Kapitel 27 - Seelenverwandte

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Leonora PoV:

Ich ging wieder ins Schloss und setzte mich dort in eine kleine Kule in der Mauer. Mir kamen wieder irgendwelche seltsamen Gedanken und ich war mir sicher hier würde mich niemand finden. Meine Beine waren angewinkelt und darauf lagen meine Arme, in denen ich meinen Kopf vergrub. Seit diesem Gespräch mit Snape hatte ich ein komisches Gefühl, dass mich nicht los ließ. Er verstand mich und ich hatte irgendwie das Bedürfnis ihm alles zu erzählen, um mich etwas freier zu fühlen. Ich wollte alles was auf mir lastete endlich los werden, um mich einfach leichter zu fühlen. Keine Ahnung, wieso ich unbedingt mit ihm reden wollte, aber irgendwie wollte ich meine Gedanken einfach mit ihm teilen. Wahrscheinlich weil er sich genauso fühlte und wir uns in unseren Gedankengängen und Gefühlen ergänzten. Auf der einen Seite ging es mir durch die Gespräche besser und auf der anderen Seite fühlte ich mich noch etwas trauriger. Es tat mir so leid für ihn, dass er sich wie ein schlechter Mensch fühlte. Allein dass er sagte, dass er all das Leid verdient hätte, verletzte mich. Wie sehr muss man an sich selbst verzweifeln bis man solche Aussagen traf. Wie stark müssen die Schmerzen sein? Damals dachte ich auch, ich hätte all das verdient, aber das war falsch. Kein Mensch hatte es verdient wie Dreck behandelt zu werden und egal welche Fehler man selber macht, man wird immer von anderen Dingen beeinflusst. Wenn du den Glauben an alle anderen verloren hast, an die ganze Welt, welchen Grund hast du dann noch an dich selbst zu glauben? Welchen Grund hast du noch, dich so zu verhalten dass es allen anderen passt? Und vor allem... Welchen Grund hast du weiter zu machen? Eine Träne lief über meine Wange. Was war, wenn er sich all diese Fragen selber stellte und jeden Tag mit ihnen konfrontiert wurde. Manchmal fühlte es sich an als wären deine Gedanken Gegenspieler deiner Seele und sie waren so viel stärker. Plötzlich legte sich eine große Hand auf meine Schulter und ich sah zur Seite. Snape. "Alles in Ordnung?", fragte er. "Gedanken", murmelte ich. Er nickte und verstand sofort, was ich meinte. Einen Moment lang herrschte Stille. Nach einer Weile hob er seine Stimme wieder. "Kommen Sie. Ich will Ihnen etwas zeigen", sagte er und in seiner Stimme lag eine unfassbare Ruhe und Zärtlichkeit, sodass ich mich allein dadurch selbst etwas beruhigte.

