- 26 -

24 2 0
                                    

Someone you loved - Lewis Capaldi
~
°Gegenwart°
~
Madelyn Watson

Es ist ein Traum. Nein, eher eine Erinnerung. Denn ich weiß, dass ich das schon einmal erlebt habe. Der Traum knallt mir die Realität vor die Nase. Die absolut bittere Realität.

Und ich weiß, dass ich das jetzt noch einmal durchleben muss. Wohl oder übel muss ich da durch.

Ich kann auch noch genau sagen, wann ich das erlebt habe. Einen Tag, nachdem mich Kayden in seinem eigenen Treppenhaus stehen lassen hat.

Mir geht es richtig scheiße. Und Kayden spielt da keinen unwichtigen Part. Bin ich ihm vielleicht zu nahe getreten? Braucht er wirklich mal ein bisschen mehr Zeit? Aber woher dann der plötzliche Sinneswandel?

Und weil es mir absolut nicht gut geht, klingel ich heute einfach noch einmal bei ihm, weil er mir im Alltag immer gekonnt aus dem Weg geht. Dieses Mal macht er mir schneller auf. Wenigstens steigern wir uns auf diese Weise. Und außerdem will ich nicht länger in diesem ekelhaften Novemberregen stehen.

Wie gestern renne ich die Treppenstufen nach oben. Kayden steht in seinem Türrahmen. Es geht ihm wesentlich besser, was mich erleichtert aufatmen lässt.

"Hi", kommt es knapp von ihm. Wieder diese erschütternde Distanz. Es tut mehr weh, als würde er mich anschreien, denn dann wüsste ich wenigstens, was er gerade gegen mich hatte.
"Hey, kann ich bitte reinkommen?", versuche ich es diesmal standfester. Ich werde jetzt keine Widerrede dulden und nicht so schnell aufgeben. Mit erhobenem Kinn sehe ich ihn an. Er wird mich jetzt nicht so schnell klein kriegen.

"Okay", antwortet er wieder, ohne irgendeine andere Emotion von ihm preiszugeben. Es wird wohl ein hartes Stück werden, seine Mauer wieder zu brechen. Schweigend trete ich ein und lehne mich an die Wand im Flur, denn seine Körpersprache verdeutlicht mir aktuell sehr klar, dass er jetzt nicht unbedingt will, dass ich noch weiter reinkomme. Es fühlt sich fremd an, ihm gegenüber zu stehen. Wo ist unsere Vertrautheit hin? Ich weiß noch ganz genau, wie ich hier auf dem Sofa gesessen bin und er mir das Blut weggewischt hat. Ich habe ihm vertraut, obwohl ich noch nicht einmal seinen Namen oder irgendeine andere Information als sein Studienfach hatte. Und trotzdem habe ich ihm vertraut. Oh Mann, er war von Anfang an etwas Besonderes für mich. Ich habe mich in seiner Nähe sofort wohlgefühlt, obwohl wir uns echt kaum kannten. Es hat sich einfach so angefühlt, als würden wir uns schon ewig kennen.

Doch jetzt stehe ich hier, wir kennen uns schon über ein Jahr und sind fast auch schon ein ganzes Jahr zusammen und kommen über eine abgehackte Konversation nicht hinaus. Was ist nur mit uns los?

"Was gibt's?", fragt Kayden emotionslos und hebt erwartungsvoll eine Augenbraue, als wolle er mich herausfordern, dass ich endlich mit der Sprache herausrücke.

"Kayden, mich kotzt das an", fange ich einfach an.
"Was?"
Ich verdrehe meine Augen und fixiere wieder seinen Blick.

"Diese verdammte Scheiße hier", spucke ich es einfach aus, "mich kotzt es an, dass du mir die ganze Zeit aus dem Weg gehst..."
"Jeder braucht seinen Freiraum", unterbricht er mich und ich weiß ganz genau, dass er damit die Zeit meint, in der ich selber Zeit gebraucht habe.

"Aber ich habe dir wenigstens gesagt, was los war", schlage ich zurück, "ich habe keinen Bock mehr, immer Ratespiel bei dir zu spielen. Du gehst mir nicht nur aus dem Weg, du sagst mir nicht einmal, was los ist. Selbst wenn ich daran schuld wäre, verdiene ich wenigstens zu wissen, was ich gerade so grottenfalsch mache, dass du meine Gegenwart einfach meidest."

together we're strongerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt