Kapitel 9

516 43 11
                                    

Es war kein gewöhnlicher Kuss. Es war so viel mehr. 

Es war der Beginn einer Kette von Ereignissen, wie winzigen Schneeflocken, die aufeinander trafen, die miteinander tanzten, sich aufeinander aufbauten, sich zu Schneemassen auftürmten und letztendlich zu einer Lawine wurden, die alles auf ihrem Weg mit sich riss. 

Sein Leben und das Leben einer Reihe anderer würde sich dadurch unwiderruflich für immer ändern, und später, nach Jahren, würde er da sitzen und sich wundern, dass alles mit etwas so kleinem und scheinbar harmlosem begann. 

Aber trotz all der Schmerzen, Tränen, Qualen und unaussprechlichen geistigen und körperlichen Schäden, die dadurch entstehen würden; wenn man ihn fragte, ob er in diese Nacht, auf den Campus der Universität, in das alten Kunstgebäude zurückkehren würde, in das kleinen Studio, in dem Brahms leise als Hintergrundmusik spielte und ob er eine andere Entscheidung treffen würde, würde Jungkook ihnen eindeutig sagen: "Nicht in einer Million Jahre." 

Der erste Kuss war ein einfacher, bei der sich Lippen gegen Lippen drückten - keusch, unschuldig und ohne Absicht -, doch Taehyung erkannte in Jungkooks Gesicht, noch bevor sich ihre Münder zum zweiten Mal trafen, dass dieser Kuss anders sein würde, dass dieser Kuss zwischen ihnen und nicht ihren Charakteren war. 

Jungkooks dicke, dunkle, sich kräuselnden Wimpern flatterten auf und die durchdringende, erdige Farbe seiner Augen wurde für einen Moment sichtbar, als er sich streckte und seinen Kopf ein wenig zur Seite neigte. Seine leicht geöffneten Lippen schwebten über Taehyungs und sein Atem prallte für ein paar Sekunden heiß auf seine Haut, bevor sich seine weichen, vollen Lippen um Taehyungs Oberlippe legten.

Als Tae spürte, wie Jungkooks Zunge experimentell über die Umrisse seines Mundes strich, drängte sich die mächtige Flut der Lust aus seiner Schutzmauer, die er so mühsam aufgebaut hatte, um sie zu beherrschen, und als er Jungkooks Gesicht in beide Hände nahm, und spürte, wie dieser sich ihm nicht verweigerte, vertiefte er den Kuss.

Der Kuss war intensiv und prägend. Tae schob seine gepiercte Zunge in Jungkooks Mund, schmeckte die schwache Pfefferminze seines Mundwassers, streichelte mit der Metallkugel des Zungenstabs über Jungkooks Zunge. Er saugte an seinen vollen Lippen und runzelte die Stirn, als sein Bedürfnis nach dem anderen ihn überwältigte. Seine Finger drückten fester in das zarte Fleisch der Wangen des anderen Mannes und als Jungkook ein leises Geräusch aus purem Verlangen machte, stöhnte Taehyung dunkel. Er wollte Jungkook länger küssen, ihn so lange wie möglich tiefer und rauer nehmen, in der Hoffnung, dass es niemals enden würde. Aber er wurde sich langsam bewusst, was passierte und welche Auswirkungen es haben würde und welche möglichen Gründe Jungkook hatte, ihn überhaupt zu küssen. 

Taehyung gab ein leises, verletztes Geräusch von sich und löste sich von ihm, zog sich zurück. Er atmete schwer und konnte nicht aufhören, auf Jungkooks geschwollenen, kussgebissenen Lippen zu starren. "Was machen wir hier?", fragte er atemlos. "Es tut mir so leid, Jungkook."

 "Was? Mir nicht. Verdammt, ich habe damit angefangen." 

 "Warum?" 

"Ich weiß nicht... du hast verärgert ausgesehen. Ich sollte dich küssen... und du hast mir nicht gesagt, dass deine Zunge gepierct ist. Ich glaube, dann bleiben drei weitere Piercings übrig." 

"Ich hätte nicht gedacht, dass mein Piercing irgendwie mit dir in Berührung kommen würde, da... warte mal, du hast mich geküsst, weil ich verärgert aussah?" 

"Ich weiß nicht. Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht. Es war eine Art spontane Eingebung. Und du hast so ausgesehen, als hättest du es gebraucht. " 

"Ich sah aus, als müsste ich geküsst werden?!", fragte Taehyung ungläubig. 

"Ja. Und ich sollte dich küssen ", sagte Jungkook defensiv, mit den Händen in den Hüften.

"Ja, aber es gibt einen Bühnenkuss und einen echten Kuss, und das war... " Tae stoppte sich, da er Unglaublich sagen wollte.

"Hey, ich bin hier nicht Schuld. Oder zumindest, nicht der Einzige. Du hast mich zurück geküsst. Intensiv. Mit Zunge und Lippen und einem Piercing und... " 

"Was machen wir hier?", fragte Tae erneut. 

„Können wir uns bitte nicht wiederholen beim reden? Ich habs nicht so mit Wiederholungen."

 „Du hast mir ja das erste Mal nicht geantwortet", betonte Taehyung. 

 "Okay, okay. Nennen wir es einen Zufall." 

 "Gut. Ja. Zufall. Gute Idee. Hör auf, auf meine Lippen zu starren." 

 "Hör auf meine Lippen anzustarren!" 

"Lass uns einfach beide aufhören. Okay? Möchtest du etwas trinken? Auf dem Flur steht ein Getränkeautomat. Kann ich dir ein Soda oder so was besorgen?" 

 "Sicher", seufzte Jungkook, ließ sich auf die alte, abgenutzte Couch sinken, die an der gegenüberliegende Wand stand, und rieb sich die Augen, während Taehyung durch die Tür verschwand, um die Getränke zu holen. Er kam ein oder zwei Minuten später zurück, nachdem ein lautes Klirren den Flur entlang hallte. Jungkook vermutete, dass es von den Limonaden kam, die aus der Maschine gefallen waren. 

 Tae reichte Jungkook sein Getränk und sagte: "Es tut mir immer noch leid." 

„Taehyung, entschuldige dich nicht! Bitte. Danke für das Soda. Und es war ein guter Kuss, Mann. Es ist nichts, wofür man sich entschuldigen muss. " 

„Du hättest mich aufhalten sollen. Warum hast du mich nicht aufgehalten?" 

Jungkook rollte dramatisch mit den Augen und meinte nur: "Muss ich dich noch einmal küssen, nur um dich zum Schweigen zu bringen?" 

"Nein. Tut mir leid." 

Jungkook starrte ihn zum dritten Mal an und warf die Hände in die Luft. Er legte seinen Kopf zurück auf die Couch und sagte: "Können wir jetzt weitermachen?" 

"Sicher. Zur nächsten Szene springen?" 

 "Oh ja, verdammt!"

Shouting out loud ➛ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋWo Geschichten leben. Entdecke jetzt