Ich folgte ihm nach draußen und wir kamen am Ufer eines großen Sees an. Das Wasser war dunkelblau, fast schwarz wirkte tief, als hätte es kein Ende. Da es windstill war, war die Wasseroberfläche komplett glatt. Wir standen einfach nur nebeneinander da und sahen aufs Wasser. "Ist der Anblick nicht schön?", fragte er dann leise und ich sah zu ihm. Sein Blick war konzentriert aufs Wasser gerichtet als würde er etwas darin suchen. Er schaute zu mir, wodurch wir uns direkt in die Augen sahen. Allein sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er mich verstand und ich hatte das Gefühl, er wusste genau was in mir vorging. "Ja", antwortete ich genauso leise. "Immer wenn ich zurück denke oder mich einfach alles um mich herum verletzt, komme ich hier her. Der See beruhigt mich, allein der Anblick. Ich könnte stundenlang hier stehen und mich in der Tiefe des blauen Wassers verlieren", sagte er und klang dabei wieder ruhig und nachdenklich, was ihn noch intelligenter wirken ließ. "Man kann hier gut nachdenken und das Chaos in seinem Inneren ansatzweise beseitigen", fuhr er fort und ich nickte. Wie immer war es für einen Moment wieder ruhig zwischen uns. Allein durch seine Anwesenheit hatte ich das Gefühl die Gedanken waren nicht ganz so grausam und ich könnte damit klar kommen. Mich beschlich das Gefühl, dass wir einfach bedingungslos für den anderen da waren und wie ein Anker für den jeweils anderen waren. Eine kleine Rettung, ein kleiner Hoffnungsschimmer, ein kleiner Lichtblick. "Worüber haben Sie nachgedacht?", fragte er leise. Ich wartete mit der Antwort und legte mir die Worte erst passend zurecht. "Über Ihre Worte. Sie sagten Sie sein ein schlechter Mensch und hätten das Leiden verdient und das tat mir einfach leid..." Sein Blick wurde wieder nachdenklich und in seinen dunklen Augen spiegelte sich die Tiefe des Sees und die seiner Gedanken wieder. "Sie waren traurig...Wegen mir?", fragte er langsam mit seiner gewählten und präzisen Redensart, die mir sehr gefiel. "Ja", gab ich ehrlich zu. "Also unteranderem", fügte ich hinzu. Er sah mich aus dem Augenwinkel an und ließ seinen Blick langsam von meinem Kopf herunter zu meinen Füßen gleiten. Dann sah er langsam wieder an mir hoch. "Das wollte ich nicht, entschuldigung", sagte er und ich kontmnte an seiner Stimme erkennen, dass noch was kam. "Aber danke. Ich weiß nicht, wann es das letzte Mal, wen interessiert hat, wie es mir ging. Wenn das überhaupt je der Fall war..." Ich hatte das Gefühl, er würde seine Gefühle auf mich übertragen. Seine Worte taten weh und ich glaube, ich hab noch nie so viel Mitleid verspürt. Ich rückte näher zu ihm und unsere Arme berührten sich leicht. "Ist Ihnen wieder kalt?", fragte er und schmunzelte etwas. Ich schüttelte den Kopf. "Sondern?" Ich beschloss ehrlich zu ihm zu sein, auch wenn das etwas unangenehm war, aber ich wollte ihn nicht anlügen. Er wurde wahrscheinlich schon von genug Menschen belogen und verarscht. "Ich wollte Ihnen nur nahe sein, um Ihnen klar zu machen, dass Sie nicht alleine sind", erklärte ich und sah verlegen weg.

Snape PoV:

