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Falling apart - Michael Schulte
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°Gegenwart°
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Madelyn Watson

Meine Kinnlade klappte zwei Meter herunter. Er war hier. Ich habe ihn so lange nicht mehr gesehen!
Das Haar war etwas länger als das letzte Mal, aber hatte immer noch diesen warmen Farbton und ich wusste, dass es immer noch total weich war, wenn man mit den Fingern durchfuhr.

Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich in diesem Moment fühlen sollte. Was ich fühlen wollte.

Einerseits kam sofort der Schmerz wieder hoch, die Erinnerung an unsere letzte Begegnung, wo er einfach so ohne Grund Schluss gemacht hat.
Oder wie damals bei unserer Begegnung, wo ich total verschossen nach ihm war, obwohl wir fast einen ganzen Tag voller Begegnungen gebraucht haben, bis wir alleine unsere Namen kannten.
Damals war ich einfach nur blind.

All die Erinnerungen an unsere schöne gemeinsame Zeit machten mich jetzt traurig. Und alles, was ich die letzten Jahre unterdrücken wollte klopfte jetzt von innen an mein Herz, als ob es herauswollte.
Als ob sich meine Seele danach sehnt, den Schmerz zu spüren, um ihn richtig zu verarbeiten.

Andererseits empfand ich tiefes Mitleid mit ihm. Ich kannte ihn so gut und er war eigentlich auch immer ein lebensfroher Mensch gewesen und hat das auch nie gespielt. Er war immer ehrlich gewesen.
Wenn ich ihn jetzt so anschaue sehe ich, wie traurig und kaputt er ist. Als ob ihm die seelische Verletzung mehr zusetzt als die körperliche, was das auch immer für eine seelische Verletzung ist.

Er hatte einen schweren Unfall hinter sich. Das wusste ich, ohne seine Akte angesehen zu haben.
An dem oberen Saum seines T-Shirts erkannte ich die Hälfte eines großen Pflasters in der Nähe seines Schlüsselbeins.
An seiner linken Hand lag eine Handgelenksschiene. Handgelenksbrüche sind immer von der ganz besonderen Sorte.
Am rechten Ellenbogen lag ebenfalls eine Schiene, am Knie auch, wahrscheinlich das gerissene Kreuzband und sein Fuß steckte ebenfalls in einer Schiene. Weiße Socken und Badeschlappen rundeten das Gesamtbild ab.
Wow, ihn hatte es wirklich erwischt.

Plötzlich wurde ich aus meiner Trance gerissen, als ich wieder ausatmete. Hatte ich ernsthaft die Luft angehalten?
Peinlich räuspernd bückte ich mich, sammelte meine Habseligkeiten auf und lief zu einem Tisch und legte dort meine Sachen ab.

Einfach durchziehen und diesen Schmerz ignorieren. Er ist jetzt einfach ein ganz normaler Patient, nicht mein Ex-Verlobter. Das wird schon.

Selbstbewusst straffte ich meine Schultern und ging auf ihn zu.

"Guten Tag", kam es aus meinem klosigen Hals und ich schüttelte steif seine Hand.
Normalerweise stelle ich mich mit meinem vollen Namen vor und spreche die Patienten mit ihrem Nachnamen an, wobei wir dann ein paar Tage später auf das Du umsteigen, weil ich jetzt auch nicht alt bin oder so.

Aber nichts dergleichen geschah. Kayden erwiederte mit einem kurzen "Hallo".
Von außen könnte man meinen, dass wir beide uns noch nie gesehen haben und nur etwas zu schüchtern sind, um neue Leute kennenzulernen.

Ich warf einen kurzen Blick auf meine flüchtigen Notizen, die ich vorhin noch runtergekritzelt habe, um wiegesagt ein wenig intellektuell zu wirken.

"Okay, also dann beginnen wir mal. Wenn irgendetwas schmerzbedingt nicht geht oder ähnliches, einfach sagen", sagte ich schnell und war stolz auf mich, dass ich jetzt wenigstens etwas selbstbewusster wirkte.

Er nickte. Mehr nicht.

Wir fingen mit simplen Haltungsübungen an. Dafür setzte ich mich auf einem Stuhl aufrecht vor ihn hin und er sollte sich in seinem Rollstuhl ebenfalls aufrecht hinsetzen. Das kann mit einem frisch verheilten Lendenwirbel teilweise echt anstrengend werden.

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