39) Der göttliche Plan

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"Wie sollen wir das tun?", fragt Aljan und formuliert damit exakt meine Gedanken.

"Wie sollen wir Leben schaffen? Segen finden? Das Gleichgewicht wieder herstellen?", präzisiere ich, weil wir jetzt endlich einmal genaue Antworten brauchen. Welche, die uns auch weiterbringen und ich spüre, dass wir endlich an der richtigen Adresse sind. Sophia, die Göttin der Weisheit, weiß etwas. Jetzt muss sie nur noch aufhören in Rätseln zu sprechen.

Sie lächelt. "Ihr müsst den göttlichen Plan erkennen."

Aljan nickt, während ich den Kopf schüttle. "Aber wie? Und was ist der göttliche Plan?"

"Ich werde deine zweite Frage zuerst beantworten, Dalerana. Es gibt unzählige Schöpfungen. Hinter jeder steht ein liebender Schöpfer, der seine Kraft hineinfließen lässt. Jede Schöpfung wirkt auf ein Ziel hin. Erlösung von Leid. Ewiges Leben. Ewiger Tod. Gerechtigkeit. Der göttliche Plan steht über allen diesen Schöpfungen und über allen Wesen, die dieses Ziel nicht erreichen. Es ist ein endloser Plan. Eine Welt nach der anderen wird erschaffen werden, bis dieser Plan verwirklicht wurde. Bis die Weltenschlange sich selbst wieder in den Schwanz beißt. Bis die Blätter des Weltenbaums sich wieder mit den Wurzeln vereinen. Bis oben wieder unten ist." Sie verstummt und schaut mich fragend an.

Ich bin nicht sicher, ob ich verstanden habe. Ich glaube schon, aber ich fürchte auch nicht. Kann ein Mensch diesen Plan überhaupt begreifen?

"Und wie?"

Auch Aljan mustert sie jetzt wieder mit Interesse. Gut, über den göttlichen Plan scheint er im Bilde zu sein, aber nicht darüber, wie man ihn erkennen kann. Auch Mister Superschlau weiß anscheinend nicht alles und ich weiß nicht, ob ich darüber beruhigt sein soll oder nicht.

Die Göttin schmunzelt.

"Um den göttlichen Plan zu erkennen, braucht es keine Bücher. Sie verwirren nur euren Geist." Ihre schmalen Finger klopfen auf die Schriftrolle.

"Er fließt durch euch und mit euch, solange ihr seid, aber wenn ihr zu viel denkt und zu sehr darum bemüht seid, ihn zu greifen, dann hindert ihr euch eher daran. Es wundert mich nicht, dass du die Verheißene bist, Dalerana. Wer aus dem Leben kommt, kann ihn oft viel besser befolgen. Ihr schafft das schon, auch wenn ich euch nicht so viel verraten kann, wie ihr euch erhofft habt."

Aljan hebt die Schultern. Er wirkt ratlos. "Und was sollen wir jetzt tun, Sophia?"

"Sucht dort, wo ihr noch nicht wart. Tut das, was ihr noch nicht getan habt."

Ich gebe auf, irgendwie spüre ich, dass sie nicht bereit ist, uns mehr zu sagen oder es nicht kann. Hoffentlich kann Aljan mit diesen kryptischen Informationen etwas anfangen.

"Hab vielen Dank, Sophia", erwidert er und senkt sein Haupt. Zu meiner Verwunderung verbeugt sich auch die Göttin vor ihm. Noch immer liegt ein Lächeln auf ihren Lippen. "Es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, Aljan. Und es war mir eine Ehre, dich kennenzulernen, Dalerana."

Mit diesen Worten sind wir entlassen. Ich lasse einen letzten Blick durch ihre lichtdurchflutete Bibliothek schweifen und unterdrücke ein Seufzen. Ob ich diesen Ort jemals wiedersehen werde und jemals Gelegenheit bekomme, durch die Bücher zu stöbern, die sich hier versammeln?

Viel zu schnell treten wir durch die Tür hinaus auf den Kreuzgang, lassen dieses Mal den Brunnen links liegen und biegen auf der anderen Seite zurück auf den Gang.

Endlich wage ich es, das Wort an Aljan zu richten. "Was hat sie gemeint?"

Aber dann bemerke ich, dass etwas nicht stimmt.

Keine wütenden Wirbel, keine grüne Nebelschwaden oder weißer Dunst. Gar nichts wabert durch den Flur. Nicht einmal der Hauch eines Luftzuges. Trotzdem tritt eine Gänsehaut auf meine Arme.

"Was hat das zu bedeuten?", fragt Aljan im gleichen Moment, als ich realisiere, was nicht stimmt.

Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rennt Aljan los und ich hinterher.

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt