25) Offenbarungen

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Dunstschleier in einen Blau von der Farbe tiefster Dunkelheit, durchdrungen von Fäden aus purem Schwarz, verkündeten uns, in welcher Gemütsverfassung wir Tenebris vorfinden würden - und hätten uns eine deutliche Warnung sein müssen.

Seine eingesunkene Gestalt befand sich in einem der hohen Ohrensesseln im Lesebereich. Die blutunterlaufenen Augen waren geschlossen.

"Ob es so klug ist, ihn jetzt zu stören?", flüsterte ich in die Stille des großen Raumes, während mein Blick über die Stapel an alten Büchern und Schriften glitt, die auf dem angrenzenden Lesepult aufgehäuft waren.

"Einen guten Zeitpunkt wird es nicht geben", entgegnete Aljan und schritt ohne Zögern auf seinen Vater zu. Beinahe sanft legte er ihm eine Hand auf die Schulter, woraufhin Tenebris mit einem kraftvollen Ruck in die Höhe schoss. Als er seinen jüngsten Sohn und die Ursache für die Ruhestörung gewahrte, blitzte ein zorniges Funkeln in seinen Augen auf.

"Was störst du meinen Schlaf?", donnerte er.

Aljan wich keinen Zentimeter zurück, nur seine Hand zog er langsam zu sich. "Verzeih Vater, aber ich brauche ein paar Auskünfte."

Der Fürst der Finsternis richtete sich ein wenig auf, ehe er seinen jüngsten Spross mit kritischem Blick maß. "Habt ihr etwas herausgefunden?"

Aljan schüttelte den Kopf und der Anflug von Hoffnung, der in Tenebris Augen aufgekeimt war, verschwand so schnell er erschienen war.

"Ich habe Dalerana das Totengericht gezeigt. Dort hat es angefangen, ich dachte, dort sollten wir zuerst hingehen. Nichts, was wir versucht haben, hat auch nur im Entferntesten eine Wirkung gezeigt."

Bedauernd zuckte ich mit den Schultern, aber weder Vater noch Sohn schenkten mir Beachtung.

"Aber wir sind einem Chatiu-Dämon begegnet. Zwei Mal. Einmal vor dem Eingang in die Unterwelt und dann noch einmal im Gefilde der Binsen."

Tenebris Blick schoss in meine Richtung und ich nickte unwillkürlich.

"Ein Chatiu-Dämon. Ungewöhnlich", bekundete er. "Was hat der dort zu suchen?"

"Nun, so wie es scheint, wollte er uns etwas sagen. 'Schafft hier das Leben gut und schön, kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n'", rezitierte Aljan die Worte des Dämons. "Hast du das schon einmal gehört? Was soll das bedeuten?"

"Höchst seltsam", bemerkte Tenebris ohne auf die Fragen einzugehen, besann sich dann aber doch eines Besseren.

"Es kann alles bedeuten. Oder nichts. Vermutlich eher nichts. Aus welchem Grund sollte ausgerechnet ein Chatiu eine wichtige Botschaft verkünden. Vergiss es einfach. Nutzlos. Eine Zeitverschwendung. Ich hätte es besser wissen sollen. Das führt zu nichts." Mit einer wegwerfenden Handbewegung verkündete er uns, dass er mit uns fertig war. Aljan unterdrückte ein Seufzen und wandte sich den Regalreihen auf der Rückseite des Raumes zu.

Nur zu gern folgte ich seiner Richtung. Erleichtert darüber, seinem Vater zu entkommen und der pessimistischen Ausstrahlung, die er verbreitete. Ich fühlte mich so schon völlig ratlos, da brauchte ich nicht noch eine Erinnerung daran, dass ich weder wusste, wo ich war, noch was ich dort tun sollte.

"Bleib hier, Mädchen!" Scharf durchschnitten die Worte die Luft und ich hielt ebendiese an, bevor ich mich umdrehte. Für einen flüchtigen Augenblick sah ich mich mit aufkeimender Hoffnung um, jemand anderes könnte gemeint sein, aber niemand außer mir und Aljan befand sich in der Bibliothek. Und Aljan war ganz eindeutig kein Mädchen.

"Ja?", fragte ich zaghaft.

"Bleib bei einem alten Mann und leiste ihm Gesellschaft", bat er etwas sanfter. "Ich würde gerne ein paar Worte mit dir wechseln."

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt