Kapitel 47

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Jungkook lehnte sich gegen den Türrahmen und beobachtete durch das Glas, wie Tae wütend an der Zigarette sog, die zwischen Daumen und Zeigefinger eingeklemmt war. Während er rauchte, saß er zusammengesunken in einem Plastikstuhl auf dem Balkon von Mikes Wohnung und starrte in den wolkengefüllten Himmel. Er hatte tatsächlich erleichtert gestöhnt, als er die doppelten Glasschiebetüren gesehen hatte, die auf den winzigen, vier mal sieben Fuß großen Raum führten und über einen Innenhof in der Mitte des Wohnhauses blickten ließen, von der Straße aus nicht sichtbar. Jetzt, eine Stunde nach ihrer Ankunft, war er immer noch da draußen, allein mit seinen Dämonen, und Jungkook dachte, dass er bald zum lokalen Markt laufen musste, um mehr Zigaretten zu holen. 

 Jungkook ging an sein Handy, als es klingelte, und sah Namjoons Nummer auf der Anrufer-ID. Als er darauf antwortete, nickte er Yoongi und Jimin zur Begrüßung zu, als die durch die Haustür kamen und sich in der Wohnung umsahen. 

 "Jungkook, was ist los, Mann?!", fragte Namjoon ein wenig verzweifelt durch das Telefon. Er hatte gerade den Schauspielunterricht beendet und wollte Neuigkeiten. "Jin und ich sind hier ausgeflippt und haben uns Sorgen um euch gemacht!" 

 "Hey", sagte Jungkook mit einem kleinen Seufzer gleichmäßig ins Telefon. "Wir sind bei Mike. Jeff hat während des Unterrichts eine Voicemail auf Yoongis Telefon hinterlassen und dann eine weitere auf Jimins Telefon, bevor sie ihre Handys einfach ausgeschaltet haben. Er war bei der ersten Nachricht schon wütend und wollte wissen, was los sei, hat gefragt wieso Tae nicht ans Telefon geht. Aber er war so richtig extrem wütend in der zweiten Nachricht. Er drohte morgen zurückzufliegen, wenn er nichts von ihnen hören würde. Er meinte, er würde sie persönlich für alles, was mit Taehyung passiert sei, zur Rechenschaft ziehen. " 

 "Jesus", zischte Namjoon "Vermutlich werden sie dann eine Weile untertauchen?"

"Ja, sie bleiben erstmal hier, bis wir herausgefunden haben, was als nächstes zu tun ist. Tust du mir einen Gefallen? Kannst du heute Abend einfach an ihrer Wohnung vorbeifahren? Halt nicht an oder fahr langsamer, sondern fahr einfach nur vorbei, um nachzusehen. Schau nach, ob sie beobachtet wird, oder ob Polizisten herumhängen. Morgen werde ich bei Jeff vorbeifahren, um zu gucken, ob dort jemand zu Hause ist oder nicht. " 

 „Ihr solltet wahrscheinlich weiter die Voicemails abrufen, Kooks. Nur um zu sehen, was Jeff vor hat, und um zu hören, was er sagt ", meinte Namjoon und klang besorgt. 

 "Ich weiß. Aber eigentlich will ich es gar nicht wissen. Ich verstehe, warum Tae ausgeflippt ist. Jeff klingt wie ein gruseliger Verrückter am Telefon. Ich hoffe nur wirklich, dass ich den Kerl nie treffen muss. " Jungkook ging zurück zu den Türen, die auf den Balkon führten. Er fuhr mit den Fingern über das Glas und beobachtete Tae wie er besorgt da saß und wie die Emotionen auf seinem Gesicht spielten. 

 "Hey, Kooks?", fragte Namjoon nach einer Pause, seine Stimme ändert sich leicht und wurde leiser. „Ähm... geht es dir gut? Und ich spreche nicht über die Scheiße mit Jeff. " 

 Jungkook holte Luft, schaute von Tae weg, drehte Yoongi und Jimin den Rücken zu und antwortete leise: „Was soll ich sagen, Hyung? Willst du, dass ich lüge und sage, dass es mir super geht? Ich muss jetzt erstmal Tae helfen. Darauf muss ich mich konzentrieren. " 

 "Versprich mir nur, dass du keine Scheiße machst, denn das ist es, was du gerne tust. Du schluckst einfach alles runter und hältst alle außen vor. Es ist nicht gesund, Sachen zu begraben. Du weißt, was passiert, wenn du das tust und wenn du dich so sehr bemühst, der Starke für Taehyung zu sein, selbst wenn er das gerade von dir braucht. Es wird dich fertig machen und dann... " 

 "Ich weiß! Verdammt, Namjoon! Ich weiß es, verdammt noch mal, okay? ", zischte Jungkook ihn an. "Lass es gut sein!" 

 "Ich sage ja nur, wenn du reden musst, bin ich hier, Kooks. Ich will dich nicht verurteilen, nur zuhören ", sagte Namjoon ruhig und versuchte das Gespräch zu entspannen. 

"Ja Ja..."

~ * ~ 

 Die nächsten anderthalb Tage vergingen in einem Dunst aus Angst und nervöser Vorfreude. 

Namjoon hatte nichts besonderes beobachten können, als er an Jimins und Yoongis Haus vorbeifuhr, aber er war nur einmal am Montagabend und zweimal am Dienstag für ein paar Sekunden dort, sodass alle wussten, dass das eigentlich nichts zu sagen hatte. 

 Jungkook wollte gerne ständig bei Tae bleiben, wusste aber, dass er mit seinem Unterricht Schritt halten musste. Er wollte ihn auch nicht bedrängen, da er sich sehr bewusst war, dass er im Moment viel im Kopf hatte und dass er in Mikes Wohnung so sicher war, wie es nur ging.

 Jungkook blieb Montag nicht über Nacht. Am Dienstagmorgen kam er jedoch an der Wohnung vorbei. Während er dort war, schien Tae komplett abwesend zu sein und überhaupt nicht auf viel zu reagieren. Er zuckte erschrocken zusammen, wenn jemandes Telefon klingelte und er rauchte ständig. Er ließ Jungkook seine Hand halten oder ihn in kurze Umarmungen ziehen, bevor er nervös wurde und sich zurückzog, um im Raum auf und ab zu gehen oder zufällige Fragen zu stellen. 

 Yoongi und Jimin versuchten ihn abzulenken. Jimin ließ Tae dabei helfen, einige aufwändige Mahlzeiten zu kochen, und zwar aus den begrenzten Vorräten, die sie von Namjoons und Jungkooks Lebensmitteleinkaufsreise noch übrig hatten. 

Die drei neuen Mitbewohner wechselten sich am Computer ab, überprüften E-Mails von Lehrern und fanden heraus, wie sie mit Hausaufgaben und fehlenden Klassenarbeiten mithalten konnten. Sobald sie all ihre Aufgaben gelöst hatten, verbrachten sie die Zeit damit, vor dem Fernseher herumzusitzen und beschissene Talkshows anzusehen. Ihre Handys waren ausgeschaltet, da sie wussten, dass sie von Jungkook oder Namjoon über das Festnetz der Wohnung erreicht werden konnten. 

Taehyungs Handy war schon lange weg. Jungkook hatte es mitgenommen und am Montagabend auf dem Rückweg zu seiner eigenen Wohnung in einen Müllcontainer geworfen.



Shouting out loud ➛ ᴛᴀᴇᴋᴏᴏᴋWo Geschichten leben. Entdecke jetzt