Die letzte Erinnerung an vergangene Nacht ist das Gesicht des Mannes. Wangenknochen und Augen so tief und rein wie der Ozean.
Ich erinnere mich, wie er zu mir spricht, aber seine Worte bleiben wie hinter einem Teppich aus Wasser, sie rauschen nicht zu mir durch, obwohl ich mir sicher bin, zu dem Zeitpunkt des gestrigen Abends verstanden zu haben, was er mir erzählte.
Doch jetzt ist da nur noch neblige Leere. Mein Kopf dreht sich. In einem Versuch, meine Gedanken zu ordnen, hebe ich die Hände, um über meine Stirn zu streichen und fasse ins Nichts.
Meine Hände wedeln durch die Luft ohne auf Widerstand zu stoßen. Mein Atem entweicht mir erschrocken und ich taumele zurück in die Kissen. Augen schließen, einatmen und bis drei zählen. Eins. Ausatmen. Zwei. Ganz ruhig bleiben. Drei. Langsam hebe ich die Hand mit immer noch geschlossenen Augen und versuche Schock und Schwindel zu ignorieren. Ganz behutsam führe ich sie in Richtung meines Kopfes. Nichts. Meine Hand sinkt auf das weiche Kissen, geradewegs hindurch durch die Stelle, an der sich nach allen Regeln der Logik mein Kopf befinden müsste. Ich schreie kopflos. Meine andere Hand folgt. Luft. Leere. Nichts.
Ich zwinge mich zur Ruhe. Irgendetwas stimmt hier nicht. Soviel habe ich doch gestern gar nicht getrunken. Dann fällt mir etwas ein - der Drink mit dem Fremden! Der Typ muss mir etwas hineingekippt haben.
Ich spüre, wie Ärger und Wut über mich hereinbrechen und die Panik überrollen.
Wenn ich diesen Kerl noch einmal in die Finger kriege, kann er sich seine überirdische Schönheit sonst wo hinstecken. Warum müssen alle gut aussehenden Männer Arschlöcher sein? In Zukunft werde ich mich einfach an die hässlichen halten, vielleicht habe ich dann endlich auch mal Glück in der Liebe. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn ein Typ dieser Kategorie echtes Interesse an mir gezeigt hätte. Endlich haben meine Gedanken etwas, woran sie sich entlang hangeln können.
Ich ignoriere das irritierende Gefühl, mit dem mir meine Hände mitteilen, dass meinem Körper immer noch das entscheidende Hauptmerkmal fehlt.
Bleib einfach liegen und warte, bis die Wirkung nachlässt. Alles nur Einbildung. Irgendein verrückter Drogentrip. Ich atme tief ein, aber die Luft wirbelt durch mich hindurch und ich spüre, wie mein Körper hochgehoben wird. Ich zwinge mich dazu, meine Augen nicht zu öffnen. Illusion. Das passiert nicht wirklich. Aber so muss es sich anfühlen, zu schweben.
Ich kann die Neugier nicht lange zurückhalten. Ich blinzle erst vorsichtig, dann öffne ich doch meine Augen. Ein spitzer Schrei entweicht meinem Körper, der aber nicht mehr mein Körper ist. Ich sehe mich im Bett liegen, so wie es sein sollte. Ich liege ganz entspannt da. Die Bettdecke habe ich völlig verdreht. Sie hängt noch halb über meinem Bein und halb auf dem Boden. Mein Gesicht leuchtet hell in der Dunkelheit. Meine Digitaluhr zeigt 6:22 am Sonntagmorgen an. Meine dunklen langen Haare fließen über das weiße Kissen und bilden einen unheimlichen Kontrast. Aber ich sehe aus, wie ich nach einer langen Partynacht aussehen sollte. Schlafend. In meinem Bett. Aber eben nur fast.
Denn ich schwebe völlig entrückt ein paar Meter über meinem Körper und schaue auf mich hinunter. Seltsamerweise verspüre ich dabei gar nichts. Kein Gefühl von Panik oder Furcht. Ich fühle mich frei und losgelöst. Ich spüre genauer in mich hinein und stelle fest, dass ich bewusst steuern kann, wohin ich mich bewege. Aufwärts. Seitwärts. In großen Kreisen wirble ich durch das Zimmer, wie ein Geist, der nach langer Zeit zum ersten Mal aus seiner Lampe entlassen wurde. Alle Sorgen und Ängste sind auf einmal wie weggeblasen. Ich rotiere durch mein Schlafzimmer. Hoch, runter, rüber und von vorne.
Die erste Erinnerung an diesem Morgen ist dieses berauschende Gefühl der Freiheit.
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Was sagt ihr zum ersten Kapitel?
Was passiert da gerade? Alles nur ein Drogentrip oder doch etwas anderes?
Lasst mir doch eure Meinung in den Kommentaren und wenn es euch gefallen hat, ein Sternchen da.
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Brennende Feuer - Dunkle Schatten
FantasyAlles beginnt mit einer außerkörperlichen Erfahrung für Dalerana. Dann steigt die junge Frau hinab in das Reich des Todes, wo nichts mehr ist, wie es sein sollte. Eine Katastrophe droht, die Arbeit von Jahrtausenden in endlose Abgründe zu reißen. Au...