ich befand mich in einem antiken, gewölbten Gebäude, welches anscheinend zur Arztpraxis umgebaut wurde. Die Schmerzen im Fuß waren weg, dafür erkannte ich nun verschwommene Umrisse einer Bandage.

Ein stechender Schmerz durchzog mein Unterleib. Shit. Offenbar hatte ich in diesem Moment meine Tage bekommen.
Mein verzweifelter Blick traf auf Milo. "Wo ist das nächste Klo?" fragte ich während ich versuchte, mich aufrecht hinzusetzen. "Wow, ganz langsam! Du warst gerade noch ohnmächtig!"
Behutsam half er mir, mich in eine sitzende Position zu bringen. Ich war ohnmächtig?

"Egal, ich muss JETZT aufs Klo. Bitte!" flehte ich ihn an. Er nickte verständnisvoll und zögerte keine Sekunde, mich zum nächsten Klo zu tragen.

Ich beendete erfolgreich den Toilettengang - nachdem die benötigten Dinge bereits im Bad vorzufinden waren - und konnte durch den Türspalt einem Gespräch zwischen Pablo und Milo lauschen.

"...  komisches Verhalten... steckt irgendwas dahinter..."
Nur Fetzen drangen bis zu meinen  noch immer nicht vollständig funktionstüchtigen Ohren hindurch.
"... Vergangenheit,... sollten..... respektieren."

Ich konnte mir die Wörter einfach nicht zusammenreimen, doch langsam war spürbar, dass ich wieder volles Bewusstsein erlangte.

Nachdem ich hörbar die Tür öffnete, blickten mir vier strahlend grüne Augen entgegen. Das Gespräch verstummte.
"Wie geht's dir? Können wir wieder zurück fahren?" fragte Pablo. Beide musterten mich. "Ja können wir.", gab ich als Antwort zurück. "Hast du noch Schmerzen?" war die nächste Frage. Doch als ich zum Kopfschütteln ansetzen wollte, wurde ich sofort unterbrochen.
"Lüg. uns. bitte. nicht. wieder. an, verstanden?".
Ein harscher Ton schwang in Milos Stimme mit.
Wie er wieder einmal recht hatte.. Langsam fühlte ich mich wirklich durchschaut.
"Ok ok, mein Fuß schmerzt noch bisschen und mein Bauch auch. Zufrieden?"
Meine Stimmungsschwankungen machten sich deutlich bemerkbar, was wohl auch den etwas überforderten Blick der beiden erklärte.

"Wenn nichts weiter ist, können und vorallem sollten wir uns auf den Weg zurück machen, bevor die Sonne untergeht." rief Pablo, als er sich schon in Richtung Tür bewegte und wedelte auffordernd mit dem Schlüsselbund. Wie lange war ich denn nicht bei Bewusstsein?

Wieder zurück an der Küste, hatte ich immer noch nicht die leiseste Ahnung wer Marcus war und wo sie mich überhaupt hingebracht hatten. Aber als ich das Thema ansprach, gab es keine Antwort.
Aus kraftsparenden Gründen war es wohl besser, es einfach so stehen zulassen.

Ich verstand nicht, wieso die beiden so verschwiegen sein mussten. Trotzdem hielt ich es für sinnvoller, die Klappe zu halten und zu respektieren, dass es auch für sie Themen gab, über die sie nicht sprachen. Das kannte ich ja selber nur zu gut.

Wir erreichten den verborgenen Strandabteil nur wenige Minuten später. Ich stieg vorsichtig vom Jeep und ging mit den Jungs den Trampelpfad entlang. Milos Angebot, mich zu tragen, lehnte ich dankend ab, da es mir nämlich schon deutlich besser ging.
Trotzdem sehnte ich mich nach seinen Berührungen. Ich wusste nicht einmal wieso, denn eigentlich wollte ich nie wieder jemanden an mich heranlassen. Die Angst, wieder verletzt zu werden, war einfach noch zu hoch.
Irgendetwas gab mir jedoch die Hoffnung, dass er anders war. Aber dieses Gefühl hatte man doch immer oder?

Hätte ich nur hier schon gewusst dass er wirklich anders war, und das sogar in mehreren Hinsichten..

Pablo zog sein Handy aus der Hosentasche. "Miro und Amira sind schon nach Hause, das hat er mir gerade geschrieben. Sie haben unser Zeug am Felsen versteckt."

Nach einer kleinen Diskussion, warum die beiden lieber 30 Minuten nach Hause gegangen waren, als auf uns zu warten, hievten sie unsere Taschen hinter einem versteckten Felsen hervor. Der ganze Ort hier hatte wie eine Art System, was ich ziemlich unterhaltend fand.

Während der Fahrt ließ ich mir den heutigen Tag noch einmal durch den Kopf gehen. Es war so einiges passiert und vieles davon verwunderte mich immer noch.

Eine Zeit lang später kamen wir wieder an der kleinen Einfahrt zum Hof der Familie Salvero an. Nachdem wir zum Hauptgebäude spaziert waren, öffnete Milo die Eingangstür und hielt einen Moment lang erschrocken inne.

Eine wütende junge Frau mit schneeweißen, langen Haaren und geröteten Augen kam schreiend auf uns zu.

"WIIEEE... KONNTET.. IHR.. NUUUUR!" knurrte sie mit dramatischen Pausen zwischen den einzelnen Wörtern.

"Barbara!?" stotterte Pablo.

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