Sie war anders als die Menschen, denen ich bis jetzt begegnet bin. Sie versuchte mir wirklich zu helfen und für mich da zu sein. Sowas habe ich nach allem was ich getan hab, nicht verdient. "Sie wissen aber, dass Sie viel zu gut zu mir sind, oder? Nach allem was ich getan habe, habe ich das nicht verdient." Sie sah mich traurig an und ich merkte, dass sie meine Worte in gewisser Hinsicht verletzten. Selbst ihr tat ich weh. Ich verletzte jeden Menschen und fühlte mich immer schlechter. Das Schuldgefühl, welches mich schon seit einigen Jahren quälte, zerfraß mich langsam von Innen heraus. "Das haben Sie verdient. Und wenn Sie es nicht für Ihre Taten verdient haben, dann für Ihre Vergangenheit. Kein Mensch war jemals gut zu Ihnen, meinen Sie nicht, es wird Zeit dass jemand für Sie da ist? Jemand der Sie zu einem guten Menschen macht, wenn Sie wirklich so schlecht sind wie Sie behaupten..." Ich schwieg und senkte den Kopf. Irgendwo hatte sie ja recht, aber nur wegen meiner Vergangenheit hatte ich kein Recht so viele schlechte Taten zu begehen und zu hoffen, dass mir dann noch Gutes wieder fuhr. Mich beschlich das Gefühl, dass ich sie irgendwann genauso stark verletzte wie alle anderen und ich wollte das Verhältnis, was wir aufgebaut haben beenden, aus Angst ich könnte ihr was schreckliches antun, aber es ging nicht. Egal wie sehr ich es auch wollte, ich konnte das hier nicht beenden. Ein zu großer Teil in mir wehrte sich dagegen... Wahrscheinlich war das der egoistische Teil, der meine Taten in den letzten Jahren so sehr beeinflusst hat, dass ich zu einem immer schlechteren Menschen wurde. Sie war wahrscheinlich der einzige Mensch, der das Gute in mir sah. Das Gute, das schon vor vielen Jahren verschwunden ist. Wieder fragte ich mich, womit ich das verdient habe. "Bevor Sie behaupten, Sie wären ein schlechter Mensch, hinterfragen Sie die Aussage und betrachten Sie das was dahinter steckt. Vielleicht merken Sie dann, dass Sie kein böser Mensch sind", sagte sie ruhig und legte kurz eine Hand auf meinen Rücken. "Ich kann nicht alles was ich tue mit der Vergangenheit entschuldigen. Irgendwann wird es Zeit, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Und die Wahrheit ist dass ich ein verbitterter, alter Mann bin, nur ein Mittel zum Zweck. Jemand, der seine Seele schon verkauft hat und sich niemals verbessern wird."
"Nein. Sie haben einen Grund all das zu tun. Jeder Mensch hat Gründe. Und was meinen Sie mit Mittel zum Zweck...?" Ich sah traurig ins Wasser. Das konnte ich ihr nicht sagen. Jedenfalls jetzt noch nicht. "Das hab ich nur so daher gesagt", murmelte ich. "Okay..."
"Und die Gründe nach denen du suchst...Die gibt es nicht. Versteh doch, dass ich ein schlechter Mensch bin. Und du solltest dich von mir fern halten, ehe du auch noch unter mir leidest", sagte ich, hoffte aber insgeheim dass sie bei mir blieb. Ein Schmerz durchzog meinen Körper und ich merkte wie Trauer in mir hochkam und sich ein Knoten in meinem Hals bildete. Ich wollte sie nicht verlieren, aber ich wollte sie auch nicht verletzen. Sie war ein guter Mensch. Plötzlich nahm sie meine Hand. "Ich lasse Sie nicht im Stich... Wenn Sie ein schlechter Mensch sind, bin oder werde ich das auch", sagte sie einfühlsam und ließ meine Hand dann langsam wieder los. Es wäre nicht so schwer, sie gehen zu lassen, wenn sie ein genauso großes Arschloch wäre wie alle anderen... Andererseits müsste ich sie dann gar nicht gehen lassen. "Wieso?", fragte ich leise.
"Weil ich genauso bin wie Sie. Ich hab auch das Gefühl, ich hab das alles verdient." Das hat sie schonmal erwähnt und ich konnte nicht begreifen wie sie darauf kam. Sie war so ein guter Mensch und nur jemand, der wirklich ein Herz hatte, konnte in anderen so das Gute sehen, wie sie. "Nein, Sie haben das nicht verdient. Sie sind ein guter Mensch."
"Wie können Sie nur in anderen das Gute sehen und in sich selbst nur das Schlehchte?", fragte sie etwas aufgebracht, aber immernoch ruhig.
"Das tun Sie doch auch", entgegnete ich. "Ich sag ja, wir sind fast gleich." Die Aussage war wahrscheinlich wahr. Wir sahen uns ziemlich ähnlich. "Meinen Sie nicht, dass wir beide zu einem guten Mensch werden können, mit der Hilfe des jeweils anderen?" Ich nickte und legte langsam meinen Arm um sie. "Ich bin für Sie da." Sie legte ihren Kopf an meine Schulter. "Und ich für Sie", erwiderte sie. So standen wir da. Irgendwas verband uns und ich hatte das Gefühl, wir waren seelenverwandt...

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