23. Beleidigungen auf den Fluren

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„No no no!", rief Slawitschkij mit ihrem schweren Akzent und Sierra sah verwundert zu der Professorin auf, „Hände weg!"
Die Lehrerin war zur letzten Reihe geeilt und schimpfte einen Schüler aus.
„Kannst du lesen Kind?", regte sie sie sich auf, „Drei Zeilen hast du übersprungen und gemischt vier mal Gänseblümchenwurzeln!"
Sierra unterdrückte ein Kichern, Finnigans Wangen blühten in dunkelstem Rot und er ließ den Kopf hängen.
Walburga neben ihr flüsterte: „Ein Naturtalent wie es nur in Gryffindor vorkommt."
Sierra lachte auf und schlug sich sofort die Hand vor den Mund. Professor Slawitschkij war mit dem Löwen beschäftigt, sie hatte ihm den Zauberstab weggenommen und das Feuer unter dem Kupferkessel gelöscht.
„Hohlkopf", höhnte Tom einen Platz weiter neben Abraxas. Sein Trank war wie immer perfekt und Sierra überprüfte den ihren.
Er musste noch ein bisschen ziehen, dann war er fertig. Zwar sollte in dem tiefen Kessel ein Pastellblau blubbern und kein grelles Türkis, aber es kümmerte sie nicht.
Den gestrigen Tag hatte sie in ihrem Bett verbracht und jetzt wieder auf den Beinen zu stehen, war wichtiger als ein perfekter Zaubertrank. Übernächstes Wochenende stand die erste Aufgabe bevor und sie musste gesund sein.
„Gibst du mir die Tulpenblätter Si?", fragte Abraxas von der Seite.
„Was?", schrak sie auf, „Ach so, ja."
Sie griff nach der Schale mit den bleichen Blüten und stellte sie neben Abraxas aufgeschlagenem Buch auf.
  Die Professorin schritt an ihnen vorbei, dirigierte dabei den Kessel mit dem misslungenem Trank vor sich her und warf beim vorbei Gehen Blicke über die Schultern ihrer Schüler.
„Ein bisschen feiner hacken beim nächsten Mal Black", befand sie Walburga und die Braunhaarige nahm die Kritik zähneknirschend an.
„Gute Arbeit Miss Aberdeen", teilte sie Sierra mit und nickte ihr zu.
„Aha, es geht also wenn man sich anstrengt Iwanov", bewertete die Professorin einen Durmstrangschüler.
    Sierra beobachtete, wie sie zu ihrem Pult schritt und den Kessel dort abstellte. Sie beugte sich über ihr Notenbuch und vermerkte etwas mit einem roten Stift. Sierra grinste, vermutlich nichts positives über Finnigan.
„Die Löwen blamieren uns ziemlich", Walburga lehnte sich so nah an Sierra, dass sie beinahe ihre Lippen an ihrem Ohr spüren konnte.
„Ziemlich", gab sie zurück, grinste und warf einen Blick auf die Reihe hinter ihnen.
Finnigan saß mit verschränkten Armen dort und erdolchte jeden mit seinen Blicken, der es wagte seine Augen auf ihn zu legen. Sierra neckte ihn, indem sie einen Schmollmund zog und lachte, als er aufschnaubte.
Gryffindors zu triezen war manchmal ganz lustig.

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„Merlin sei Dank", Walburga rückte ihre Tasche zurecht, „länger hätt' ich's nicht ausgehalten."
Sierra lief neben ihr und versuchte nicht durch den Schülerstrom von Walburga getrennt zu werden. In Durmstrang erhielten die Slytherins keine Sonderbehandlung, aber nach der Auslosung der Champions hatte Sierra schon viele Blicke auf sich gefunden.
Sie öffnete ihre Flechtfrisur und schüttelte ihre Haare über ihre Schulter. Ein Teil der Kopfschmerzen verschwand, der Rest würde sich mit Wasser stillen lassen.
Elizabeth gesellte sich neben sie und dann hakte sich ein Arm bei ihr unter und Abraxas hatte sich neben sie gestellt. Er steuerte nach rechts und Sierra musste Walburga am Ärmel packen, damit sie nicht verloren ging. Sie bogen in einen Gang ab und der Lärm schwoll ab.
Sie atmete durch.
„Wir gehen aber trotzdem noch zum Mittagessen?", misstraute Walburga Abraxas. Er antwortete und schlug dabei einen Ton an, als müsse er einem Kind etwas erklären: „Wir gehen nur einen anderen Weg Wal."
Sierra musterte die Wände und verharrte als sie ein Gemälde erkannte.
„Ist das nicht...?", murmelte sie.
Abraxas, der sich von ihr gelöst hatte, stellte sich wieder neben sie.
„Merlin!", er wirkte genauso erstaunt wie sie. Das fenstergroße Ölgemälde schimmerte und Sierra nahm ihren Zauberstab hoch.
„Lumos", sie tauchte das Bild in helles Licht und damit sackten die Zweifel auf den Teppich unter ihren Füßen. Drei matte Gesichter lächelten sie an, eines davon alt bekannt.
„Was ist das?", Walburga kam zu ihnen, schob sich durch sie hindurch und riss die Augen auf, als sie auf das Gemälde sah.
„Grindelwald", flüsterte sie.
„Ja", Sierras Stimme war trocken, sie konnte nur auf das Handflächen große Bildnis ihres Vaters blicken. Sie wusste, dass er auf Durmstrang gegangen war. Aber ihn als Schüler dargestellt auf einem schlecht belichtetem Gemälde in einem schattigen Korridor zu finden, war eine andere Sache.
„Ulalala", kommentierte Walburga von der Seite und Sierra zuckte zusammen.
Abraxas blickte zu ihr herab und in seinen Augen sah sie dasselbe Erstaunen und dieselbe Besorgnis, wie die in ihrem Herzen.
„Gehen wir weiter", meinte er und griff nach ihrem Ellenbogen, im Begriff, sie weiterzuziehen.
„Na, na, na", ertönte eine Stimme hinter ihnen. Sie wirbelten herum und die vier altbekannten Gryffindors hatten sich vor ihnen aufgestellt.
„Das glaube ich nicht", Finnigan trug ein so hässliches Grinsen, dass Sierra schlecht wurde. Die gesamte Szenerie war wie aus einem schlechten Muggelfilm.
  Das spärliche Licht, die grauen Schatten, die auf den Teppich fielen, die Gesichter von längst erwachsenen Studenten an den Wänden und die vier Löwen vor ihnen, die sie aufgebaut hatten und sie nun verhöhnten.
„Was wollt ihr?", fragte Sierra und ihre Hand wanderte in ihren Umhang.
„Das tun wir lieber nicht", Smith hielt seinen Zauberstab auf sie.
„Kleiner Champion", fügte er spottend hinzu.
Die vier lachten schallend auf und eine Gänsehaut kroch über Sierras Arme.
Sie konnte die vier sehr wohl fertig machen, aber die Absicherung Tom war nicht da und sie wusste nicht inwieweit die Gryffindors das alles geplant hatten. Offensichtlich waren sie ihnen hinterher geschlichen, vermutlich hatten sie schon eine ganze Zeit versucht sie abzufangen.
„Wir wollen eigentlich gar nichts", das Gryffindormädchen lächelte, als ob man auch nur einem ihrer Worte Glauben schenken konnte, „Nur ein bisschen reden."
Sie schlenderte ein paar Schritte näher. Ihren Zauberstab in ihrer Hand und der Deckung ihrer Freunde gewiss.
„Nur ein bisschen reden", wiederholte sie sich. Sie stand jetzt vor Walburga, auch wenn ihr Blick immer wieder zu Sierra huschte. Wie hieß sie überhaupt? Das Mädchen hielt nur noch einen winzigen Abstand zu Walburga und da sie kleiner als die Brünette war, musste sie nach oben blicken.
   Ein Grinsen bildete sich auf den Lippen der Löwin. Walburga stand stocksteif da, jeder Blick die Gryffindor aufschlitzen. Sierra hielt den Atem an. „Nur ein bisschen...", das dumme Mädchen strich die Bluse an Walburgas Schulter glatt.
In dieser Sekunde packte die Slytherin sie, drehte sich herum, presste sie gegen die Wand und zischte: „Fass mich nicht an Gryffindor."
Sierras Blick schoss zu den andern drein, sie hatten ihre Zauberstäbe gezückt und kesselten sie ein. Walburga blickte über ihre Schulter. Sie schnaubte auf.
„Und ihr nennt uns Feiglinge", fauchte sie, dann trat sie der Gryffindor ins Schienbein und ließ sie zu Boden sinken.
„Stupor!", eine Hand an Sierras Oberarm, ein Fluch schlug in die Wand ein. Abraxas hatte sie zu sich gerissen und richtete nun seinen Zauberstab auf die Löwen.
„Danke", keuchte sie und griff nach dem ihren. Die Sache hatte sich gedreht, vier Personen gegen drei und eine am Boden liegende.
Sie richtete sich auf, beobachtete Finnigans Bewegungen. Jeder wartete darauf, dass jemand einen Fluch murmelte.
Sierra konzentrierte sich auf das von Wut entstellte Gesicht und hörte so die Schritte nicht, die um die Ecke bogen und dann verstummten.
„Was haben wir denn da?", sie riss den Kopf um, aber sie wusste schon, wenn sie an der Ecke des Flures sehen würde.
Sie kannte die Stimme.
Natürlich.
Cicco lächelte ihr zu, dann wand sie sich den Gryffindors zu.
„Ihr seht doch dass ihr in der Unterzahl seid, oder?", sie machte ein, zwei schlenkernde Schritte und Finnigan sah immer wieder von ihr zu den Slytherins. Als könne er sich nicht entschieden, auf wen er seinen Zauberstab richten sollte.
„Haut ab, ihr Vollidioten", stauchte Cicco sie zusammen.
Und die Gryffindors taten es tatsächlich, sie steckten ihre Zauberstäbe zurück, schenkten letzte giftige Blicke, dann hasteten sie los und Smith zerrte das Mädchen mit.
   Als Creevy an Sierra vorbei strich, funkelten seine Augen und er fauchte: „Rettung kam rechtzeitig kleiner Champion."
Sie antwortete nicht, sondern kniff ihre Augen zusammen und schnaubte.
Die Gryffindors verschwanden im Gang und Walburga winkte ihnen hinterher.
„Solche Idioten", murmelte sie. Und schon waren sie unter sich und er Flur war leer. Cicco stellte sich neben Sierra.
„Na los, ich hab Hunger. Es gibt Mittagessen."

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„Wo wart ihr?", Eliot hatte seine Augenbraue hochgezogen und musterte die fünf.
Die Halle war lärmend und Sierra setzte sich mit Cicco an den Rand des Tisches.
„Wir haben ein paar Gryffindors getroffen", erklärte Walburga, aber ihr Blick schweifte durch die Halle. „Na sie einer an", höhnte die Hexe.
„Was?", fragte Frederick nach. Walburga nickte in Richtung der Gryffindors.
   Finnigan und Smith gestikulierten wie wild und ein anderes Mädchen inspizierte das Schienbein des unbekannten Mädchens.
Sierra schnaubte.
„Kleine Memmen nicht?", Cicco grinste, dann machte sie eine Greifbewegung mit ihren Händen und Sierra reichte ihr das Wasser.
„Sowas von", murmelte sie.
Ihr Appetit war vergangen und sie schob das Stück Fleisch auf ihrem Teller hin und her.
Dass Toms Blick auf ihr lag, bemerkte sie nicht. Aber als sie aufsah und silbern blitzende Augen erfasste, wusste sie, dass Dumbledore sie beobachtet hatte. Sie schob den Teller von sich und unterhielt sich mit Cicco über die Hausaufgaben von Freitag. Hausaufgaben, die sie nicht gemacht hatte und daher nun eilig nachholte.

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Todesspiele mit einer TodesfeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt