5) Der Fürst der Finsternis

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Die kalten Klauen des Todes halten noch immer mein Gesicht.

"Dalerana Jordbarn, es ist mir eine Ehre dich kennenzulernen."

Endlich lässt er mich los. "Du bist unsere Rettung."

"Es ist mir eine Ehre, stets zu Diensten." Meine kranke Phantasie regt mich zu Scherzen an. Ich bin in Höchstform, wie es scheint. "Nur leider konnte mir Ihr werter Herr Sohn nicht genauer erklären, womit ich dienen kann. Ich wäre also ganz dankbar, wenn Sie mir vielleicht ein paar Antworten geben könnten."

Mein Gegenüber lacht erneut und seine bleichen Lippen öffnen sich und entblößen einen zahnlosen Abgrund. Ich erschaudere kurz.

"Du gefällst mir. Nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch keck und vorlaut. Jetzt kann ich verstehen, wieso ausgerechnet du ausgewählt wurdest. Nun komm, folge mir."

Er dreht sich um und humpelt tiefer in den Raum hinein. Alle paar Meter hängt eine Art Fackel in der Wand, der seltsame Nebel meiner Begrüßung hat sich dorthin zurückgezogen und verströmt ein diffuses Zwielicht. Auf den dunklen Bodenplatten und den tiefschwarzen Wänden sind ähnliche Symbole eingezeichnet, wie auf der Tür. Ich folge dem Fürsten der Finsternis. Von hinten sieht er nicht anders aus wie ein alter Mann mit strähnigem weißen Haar. Aljan geht hinter mir.

"So neugierig wie sie ist, war es sicher nicht schwer, sie zum Mitkommen zu überreden?", fragt der Fürst und macht sich nicht die Mühe, sich zu seinem Sohn umzudrehen.

Leise ertönt ein Laut, der sich wie ein Schmunzeln anhört. "Ich hatte schon meine Schwierigkeiten mit ihr. Sie kann störrisch sein wie ein Esel."

Jetzt lacht auch mein Vordermann. Eindeutig Vater und Sohn, nicht dass ich noch daran gezweifelt hätte.

"Du bist ein Prinz der Unterwelt, du kennst deine Macht."

"Ja, Vater" Irgendetwas in Aljans Stimme hat sich verändert, aber ich kann es nicht greifen. "Aber es war gar nicht nötig, meine Macht spielen zu lassen. Sie ist mir auch so gefolgt."

"Keine Drogen im Drink?", werfe ich ein.

Er lacht. "Nein, nicht wirklich, nur kein Getränk von dieser Welt. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Hölle."

"Es hat mich meinen Kopf gekostet. Nicht, dass ich beim nächsten Mal meinen Kragen riskiere", protestiere ich gespielt.

Ein kehliges Lachen meines Vordermanns. "Neugierig, vorlaut und wortgewandt. Du gefällst mir immer besser."

"Danke für das Kompliment. Wohin gehen wir?"

Ich spüre, wie er ernst wird. Seine humpelnden Schritte sind ungewöhnlich schnell. Der Raum hat sich zu einem schmalen Gang verjüngt. Noch immer die seltsamen Nebelfackeln an den Wänden und Symbole auf Boden, Wänden und Gewölbedecke. Ganz am Ende erkenne ich die Umrisse einer Tür in der gegenüberliegenden Wand. Sonst gibt es nichts.

"Nun", er räuspert sich. "Zuerst will ich dir die Spuren des Verfalls zeigen. Also nicht die an mir, die hast du ja schon gesehen, sondern die in meinem Reich. Mit jedem Tag und jeder Nacht werden es mehr. Es geht immer schneller. Wir haben schon alles versucht. Jemand muss es aufhalten. Und da kommst du ins Spiel."

"Ich? Was qualifiziert ausgerechnet mich zum Retter eures Reiches?"

"Ich weiß es nicht", gesteht der Fürst. "Du wurdest vom Schicksal bestimmt, also musst du etwas Besonderes sein. Kannst du irgendetwas?"

Ich überlege. Tanzen kann ich ganz passabel, aber das hat Aljan auf der Party ja gesehen. Im Flirten bin ich auch gut, wenn mir nicht gerade ein Drink aus der Unterwelt den Kopf vernebelt oder der spendable, unterirdisch schöne Gönner. Ich seufze. Ob das Fähigkeiten sind, die hier unten besonders hoch im Kurs stehen? Mein täglich Brot verdiene ich im Großraumbüro. Vielleicht bereitet mich das auf die Hölle vor. Schlimmer kann es hier auch nicht sein.

"Na Dalerana, hat es dir die Sprache verschlagen", scherzt Aljan. Ich zucke die Schultern. "Zeigt mir das Problem und ich sage euch, ob ich die Lösung finde", bekunde ich vorlaut. Das ist immer noch mein Traum. Ich fühle mich allmächtig. Wenn meine Phantasie in der Lage war, sich all das hier auszudenken, kann ich es bestimmt auch reparieren.

"Wie wurde ich überhaupt ausgewählt?", frage ich und dann fällt mir etwas Anderes ein. "Und wie lange soll ich überhaupt bleiben?"

Manche träumen von einem Urlaub in der Karibik, ich von einem Aufenthalt in der Unterwelt. Das mag über mich sagen, was es will, ich beschließe, stolz darauf zu sein.

Wir haben die Tür erreicht. Sie ähnelt der ersten. Dieses Mal drückt Tenebris auf einige der Symbole, die unter seiner knochigen Hand aufleuchten. Das Licht bricht sich in dem roten Stein seines Ringes und schickt Strahlen über die dunklen Bodenplatten. Für einen Moment spiegeln sich die Symbole der Tür darauf. Dann öffnet sich auch diese Tür.

"Das wird sich zeigen", antwortet er. "Wenn sie alles gesehen hat, bringst du sie auf ihr Zimmer, Aljan."


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Und? Wie ist euer erster Eindruck von Tenebris, dem Fürsten der Finsternis?

Dialoglastige Kapitel sind nach wie vor nicht meine Spezialität, aber es kommt noch besser ("schlimmer"?). Lasst gerne Kritik da.

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt